Apocolocyntosis. Mit einem „botanischen“ zweiten Teil von Monika Kiehn

Autor/innen

  • Ekkehard Weber

DOI:

https://doi.org/10.25365/tyche-2023-38-12

Schlagworte:

Apocolocyntosis, Seneca, Apotheose, koloquinte

Abstract

Der Titel des Werkes „Apocolocyntosis“ von Seneca, eine offensichtliche Verballhornung des Begriffes „Apotheose“ (der Versetzung eines Verstorbenen unter die Götter) gibt Rätsel auf und wird daher seit langem diskutiert. Eindeutig ist, dass Kaiser Claudius verspottet wird, und laut Titel „koloquintisiert“, also „verkürbisst“. Hieraus aber zu schließen, der Titel impliziere auf spöttische Weise, dass Claudius nach seinem Tod in einen Kürbis, also einen hohlen Dummkopf, verwandelt worden sei, und dass darin der Witz liege, greift sicherlich zu kurz.

 

In diesem Aufsatz wird – nicht zum ersten Mal – gezeigt, dass es gute Gründe für eine weniger bildhafte, dafür aber mehr den Umständen entsprechende und drastischere Interpretation des Titels gibt.

 

In der Antike gab noch keinen der heute bei uns bekannten amerikanischen Kürbisse der Gattung Cucurbita, nur der Flaschenkürbis (Lagenaria siceraria) und Melonen waren bekannt. Ersterer wird im Griechischen zwar als κολόκυνθα bezeichnet, im Lateinischen heißt er jedoch cucurbita. Die Anspielung im Titel ist aber wahrscheinlich viel subtiler, denn mit koloquinte wurde in beiden Sprachen auch die giftige Bittermelone (Citrullus colocynthis) bezeichnet, die in der Antike als Medizin verwendet wurde. Der Genuss dieser Frucht führt zu starken, blutigen Durchfällen bis hin zum Tod.

Die überlieferten Texte über die Umstände des Todes von Claudius berichten fast alle von einer Vergiftung durch ein Pilzgericht. Einige erwähnen auch eine anschließende „medizinische“ Behandlung mit einem Gift, das die dann endgültig zum Tod führte, und hier liegt die Verwendung der Bittermelone nahe. Dies würde nicht nur der Titel des Werkes erklären, sondern auch zu den angeblich letzten Worten des Claudius passen, die ihm Seneca bösartig in den Mund legt: „Vae me, puto concacavi me.“

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Veröffentlicht

2025-05-30

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