Ekkehard Weber
Scaurianus
Tafel 29
Unter den Inschriften aus Siebenbürgen im Gebiet des heutigen Rumänien, aus der römischen Provinz Dakien, die sich im Stiegenhaus der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befinden, gibt die Weiheinschrift an Iuppiter optimus maximus und die dii Penates von einem gewissen Scaurianus [1] aus Apulum – Alba Iulia besondere Rätsel auf. Dabei ist es gar nicht so sehr dieser Scaurianus selbst, der in der Forschung praktisch einhellig [2] mit D. Terentius Scaurianus identifiziert wird, einem der ersten Statthalter der Provinz Dacia und Gründer oder Organisator der neugegründeten Hauptstadt Sarmizegetusa[3]. Es soll aber schon hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass es aus dem nicht allzu weit entfernten Goldbergbaugebiet von Ampelum die Grabinschrift eines Scaurianus,Caes(aris) n(ostri) ser(vus) vil(icus) gibt [4].
Die Unklarheiten beginnen bereits mit dem Äußeren des in Wien verwahrten Steines (Taf. 29). Es ist ein relativ großer, auffallend gut erhaltener Altar in der üblichen Form, 121 ´ 68,5 cm, Breite des Schaftes 53 cm. Aber die seltsame Form des Aufsatzes, bei dem eine Gliederung und die Eckakrotere nur durch eine kräftig eingemeißelte Furche angegeben sind, die Form einzelner Buchstaben[5], die völlig ungewöhnlichen Kürzungsstriche über den Buchstaben der ersten Zeile[6] sowie der ganze Schriftcharakter lassen an eine neuzeitliche Fälschung denken.
Hier ist ein kurzer Hinweis auf die Geschichte dieser Sammlung angebracht. Während der vom Prinzen Eugen angeregten, sehr umfassenden Befestigungsarbeiten im frühen 18. Jh. an der Festung Weißenburg in Rumänien (1711 umbenannt zu Karlsburg, heute Alba Iulia) stieß man auf die Überreste des römischen Legionslagers von Apulum und zahlreiche Inschriften. Einem Offizier der kaiserlichen Armee, dem Hauptmann Giuseppe Ariosti — er stammte aus einem italienischen Adelsgeschlecht, das unter anderem auch in Bologna beheimatet ist — fielen diese Inschriften auf, er korrespondierte darüber mit Fachleuten seiner Heimat, vor allem Scipione Maffei in Verona, und schließlich entschloss man sich, die Steine nach Wien bringen zu lassen, zumal man wusste, dass der Kaiser an solchen römischen Relikten außerordentlich interessiert war. So wurden 1723 diese Steine und eine ganze Reihe weiterer, auf die man in Siebenbürgen aufmerksam geworden war, auf dem Wasserweg über Marosch (Mureş), Theiß (Tisa/Tisza) und Donau nach Wien gebracht. Wenn auch nur mit Verlusten, denn zwei der Kähne, auf die man die Steine verladen hatte, gingen an einer unbekannten Stelle im Marosch unter. Es ist nun denkbar, dass man einige Steine, deren Erhaltungszustand ihrer hohen Bestimmung, als Geschenk für den Kaiser zu dienen, nicht zu entsprechen schien, durch lokale Steinmetzmeister überarbeiten, nachmeißeln oder gar neu anfertigen ließ, und in der Tat legen einige der in Wien verwahrten Steine diesen Verdacht nahe [7]. Es ist — wie im vorliegenden Fall — aber auch nicht auszuschließen, dass bei manchen Steinen, die sich im Haus eines lokalen Adeligen, an einer Kirche oder an einem sonstigen öffentlichen Gebäude befanden, dies am betreffenden Ort auch schon früher geschehen ist [8]. Dies jedenfalls würde die formalen Ungereimtheiten des Steines am ehesten erklären.
Damit sind die Probleme aber noch nicht zu Ende. Dass der Stifter mit der Weihung an Iuppiter optimus maximus eine solche an diedii Penates, die Hausgötter in seiner Heimat [9] verbindet, mag man als Ausdruck einer gewissen heimatverbundenen Frömmigkeit ansehen. Es scheint mir aber völlig ausgeschlossen, dass der hochrangige Senator und Provinzstatthalter sich auf einer solchen Weihung, die, wenn das antike Original auch nur einigermaßen die gleiche Größe aufwies, durchaus repräsentativen Charakter gehabt hat, sich geradezu vertraulich nur „Scaurianus“, sozusagen mit dem Rufnamen genannt hätte [10]. Selbst die mühsame Erklärung, dass der Stein vielleicht in einem „Privatheiligtum“ aufgestellt gewesen wäre, reicht m. E. dafür nicht aus. Auch in einem solchen Fall hätte man sich den Göttern gegenüber doch zumindest mit dem vollen Namen ausgewiesen — sie sollen ja sicher sein, wem sie diese Stiftung verdanken — oder aber auf eine Namensnennung überhaupt verzichten können. Jedenfalls ließ sich auch bei einer etwas mühsamen Nachsuche unter den Statthaltern Dakiens kein ähnlicher Fall finden [11]. Dasselbe gilt aber auch, wenn dieser Scaurianus nicht der Statthalter, sondern der genannte kaiserliche Sklave („Subalternbeamte“) und vermutliche Offizial der Bergwerksverwaltung gewesen ist. Der hätte seine Stellung, wie auch die von seinem Bruder gesetzte Grabinschrift zeigt [12], noch viel penibler angegeben.
Es drängt sich also der Gedanke auf, dass nicht nur der Stein und die Form seiner Inschrift eine neuzeitliche Imitation sind, sondern auch der Text in dieser Form nicht echt ist, und vielleicht aus den lesbaren Teilen einer alten und echten, aber schlecht erhaltenen Inschrift zurecht konstruiert wurde. Es gibt genug Beispiele dafür, dass Humanisten im 15. und mehr noch 16. Jh. dazu neigten, unvollständig oder schlecht erhaltene Steine entweder so wiederzugeben, als wären sie vollständig, oder sie nach eigenen Gutdünken zu ergänzen[13]. Tatsächlich stammt die möglicherweise älteste Nachricht von dieser Inschrift von einem Michael Sigler, „Stadtamtsdirektor“ von Hermannstadt – Sibiu aus der zweiten Hälfte des 16. Jh., der in seinen schedae offenbar eine ganze Reihe von Inschriften aus dem Gebiet von Apulum – Alba Iulia überliefert hat. Allerdings sind gerade für diese Inschrift — wie für eine ganze Reihe weiterer — die betreffenden schedae nicht erhalten. Es lässt sich dies in unserem Fall nur aus einem entsprechenden Hinweis bei Gruter (10, 3) erschließen [14].
Etwa um dieselbe Zeit wie Sigler oder vielleicht sogar schon etwas früher hat ein französischer Reisender die Inschrift am 7. Juli 1574 gesehen und mit der Angabe des Verwahrortes abgeschrieben [15]:
Diese Angaben sind in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zunächst fällt auf, dass die Wiedergaben bei Gruter und Lescalopier dieselbe, jedoch nicht mit dem erhaltenen Stein übereinstimmende Zeileneinteilung haben, obwohl gerade diese in alten Abschriften sonst wenig sorgfältig beobachtet wurde. Lescalopier schreibt dafür diis mit einem zweiten I (vgl. dazu auch die zweite Inschrift) und Poenatib(us) (sic!) abgekürzt. Die Inschriften[16] befanden sich an den beiden Seiten des Residenzgebäudes. [17] Das erlaubt die Vermutung, dass Stephan Báthory oder einer seiner Vorgänger ein gewisses Interesse an diesen römischen Altertümern gehabt hat, und man nicht gerade einen schlecht erhaltenen, kaum lesbaren oder gar fragmentierten Stein dort angebracht haben wird. Das bedeutet aber auch angesichts dieser doppelten Überlieferung, dass die Inschrift schon im späteren 16. Jh. bereits weitgehend so ausgesehen haben muss, wie wir sie heute vor uns haben. In diese Zeit ist nach dem Urteil eines Fachmannes die auffällige „Kunstschrift“ auch am ehesten zu datieren [18].
Hundertfünfzig Jahre später, als Ariosti auch diesen Stein für den Transport nach Wien auswählen ließ, befand er sich „nel collegio deʼ Calvinisti“. Wenige Jahre zuvor (1701) hat ihn ein englischer Reisender gesehen, der allerdings keinen genauen Verwahrort angibt und auch nichts über den Zustand des Steines aussagt [19]. Zum 21. Mai vermerkt er:
„His Excellency (der habsburgische Statthalter, damals György Graf Bánffy von Losoncz) staid this whole day at Balasfalva (Balásfalva, dt. Blasendorf, rum. Blaj); and we the morning at Alba Julia, which was antiently called Apulum, where we imployed ourselves in visiting some Roman sculptures, and copying the three [20] following inscriptions.
Wir stellen wieder eine kleine Ungenauigkeit in der Wiedergabe fest, die uns schon bei früheren Abschriften aufgefallen ist: dis ist auf dem Stein nur mit einem I geschrieben. Weniger auffällig ist die auch hier unrichtige Zeileneinteilung, die auch bei Gruter nicht mit unserem Original übereinstimmt: entweder hat Reverend Chishull das nicht für so wichtig gehalten, oder die Verschiebung ist erst durch den Setzer beim Druck erfolgt.
Ein kleines formales Detail ist bisher noch nicht erwähnt worden. Am Ende der Zeilen 1 und 3 (nicht aber in Zeile 5) finden sich als Interpunktionszeichen auffallend gestaltete hederae, die aus einem Stängel und mehreren waagrechten Strichen bestehen, sodass sie aus einiger Entfernung wie stilisierte Weintrauben aussehen. Diese ungewöhnliche Form, die noch dazu deutlich schwächer eingemeißelt ist als die weitgehend übliche (aber auch nicht ganz antike), herzförmige hedera in Zeile 5, könnte nun als ein zusätzliches Indiz für die Fälschung herangezogen werden, wenn sie sich nicht ein zweites Mal ganz ähnlich auf einer zweifellos echten, erst 1897 gefundenen Inschrift aus Apulum fände [21]. Das erhärtet den Verdacht, dass die Inschrift unseres Scaurianus zwar keine Fälschung im eigentlichen Sinn ist, aber schon sehr früh und unvollständig von einer echten, aber vielleicht schlecht erhaltenen Inschrift kopiert wurde [22].
Fassen wir kurz zusammen. Wir haben eine ara, einen römischen Weihealtar, der aufgrund formaler Details und nach der Form seiner Inschrift nicht antik zu sein scheint. Das lässt sich natürlich nicht „beweisen“, weil eine solche Beurteilung weitgehend auf einem sehr persönlichen Gefühl beruht. Selbst die geradezu absurden Kürzungsstriche über den Buchstaben der ersten Zeile sind vielleicht kein absolut sicheres Indiz, obwohl ich nicht glaube, dass sich dafür eine Parallele würde finden lassen. Und es erscheint ebenso wenig glaubhaft, dass der Provinzstatthalter sich nur mit dem Cognomen als „Scaurianus“ bezeichnet. Dass auch jede Stiftungs- oder Weiheformel fehlt, fällt demgegenüber kaum ins Gewicht. Aber auch dieses Problem löst sich, wenn wir davon ausgehen, dass die antike Vorlage dieser Inschrift nicht vom Statthalter, sondern doch von diesem kaiserlichen Sklaven im Dienst der Bergwerksverwaltung gesetzt worden ist und, als sie kopiert wurde, nur etwa bis zur Mitte erhalten war. Sie könnte vollständig etwa so ausgesehen haben, wobei der obere Teil zur Vorlage für die noch erhaltene und jetzt in Wien befindliche Kopie wurde, der untere aber bereits im 15. oder 16. Jh. verloren war:
Wann nun die Kopie angefertigt wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, da wir nicht sagen können, ob die älteren Gewährsleute noch das Original oder schon die Kopie gesehen haben. Jedenfalls lässt sich ein Stein — mit dem erhaltenen Text — seit dem Ende des 16. Jh. nachweisen, als er sich mit einem zweiten, aber inzwischen verschollenen am Palais des Stephan Báthory, des Fürsten von Siebenbürgen befand. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dies — immer vorausgesetzt, dass es tatsächlich ein neuzeitliches Fabrikat ist — bereits die Kopie war, um an der Residenz des Fürsten von Siebenbürgen nicht ein vielleicht schlecht erhaltenes Fragment, sondern ein repräsentatives Schaustück anzubringen. Stephan Báthory war Fürst von Siebenbürgen seit 1571; wir könnten ein solches Interesse aber ebenso auch seinem hochgebildeten Vorgänger Johann Sigismund Zápolya zutrauen, der allerdings nur kurz (1570–1571) Fürst von Siebenbürgen war. Sicher hat man schon damals den „Scaurianus“ für den Statthalter gehalten. Dass dieser schon bekannt war, zeigt unter anderem der Umstand, dass auch der schon genannte Michael Sigler aus der älteren Überlieferung die „Gründungsinschrift“ der colonia Sarmizegetusa kennt, wobei er bemerkenswerter Weise den Namen des Statthalters jedoch nur in der Formper M. (so !) Scaurianum eius pro pr. wiedergibt [23].
Eine sichere Lösung kann jedoch nicht angeboten werden [24]. Will man alle die angedeuteten Ungereimtheiten akzeptieren, wird man die Inschrift samt ihrem Träger wohl für echt und antik halten. Sonst bleibt nur die Annahme, wenn wir den Stein nicht zur Gänze als Fälschung verdammen wollen, dass er irgendwann, aber am ehesten im späteren 16. Jh. für einen der Fürsten in Alba Julia nach einem antiken Vorbild konstruiert worden ist.
- - - - - - - - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -
Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, |
Ekkehard Weber |
[1] CIL 3, 1081 (p. 1390) = ILS 3594 = IDR 3/5, 202 = F. Beutler, E. Weber (Hrsg.), Die römischen Inschriften der Österreichischen Nationalbibliothek , Wien 2015, 63 Nr. 46; vgl. ausführlich auch F. Beutler, Ein fraglicher Altar aus Apulum im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien , in: L. Ruscu u.a. (Hrsg.), Orbis antiquus, Studia in honorem Ioannis Pisonis, Cluj-Napoca 2004, 394–397.
[2] Eine Ausnahme ist D. Tudor, Istoria sclavajului în Dacia Romana, Bukarest 1957, 32 und 274 Nr. 142, der die Inschrift (und den Namen) zweifelnd als Beleg für einen Sklaven oder Freigelassenen anführt. Fällt aber der Bezug unserer Inschrift zum Statthalter D. Terentius Scaurianus, fällt auch eine, wenn nicht die wichtigste Begründung weg, warum damals Apulum und nicht das neu gegründete Sarmizegetusa Statthaltersitz gewesen sein sollte; zu dieser schwierigen Frage R. Haensch, Capita provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der römischen Kaiserzeit , Mainz 1997, 341 f.
[3] Dass er überhaupt der erste Statthalter der neu eingerichteten Provinz gewesen wäre, bezweifelt I. Piso, Fasti provinciae Daciae: Die senatorischen Amtsträger (Antiquitas 1, 43), Bonn 1993, 13–18; vgl. auch successor ut videtur Iulii Sabini, PIR2 8/1 (2009) 23 f. Nr. 88. Anders noch W. Eck, RE Suppl. 14 (1974) 757, wohl vor allem gestützt auf die Formulierung provincia nova in der Inschrift des Ti. Claudius Maximus, AE 1969–1970, 538. Die Inschrift mit dem Hinweis auf die durch ihn durchgeführte Gründung der colonia Dac(ica) Sarmiz(egetusa), CIL 3, 1443 = IDR 3/2, 1 (mit der Neulesung durch H. Wolff, Miscellanea Dacica II, Acta Musei Napocensis 13 [1976] 99–108) = I. Piso, Le Forum vetus de Sarmizegetusa I, Bukarest 2006, 214–217 Nr. 2 (die ausführlichste Behandlung mit umfangreichen Literaturangaben) wird uns noch begegnen (Anm. 23).
[4] D(is) M(anibus) / Scauriani / Caes(aris) n(ostri) ser(vi) v<i>ll(ici) / vix(it) an(nos) XXIII / Fuscianus / fratri b(ene) m(erenti) p(osuit) ; CIL 3, 1610 = IDR 3/3, 362, Petreştii de Jos. Der genaue Fundort ist allerdings unsicher überliefert.
[5] Auffällig vor allem die A ohne Querstrich, der durch ein leicht geschwungenes, schräges Strichlein in der Art eines Komma ( sicilicus) ersetzt ist, und die unorganische, fast ungeschickte Form der Buchstaben S. Die ebenfalls relativ auffällige Buchstabenhöhe beträgt 7 cm.
[6] Das ehrwürdige Handbuch von R. Cagnat, Cours d’épigraphie latine, Paris 41914, 28 kennt bezeichnenderweise für einen auf diese Art (mit über die Zeile gesetzten Kürzungsstrichen) geschriebenen Götternamen nur unser Beispiel; die Spezialuntersuchung von A. E. Gordon, Supralineate Abbreviations in Latin Inscriptions, Berkeley 1948, nennt als ein weiteres nur H(ercules) mit zwei Belegen aus dem 2. Jh. (in seiner Liste p. 79).
[7] Im genannten Katalog von Beutler, Weber (Anm. 1) sind es die Nummern 2, 13, 18, 21, 32, 46 und 50 (jeweils mit Abb.), wobei diese Überarbeitungen ebenso in Siebenbürgen erfolgt sein können wie nachträglich in Wien.
[8] Dies legt jedenfalls Nr. 50 des genannten Katalogs nahe, CIL 3, 1615 = IDR 3/5, 513; Ubi erat Lupa 6772, bei der die dem Wortlaut nach unverdächtige lateinische Inschrift dieselben formalen Charakteristika aufzuweisen scheint wie der neuzeitliche deutsche Text im unteren Teil des Schriftfeldes. Dieses Phänomen teilweise schon sehr früher lokaler Überarbeitungen, das sich auch bei Inschriften in anderen Gegenden zeigen lässt, hat die Forschung bisher zu wenig beachtet; mein kurzer Hinweis mit Beispielen aus Noricum ist leider an einer nicht gerade leicht zugänglichen Stelle erschienen; E. Weber, Verfälschte Inschriften, in: Berichte des 2. Österreichischen Archäologentages im Schloss Seggau bei Leibnitz (Mitteilungen der Archäologischen Gesellschaft Graz, Beiheft 1), Graz 1987, 110–113.
[9] Nemausus – Nîmes, wenn die Zuweisung von CIL 12, 3169 = AE 1982, 678 an D. Terentius Scaurianus zutrifft. Es können natürlich auch die dii Penates publici populi Romani Quiritium sein; so E. Groag, RE 5 A (1934) 670 (der ganze Artikel 669–672). Aber damit würde die Stiftung sozusagen noch „offizieller“, und die nur kursorische Erwähnung des Stifters noch weniger verständlich. Eine Parallele mit offenbar derselben Weihung AE 1988, 853 = 1993, 1097 aus Octodurus – Martigny:[Iov]ị o(ptimo) ṃ(aximo) et dis Pen[at(ibus)] /s[ac]rum / [. . . . . . . . . Pr]ịmigeni[us . . .
[10] Man vergleiche dazu AE 1956, 204 = IDR 3/5, 299, ebenfalls aus Apulum; der Stifter nennt neben den dii Penates noch zehn weitere Gottheiten, bezeichnet sich aber selbstverständlich mit vollem Namen und Funktion als P. Catius Sabinus trib. mil. leg. XIII G(eminae). Auf der zweisprachigen Inschrift aus Carnuntum AE 1903, 206 nennt sich der Statthalter im griechischen Distichon zwar auch nur mit seinem Cognomen Πρωτόμαχος, führt aber den gesamten Namen und Titel L(ucius) Pomponius Protomachus leg. Augg. pr. pr. darüber im lateinischen Text (und noch vor dem Namen der Göttin Aequitas, der die Inschrift gewidmet ist) an. Wenn Hartmut Wolff bei seiner Behandlung der schlecht überlieferten Inschrift CIL 3, 1443 = IDR 3/2, 1 (vgl. hier Anm. 3) anmerkt, „mit Recht haben O. Hirschfeld und B. Filow bemängelt, daß SCAVRIANVS nach Mommsens Vorschlag mit bloßem Cognomen genannt sei“, so gilt das hier ebenso.
[11] Vgl. etwa die zahlreichen Weihungen des Statthalters M. Statius Priscus Licinius Italicus, Piso, Fasti (Anm. 3) 66–73 Nr. 16. Sogar wenn sie von demselben Fundort stammen, bezeichnet er sich selbstverständlich immer als M. Statius Priscus leg(atus) Aug(usti) pr(o) pr(aetore). Werner Eck danke ich für sein Interesse, aber auch für den Hinweis, dass „bei Weihinschriften alles möglich“ sei. Ein eigenes Problem ist die Weihinschrift aus Syrien mit der Nennung eines Scaurianus, SEG 7, 342 und Piso, Fasti (Anm. 3) 15 Nr. 9, doch hat hier bereits J.-P. Rey-Coquais, Syrie romaine, de Pompée à Diocletien, JRS 68 (1978) 64 Anm. 282 das Nötige gesagt: „Il est absolument exclu d’identifier ce général romain avec un Σκαυριανὸς Μαξίμου, auteur d’une modeste dédicace grecque dans un temple de Doura-Europos“. Der Name ist (nicht nur) in Syrien auch sonst bezeugt, SEG a.a.O. 964; vgl. IE (IK 12) Nr. 452.
[12] Siehe Anm. 4.
[13] So hat der diesbezüglich allerdings berüchtigte Wolfgang Lazius zu den von ihm überlieferten Fragmenten der Bauinschrift des Legionslagers von Vindobona unter Traian willkürlich die Formulierung victo Decebalo dazu erfunden; CIL 3, 4566 (p. 1045, 1793) + AE 1971, 314; vgl. E. Weber, Wolfgang Lazius und die römischen Inschriften von Wien (im Druck). Man vergleiche dazu die Inschrift Iovi Statori Herculi Victori M. Ulp. Nerva Traianus Caesar victo Decebalo domita Dacia votum solvit aus den Scheden des gleich zu nennenden Michael Sigler im cod. Vat. 5249 f. 39. Mommsen hat sie zu Recht unter die Fälschungen eingereiht; die ältere Überlieferung (und ein weiterer Text, eine Fortsetzung?) in CIL 3, *70.
[14] Es kann nur ein Versehen sein, wenn Piso in IDR 3/5, 202 anscheinend davon ausgeht, dass diese Inschrift im cod. Vat. 5249 unmittelbar erhalten wäre. Diese Handschrift, die wohl aus dem Besitz des Aldus Manutius stammt, enthält f. 39 r unter der Überschrift Inscriptiones Romanae ex statuis et marmoribus hinc inde in Transsiluania erutis collectae per Mich. Siglerum secret. Reip. Cibinien. in zwei Spalten, teilweise fehlerhaft und unvollständig, aber in einer gut lesbaren Kursive die Inschriften CIL 3, *70 = 3, 860 = ILS 4082; die griechische Inschrift CIL 3, 7740a = IGRR 1, 541 = IDR 3/5, 15 in lateinischen Buchstaben, die nachträglich von anderer Hand in griechischen Kapitalbuchstaben transkribiert wurden; in der zweiten Spalte CIL 3, 1443 = IDR 3/2, 1 (cf. AE 2006, 1140); 3, 1026 = IDR 3/5, 96; 3, 1024 = IDR 3/5, 92 (der Stein befindet sich jetzt in Wien, siehe Beutler, Weber [Anm. 1] Nr. 18) und 3, 1077; 7764 = IDR 3/5, 197. Die Seite 39 v enthält in einer viel fahrigeren, schlecht lesbaren Kursivschrift zunächst die Überschrift albae Iuliae (so !) und die Inschriften CIL 3, 1070 = ILS 5625; 3, 1422 = ILS 3636 = IDR 3/2, 206; 3, 1182 = IDR 3/5, 441; in der zweiten Spalte CIL 3, 1175 (nicht in IDR 3/5) und 3, 1213 = IDR 3/5 504. Vgl. dazu auch Mommsen, CIL 3, p. 156. Wie es scheint, hat Sigler seine Inschriften aber nicht selbst gesehen, sondern aus älteren Abschriften übernommen; vgl. dazu Anm. 23.
[15] P. Lescalopier, Voyage fait par moi (1574); Bibliothèque interuniversitaire de Montpellier, BU médecine Ms. H 385 fol. 55 v (für die Fotografie ist der BIU Montpellier, Service Photographie zu danken). Zur Abb. vgl. auch K. Benda, L. Tardy, Pierre Lescalopier utazása erdélybe [1574], Budapest 1982, 81; zum Reisetagebuch insgesamt P. I. Cernovodeanu, Călătoria lui Pierre Lescalopier în ţara Romînească şi Transilvania la 1574 . Studii şi materiale de istoria medie 4 (1966) 433–463 (unsere Inschrift dort 452 f.). Mommsen kannte diese Quelle offensichtlich noch nicht. Zu der zweiten Inschrift siehe weiter unten (Anm. 16).
[16] Die zweite Inschrift ist CIL 3, 987 = ILS 3847 = IDR 3/5, 21: Aesculapio / et Hygiae ce/terisq(ue) diis dea/busq(ue) huiusq(ue) / loci salutarib(us). / C(aius) Iul(ius) Fronto/nianus vet(eranus) ex / b(ene)f(iciario) co(n)s(ularis) leg(ionis) V M(acedonicae) P(iae) / redditis sibi lumi/nibus grat(ias) age(ns) ex / viso pro se et Carteia / Maxima coniug(e) et Iul(ia) / Frontina filia / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). Der Text bei Lescalopier stimmt mit der sonstigen Überlieferung, wieder bis auf die Zeileneinteilung (und den ungenau gelesenen Namen der Frau), weitgehend überein. Die klein eingefügten Nummern bei Gruter in diesem Manuskript stammen natürlich von einer späteren Hand.
[17] Der damalige „prince“ muss Stephan Báthory gewesen sein, der seit 1571 unter türkischer Oberherrschaft gewählter Fürst von Siebenbürgen, ab 1576 König von Polen war.
[18] „Auf den ersten Blick würde ich Ihre Vermutung einer (in der Schriftgestaltung geradezu hypertroph manierierten) frühneuzeitlichen Kopie oder Wiederholung absolut teilen“, Andreas Zajic, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Mittelalterforschung (e-mail am 10. 11. 2015). Der wohl beste Kenner des lokalen renaissancezeitlichen Inschriftenmaterials, Ioan Albu, Universität Sibiu, Departamentul de Istorie şi Patrimoniu, hat zwar auch Zweifel bezüglich einer antiken Zeitstellung, meint aber „Zum anderen ist die Inschrift überhaupt nicht mit den Formen der siebenbürgischen Renaissance Capitalis verbunden. Dass die Inschrift nach einem schlecht erhaltenen Vorbild nachgefertigt wurde, kann ich nicht ausschließen, jedoch scheint mir eher unwahrscheinlich“ (e-mail vom 15. 1. 2016). Beiden Kollegen habe ich für ihre Expertise sehr zu danken.
[19] E. Chishull, Travels in Turkey and Back to England, London 1747, 94 f.
[20] Die anderen, hier nicht wiedergegebenen Inschriften sind CIL 3, 1105 = IDR 3/5, 261 (unvollständig) und CIL 3, 1129 = ILS 3867 = IDR 3/5, 298. Beide waren jedenfalls ursprünglich in verschiedenen Kirchen eingemauert, sodass sich für den damaligen Verwahrort unserer Inschrift nichts gewinnen lässt.
[21] CIL 3, 14480 = IDR 3/5, 449; „découverte (durch den Ausgräber) lors des fouilles du prétoire du gouverneur de la province“, Piso a.a.O., dem ich auch den Hinweis auf diese wichtige Parallele verdanke.
[22] Offensichtlich hat das Original dieselben Interpunktionszeichen enthalten, welche — deutlich steifer als das geradezu „elegante“ Zeichen am Ende der zuletzt genannten Inschrift — dann auf die Kopie übertragen wurden.
[23] Sigler in cod. Vat. 5249, 39 r (dazu hier Anm. 13); CIL 3, 1443 = IDR 3/2, 1 = Piso, Forum vetus (Anm. 3): Auspiciis / [Imp(eratoris)] Caes(aris) D ivi Nervae f[il(ii) / Nervae] Traiani Augusti / [Germ(anici) Dac(ici)] condita colonia / [Ulpia Traiana Augusta] Dacica / [Sarmizegetusa] per / [D(ecimum) Terenti]um Scaurianum / [legatum] eius pro pr(aetore) . Wie wir inzwischen wissen, war diese Inschrift unvollständig überliefert worden (die genauen Angaben, welche Teile erhalten bzw. überliefert sind, bei Piso a.a.O.), doch ohne dass dies in den alten Abschriften ausreichend kenntlich gemacht worden wäre; bezeichnend die elegante, auf Mommsen zurückgehende Formulierung Groags (Anm. 9, 669), sie wäre durch drei unvollständige Abschriften — eine zuverlässige, eine unrichtig ergänzte und eine interpolierte (gemeint ist die Siglers) — bekannt, wobei aber alle diese Abschriften auf einen einzigen lokalen Gewährsmann des späten 15. und frühen 16. Jh. zurückgehen, Johannes Mezerzius (Jan [de] Megereche, magyarisiert János Megyericsei, vermutlich aus dem slavonischen Dorf Međurača). Er war unter anderem Sekretär und Domherr des Bischofs von Transilvanien László Geréb; vgl. E. Ábel, Johannes Mezerzius, der Begründer der dacischen Epigraphik , Ungarische Revue 1883, 373–383 und Mommsen CIL 3 p. 155. Es ist nicht ganz ohne Bedeutung, dass dieser stets sorgfältige Mezerzius unsere Inschrift des Scaurianus nicht kennt, obwohl er die gemeinsam mit ihr an der maison du prince angebrachte des C. Iulius Frontonianus, CIL 3, 987 = ILS 3847 = IDR 3/5, 21 (siehe oben und Anm. 16) sehr wohl verzeichnet hat.
[24] Eine naturwissenschaftliche Untersuchung des Steinmaterials ist nicht erfolgt. Nach Mitteilung von Ioan Piso stammt der Marmor aus den Steinbrüchen von Bucova, Bezirk Caraş-Severin, doch ob er dem nur in der Antike abgebauten Steinbruch I oder einem der späteren zuzuweisen ist, lässt sich wegen des Fehlens einer solchen Untersuchung nicht mit Sicherheit feststellen; vgl. H. W. Müller, I. Piso u.a., Der Marmor im römischen Dakien, Cluj-Napoca 2012, 23–36.