Peter Siewert — Julia Taita


Funktionäre Olympias auf einem
hocharchaischen Bronzeblech (BrU 6)

Tafel 3



Von den meist stark fragmentierten Bronze-Urkunden, die Emil Kunze und Alfred Mallwitz aus ihren Grabungen in Olympia Peter Siewert zur Publikation anver­trauten[1], wird hier eine Inschrift vorgelegt, die zu den frühesten leges sacrae des Zeus-Heiligtums gehört[2].

Der Fundort

Zutage kam das Blechstück im Brunnen 93 des sogenannten Südostgebietes (SO), ca. 25 m im Osten des Südteils der Echohalle[3]. Der Brunnen wurde im letzten Viertel des 6. Jh. verfüllt [4], sodass die Inschrift, die — wie gezeigt wird — aus dem dritten Viertel des 6. Jh. stammt, schon um diese Zeit obsolet geworden war. Dass Kult­ge­setze im archaischen Olympia auffallend leicht geändert werden konnten, zeigt ein ungefähr gleichzeitiges Beispiel über das Verfahren für eine eventuelle zukünftige Verbesserung des Gesetzestextes[5].

Das Bronzeblech

Derartig dünne Bronzefolien, auch Beschlagbleche genannt, dienten ab der Mitte des 7. Jh. v. Chr. zur Verkleidung von Holzarchitektur („Pfostenbleche“) oder, wenn mit Bildreliefs („Bronzereliefs“) verziert, wohl zum Schmuck von Möbeln oder Geräten[6]. Das Beschlagblech war aus unbekannten Gründen nutzlos geworden — vermutlich durch Verwitterung oder Zerstörung des unterlegten Holzes [7] — sodass seine Rückseite als Schriftträger eines Gesetzes neu verwendet wurde. Die ursprüng­liche, versteifende Rahmenrille ist — von der Schrift aus gesehen — oben und auf der rechten Seite erhalten, ebenso auch auf der rechten Seite drei Nagellöcher aus der Zeit der Erstverwendung; denn das Sigma in Z. 1 weicht dem 2. Nagelloch (von oben gezählt) deutlich aus. Am oberen Rand blieb ein Streifen von 2,7 cm unbeschriftet. Zur Beschriftung wurde die oben und rechts durch Rillen gerahmte Fläche benutzt. Der linke und der untere Teil des Blechs sind abgebrochen oder abge­schnitten, sodass nichts über die ursprüngliche Größe des Blechs oder der Textfläche bzw. die Zeilen­breite ausgesagt werden kann.

Die Beschriftung

Mit scharfen Flach- und Rundmeißeln wurden — von rechts nach links beginnend — bustrophedon die Buchstaben eingeschlagen, von denen sich infolge des dünnen Blechs fast alle auch auf der Rückseite abzeichnen[8]. Am mittleren Omikron der Z. 2 sind Spuren eines doppelten Schlages deutlich. Der unbeschriebene Bereich der dritten Zeile wird weiter unten behandelt. Z. 4 ist teilweise durch eine feine obere und untere Ritzlinie im nahezu parallelen Abstand von 1,8–1,9 cm eingefasst.

Im Vergleich zu anderen Inschriften fällt auf, dass viele Senkrechthasten nach links geneigt sind, vor allem in den Z. 4 und 5. Regelwidrig ist das linksläufige Sigma in der rechtsläufigen Z. 5; in Z. 1 ist das linksläufige Sigma korrekt. In denselben Zeilen 4 und 5 sind die Buchstaben mit 11–12 mm etwas höher als in Z. 1 und 2 (9–11 mm). Die mit einem Ringmeißel eingeschlagenen Rundbuchstaben messen jedoch hier wie dort 11 mm.

Besonders fallen die sehr unterschiedlichen Zwischenräume zwischen den be­schrifteten Zeilen auf:

      zwischen Z. 1–2: 1–3 mm

      zwischen Z. 2–4: 14–18 mm

      zwischen Z. 4–5: 6–7 mm

      zwischen Z. 5–6: mehr als 8 mm[9]

Der leere Zwischenraum zwischen Z. 2 und Z. 4 bietet ziemlich exakt Platz für eine Textzeile von den Dimensionen der Z. 1 und 2, nämlich 9–11 mm Buch­staben­höhe plus 1–3 mm Zwischenraum zwischen Z. 1 und 2, somit insgesamt für eine Zeilenhöhe von 10–14 mm. Dies führt zu der Annahme, dass am rechten Rand der ursprünglichen Schriftfläche der Text dieser 3. Z. nach links gerichtet lief, aber nicht die gesamte Zeilenlänge benötigte. Damit blieb der Rest der Zeile unbeschriftet und ist uns als Leerzeile 3 erhalten. Ebenfalls am rechten Rand der ursprünglichen Schreibfläche begann von rechts nach links der Text der Z. 4, wie es auch bei Z. 1, der Fall war. Aus den frühen Bronze-Urkunden Olympias ist kein Beispiel eines der­artigen umfangreichen vacat bekannt. Vergleichbar erscheint eine spätarchaische Bustrophedon-Inschrift aus dem kretischen Eleutherna, in der der zweite Text-Teil (Paragraph) eines Gesetzes nach einem vacat am Ende des ersten Teils (Z. 4) mit einer neuen Zeile beginnt[10]. Das vacat differenziert den vorausgehenden Text von dem nachfolgenden. Demnach könnte in den ersten drei Zeilen der Bronzeurkunde das Verhalten des Diaitater zum Proxenos und in den folgenden Zeilen 4–5 zum Theokolos oder andere Vorschriften über den Theokolos allein formuliert gewesen sein.

Mehrere Indizien lassen es als möglich erscheinen, dass Z. 4–5 von anderer Hand geschrieben — genauer gesagt — eingeschlagen wurden:

1) die Buchstaben außer den runden sind meist ca. 1 mm höher;

2) sie sind stärker nach links geneigt;

3) der Raum zwischen Z. 4 und 5 und wohl auch zwischen Z. 5 und 6 (vgl. Anm. 9) ist erheblich größer als zwischen den ersten beiden Zeilen.

Doch keines dieser Merkmale erscheint als zwingend; so muss angesichts der schmalen Evidenz-Basis offen bleiben, ob nicht individuelle Variation eines inkonse­quenten Schreibers oder Zufälligkeit zugrunde liegt.


Die Datierung der Schrift

Aufgrund der Buchstabenformen und des Inhalts bestehen keine Zweifel am elischen Ursprung. Am nächsten steht die älteste bisher publizierte Bustrophedon-Urkunde Olympias (IvO 1), die von Jeffery „c. 525 ?“ datiert wird[11]. Die Schrift­zeichen sind weitgehend identisch, doch dass die neue Inschrift etwas älter ist, zeigen das Epsilon mit deutlich längeren Senkrechthaste und das Ypsilon, dessen Schräg­strich die Mitte der Senkrechthaste berührt, während in IvO 1 und in späteren In­schriften dieser Buchstabe einem aus zwei gleichlangen Schräghasten gebildeten V gleicht[12]. Hinzu kommt, dass IvO 1, wie bei späteren Urkunden meist üblich, auf eine eigens dafür hergestellte Bronzetafel eingeschlagen ist[13], während BrU 6 wie drei weitere, ebenfalls frühe Bustrophedon-Urkunden auf wiederverwendeten Bronzeteilen geschrieben sind[14]. Somit dürfte das ursprüngliche Beschlagsblech zwischen 550–525 v. Chr. als Schriftträger eines Kultgesetzes neu genutzt worden sein, der dann aller­dings schon zwischen 525 und 500 in einem Brunnen „entsorgt“ wurde.

Kommentar

Die erhaltenen vier Textzeilen offenbaren, dass der ursprüngliche Text über den linken und den rechten Rand hinausreichte. Die textfreie Z. 3 ergab sich, wie eben untersucht, als wahrscheinliches vacat eines Textes, der auf der ursprünglichen Schreibfläche nicht die gesamte Zeile ausfüllte. Es scheint ein bemerkenswerter Zu­fall zu sein, dass in jeder Zeile ein olympischer Funktionär genannt ist. Die Nagel­lochreihe am rechten Rand deutet darauf hin, dass der ursprüngliche Text sich min­destens über ein zweites Bronzeblech erstreckte, wofür es in Olympia Parallelen gibt [15].

Z . 1: [---] σὺν διαιτα[τ ρι ---]

Da der Blechstreifen oberhalb der Z. 1 unbeschriftet blieb, dürfte ein Teil der ersten originalen Textzeile vorliegen. σύν + Dativ ist mehrfach im Elischen bezeugt[16]. Der διαιτατήρ bezeichnet im 6. Jh. den olympischen Wettkampfrichter, der etwa ab 475 Ἑλλανοδίκας genannt wird[17]. Die Person, die „zusammen mit dem Kampf­richter“ agieren soll oder betroffen ist, muss vor σὺν διαιτα[τρι] genannt worden sein, also auf einem nicht erhaltenen zweiten Bronzeblech, das sich am rechten Rand des erhal­tenen Fragments anschloss[18].

Z. 2: [---]ο προξενο[---]

Der fragmentarische Text erlaubt keine Entscheidung, ob der Nominativ [---] ο̉ πρόξενο[ς oder der Genitiv [--- τ] προξέν[ zu ergänzen ist. Die im Kontext ge­nann­ten, anscheinend amtierenden Funktionäre Diaitater und Theokolos (Z. 4) geben der Annahme des Nominativs ein geringes Übergewicht in dem Sinn, dass der Proxenos in der (uns unbekannten) Sachlage agieren soll. In den frühen Inschriften Olympias tritt πρόξενος in zwei verschiedenen Bedeutungen auf: als „Proxenos der Eleer“ wird mehrfach ein Bürger eines fremden Staats geehrt, der in seiner Heimat elische Besucher betreut und ihre Interessen vertritt[19]. Dieser Typ der „Staats­gastfreunde“ ist im internationalen Verkehr der griechischen Welt verbreitet[20]. Davon wesentlich verschieden sind die Proxenoi, die als Kultfunktionäre in Zusammenarbeit mit Sehern (Manteis) den Zugang zum (Zeus-)Altar und damit zum Orakel regeln[21]. Sie scheinen also — im Unterschied zu den gemeingriechischen Proxenoi — eine magistratische Kompetenz im Zentrum des Zeus-Heiligtums auszuüben [22]. In der Inschrift ist hier aufgrund der Nennung des Diaitater und zweimal des Theokolos der kultische Proxenos zu verstehen.

Z. 3: vacat

Teil einer nicht vollständig beschriebenen dritten Textzeile (s.o. Abschnitt „Be­schriftung“).

Z. 4: [--- θε]οκόλοΙΑ . [---]

Neben dem A am Ende der linksläufigen Zeile verläuft in der Bruchkante des Blechs die Senkrechthaste eines Buchstabens. In Fragen kommen ein Iota oder elf andere Buchstaben des hocharchaischen elischen Alphabets Β, Δ, Ε, F, K, Λ, M, N, Π, Ρ, Y, die mit einem senkrechten Strich beginnen können [23]. Ob der Genitiv Singular θε]οκόλ ΙΑ . oder (unter Einbezug des nachfolgenden Iotas) θε]οκόλοι Α . Dativ Singular οder Nominativ Plural gemeint ist, lässt der lückenhafte Kontext nicht ent­scheiden.

Der Theokolos ist vor allem für Opfer an Götter Olympias zuständig[24]. Das Amt ist in Olympia ab dem 6. Jh.[25] bis in die Kaiserzeit bezeugt[26].

Z. 5: [--- θεo]κόλος τιθε[---]

Auch hier muss offen bleiben, ob der Nominativ Singular oder der elische Dativ Plural auf -ος/ορ oder der Akkusativ Plural (ebenfalls auf -ος/ορ) gemeint ist[27]. Da in dieser Inschrift der Proxenos (Z. 2) im Singular auftritt und ebenso in den archaischen Inschriften Olympias Pluralformen von Diaitater und Theokolos bisher nicht bezeugt sind, liegt bei den Bezeichnungen der drei Kultämter die Deutung als Singular näher[28].

Damit wird [--- θεo]κόλος als Subjekt des nachfolgenden τιθε[---] wahrscheinlich — etwa der Optativ τιθε[ί] — ohne dass sich sagen lässt, was der Theokolos „legen“, „festsetzen“ oder „machen“ soll[29].

Schlussbetrachtung

BrU 6 ist die einzige erhaltene Inschrift aus Olympia, die einen Beamten mit überwiegend agonalen Kompetenzen, den Diaitater, neben zwei Funktionären, dem Proxenos und dem Theokolos, nennt, welche anhand der literarischen und epi­gra­phischen Belege üblicherweise im Kult, nicht bei Wettkämpfen, tätig waren. Der Schiedsrichter wird jedenfalls nicht einmal mit anderen Funktionären oder Bedien­steten erwähnt, die im sakralen Bereich handelten [30]. Ebenso bedeutsam ist es, dass auch die zwei kultischen Funktionäre, der Proxenos und der Theokolos, in anderen Inschriften nicht innerhalb desselben Textes nachgewiesen sind[31]. Die Inschrift BrU 6 bietet den ältesten Nachweis eines Diaitater und eines Proxenos in Olympia[32]. Die enormen Textlücken der Inschrift und das Fehlen von Dokumenten ähnlichen Inhalts eröffnen jedoch ein weites Feld unverbindlicher Spekulationen, auf welche hier ver­zichtet wird [33]. Die Nennung des Wettkampfrichters ergibt immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kultgesetz nicht den religiösen Alltag des Heiligtums betrifft, sondern im Zusammenhang mit dem Zeusfest und seinen Agonen steht. Die eigentliche Überraschung bietet die Kurzlebigkeit des Gesetzes, das, zwecks Dauer­haftigkeit auf Metall geschlagen, nach wenigen Jahrzehnten — wohl durch amtliche Aufhebung oder Reform des Gesetzes — noch in archaischer Zeit der Sichtbarkeit und Gültigkeit entzogen wurde.

Literatur und Abkürzungsverzeichnis

Ebert, Siewert 1999 = J. Ebert, P. Siewert, Eine archaische Bronzeurkunde aus Olympia mit Vorschriften für Ringkämpfer und Kampfrichter, OB 11 (1999) 391–412.

EG = M. Guarducci, Epigrafia Greca I, Rom 21995.

Gauer (1975) = W. Gauer, Die Tongefäße aus den Brunnen unterm Stadion-Nordwall und im Südost-Gebiet (OF 8), Berlin 1975.

Gehrke (2013) = H.-J. Gehrke, Theoroi in und aus Olympia. Beobachtungen zur reli­giösen Kommunikation in der archaischen Zeit, Klio 95 (2013) 40–60.

Gschnitzer (1973) = F. Gschnitzer, s.v. Proxenos, RE Suppl. XIII (1973) 629–730.

IED = S. Minon, Les inscriptions éléennes dialectales, I–II, Genf 2007.

IvO = W. Dittenberger, K. Purgold, Die Inschriften von Olympia, Berlin 1896.

Jeffery s. LSAG

Koerner (1993) = R. Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, Köln u.a. O. 1993.

Kyrieleis (2011) = H. Kyrieleis, Olympia. Archäologie eines Heiligtums, Darmstadt, Mainz 2011.

LSAG = L.H. Jeffery, Local Scripts of Archaic Greece. With a Supplement by A.W. Johnston, Oxford 21990.

Lupu (2009) = E. Lupu, Greek Sacred Law. A Collection of New Documents (NGSL) (Religions in the Graeco-Roman World 152), Leiden 22009.

Mallwitz (1999) = A. Mallwitz, 11. Bericht über die Ausgrabungen in Olympia, Berlin 1999.

Mallwitz, Herrmann (1980) = A. Mallwitz, H.-V. Herrmann, Die Funde aus Olympia, Athen 1980.

Marek (1984) = C. Marek, Die Proxenie, Frankfurt a.M. 1984.

Minon s. IED

Neudecker (1999) = R. Neudecker, s.v. Kypseloslade, DNP 6 (1999) 997 f.

NGSL s. Lupu (2009).

NIO = P. Siewert, H. Taeuber, Neue Inschriften von Olympia. Die ab 1896 veröffent­lichten Texte (Tyche Sonderband 7), Wien 2013.

Nomima = H. Van Effenterre, F. Ruzé, Nomima. Recueil d’inscriptions politiques et juridiques de l’archaïsme grec, Rom I–II (1994–1995).

OB = Bericht über die Ausgrabungen in Olympia.

OF = Olympische Forschungen.

Philipp (2004) = H. Philipp, Archaische Silhouettenbleche und Schildzeichen in Olympia (OF 30), Berlin 2004.

Siewert (1992) = P. Siewert, The Olympic Rules, in: W. Coulson, H. Kyrieleis (Hrsg.), Proceedings of an International Symposium on the Olympic Games, 5.–9. September 1988, Athen 1992, 113–117.

Siewert (2002) = P. Siewert, Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Bronze-Urkunden aus Olympia mit der Erstedition einer frühen Theorodokie-Verleihung als Beispiel, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000, Mainz 2002, 359–370.

Siewert (2013) = P. Siewert, Archaische Bronzeplatte eines unteritalischen Proxenos der Eleer, Tyche 28 (2013) 147–161.

Taita (2004–2005) = J. Taita, Proxenoi 'santuariali' all’oracolo di Zeus ad Olimpia. Profilo giuridico e funzioni, Minima Epigraphica et Papyrologica 7–8 (2004–2005) 87–114.

Taita (2007) = J. Taita, Olimpia e il suo vicinato in epoca arcaica (Il Filarete 244), Milano 2007.

Zoumbaki (2001) = S. Zoumbaki, Elis und Olympia in der Kaiserzeit. Das Leben einer Gesellschaft zwischen Stadt und Heiligtum auf prosopographischer Grund­lage (Meletemata 32), Athen 2001.

Zoumbaki (2011) = S. Zoumbaki, Hellanodiken außerhalb von Olympia, Tekmeria 10 (2011) 7–21.

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Peter Siewert
Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde,
Papyrologie und Epigraphik
Universität Wien
Universitätsring 1
A-1010 Wien
peter.siewert@univie.ac.at

Julia Taita
julia.taita@libero.it

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Tafel 3




[1] Von den 38 inventarisierten Stücken, von denen einige Fragmente zusammengehören, sind von Peter Siewert publiziert (und hier mit der Abkürzung „BrU“ = „Bronze-Urkunde aus Olympia“ und laufender Nr. versehen):

BrU 1 = Eine Bronze-Urkunde mit elischen Urteilen über Böoter, Thessaler, Athen und Thespiai, OB 10 (1981) 228–248 = SEG 31, 358 = IED 15 = NIO 5.

BrU 2 = J. Ebert, P. Siewert (1999), Eine archaische Bronzeurkunde aus Olympia mit Vorschriften für Ringkämpfer und Kampfrichter, OB 11 (1999) 391–412 = SEG 48, 541 =
IED 5 = NIO 2.

BrU 3 = Il ruolo di Epidamno e dei Greci di oltremare a Olimpia in una nuova iscrizione arcaica, Hespería 15 (2002) 67–71 = SEG 52, 477 = IED 8 = NIO 4.

BrU 4 = Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Bronze-Urkunden aus Olympia mit der Erstedition einer frühen Theorodokie-Verleihung als Beispiel , in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000 (Mainz 2002) 359–370 = SEG 52, 478 (vgl. SEG 51, 532) = IED 16 = NIO 5A.

BrU 5 = Archaische Bronzeplatte eines unteritalischen Proxenos der Eleer, Tyche 28 (2013) 147–161.

Die hier vorzulegende Inschrift erhält die Nr. „BrU 6“. Für das Foto der Inschrift und andere Hilfestellungen sei dem DAI gedankt.

Das Literatur- und Abkürzungsverzeichnis befindet sich am Ende dieses Beitrags.

[2] Vgl. Lupu (2009) 4, der als früheste lex sacra der Griechen die in Schlangenschrift geschriebenen Kultregelungen von Tiryns aus dem späten 7. oder frühen 6. Jh. v. Chr. in seinem Corpus NGSL Nr. 6 [S. 191–204] = SEG 30, 380 nennt.

[3] Tagebuch der Grabung vom 14.12.1965. Lageplan Mallwitz (1999) Abb. 110 S. 187.

[4] Gauer (1975) 226; 243; über die Beifunde 80 f.

[5] IED 4 (= IvO 7) ca. 525–500 v. Chr., Z. 3–5: τν δέ κα γραφέν, ὄ τι δοκέοι καλιτέρς ἔχν πο’ τὸν θ<ε>όν, ἐξαγρέν κἆλ’ ἐνποιν σὺν βλᾶι <π>εντακατίν ἀϝλανές καὶ δάμοι πλθύοντι δινάκοι· <δινά>κοι δέ κα <ἐ>ν τρίτον, αἴ τι ἐνποιοῖ αἴτ’ ἐξαγρέοι. Übersetzung z.T. nach Koerner (1993) 124 und IED 29: „Von den Gesetzen, was davon (einem) in Bezug auf den Gott als besser erscheint, möge man durch Streichungen und Zusätze zusammen mit dem vollzähligen Rat der 500 und dem versammelten Damos verändern. Verändern darf man beim dritten Mal durch Zusatz oder Streichung“.

[6] Beispiele bei Mallwitz, Herrmann (1980) 75–82 Taf. 41–46; Kyrieleis (2011) 69 f. Abb. 63; über die Architektur-Toreutik in Olympia und ihre Probleme zusammenfassend Philipp (2004) 13–16.

[7] Vgl. Philipp (2004) 6 über die Verweildauer der Bronzebleche in Abhängigkeit vom Zustand ihres Holzes.

[8] Es wurde die Meinung vorgebracht, die Zeilen seien von unten nach oben und mit Z. 5 beginnend zu lesen, wobei die rechte Rahmenrille Grenze der originalen Schriftfläche sei. Daraus ergebe sich (unter Beibehaltung der im Text verwendeten Zeilenzählung) als Beginn der erhaltenen Inschrift: Z. 5–4: [-------θεo]κόλος τι θε|οκόλοι und danach Z. 2–1: [τ] προξένο | σὺν διαιτα[τρσι?].

Dagegen erscheint uns fraglich, dass die rechte Rahmenrille die originale Schreibfläche begrenzte, da die ausgefranste Kante eher als Bruch denn als geschnitten erscheint, und da in Olympia mehrfach Urkundentexte sich über zwei oder mehr Bronze-Tafeln erstreckten (vgl. Anm. 15 s. u. S. 187f.). Vor allem aber ist uns aus den Bronze-Urkunden Olympias — seien sie publiziert oder unpubliziert — kein einziges Beispiel bekannt, das Indizien für die Lesung einer Bustrophedon-Inschrift von unten nach oben verrät. Auch die senkrecht zu lesenden Bustrophedon-Inschriften, die Jeffery (LSAG2, 49 f.) behandelt, stehen meist auf Pfeilern oder Stelen aus Stein, einige auf Ton, aber keine einzige auf einer Bronzetafel. Schließlich bildet unsere BrU 6 (= B 6901) zusammen mit drei noch unpublizierten Bustrophedon-Urkunden (B 6074, B 6076, B 7962) aufgrund gemeinsamer Merkmale (gleichgroßer Ringmeißel für Rundbuchstaben von 11 mm Durchmesser; gleiche Buchstabenformen; Beschriftung auf wiederverwendeten Bronze-Blechen) eine eng zusammengehörige Gruppe; sie scheinen aus derselben Schreibwerkstatt zu stammen. Diese drei Urkunden sind eindeutig (wie sonstige Bronze-Urkunden) horizontal und von oben nach unten zu lesen.

[9] Nur messbar an der äußersten rechten unteren Ecke des Blechs. Von einer wahrscheinlichen 6. Zeile sind infolge der Abbruchkante keine Buchstabenreste erhalten.

[10] SEG 41, 739 (= NGSL 22). Foto: Nomima II 98 S. 345.

[11] LSAG 219; 220; Taf. 42 Elis Nr. 2; IED 48 datiert IvO 1 ca. „525/500“.

[12] LSAG 206; 219.

[13] z.B. IvO 2–17; NIO 3; 4; anders jedoch NIO 54 (eine elische Verleihung von Privilegien) auf einer Ringscheibe, die nach Kyrieleis (2011) 106 Abb. 112 von einem Dreifußhenkel stammt.

[14] Auf wiederverwendeten Bronzeteilen Inv. B 6074; B 6076 und B 7962, unpubliziert außer Z. 2 und 3 von B 6076 = SEG 42, 373; 57, 395 = NIO 1. Für IvO 5 = IED 3 (525–500 v. Chr.) wurde ein Dreifußbein wiederverwendet.

[15] Texte, die mehr als eine Bronzetafel umfassen: IvO 7; Ebert, Siewert (1999) 395 f. Näheres s.u. im Kommentar zu Z. 1.

[16] IED 4, 4; IED 5, 8; IED 15, 5; IED 432.

[17] Ebert, Siewert (1999) 393; 396; 398–400; Taita (2007) 126–128; IED 532–535; zusammenfassend Zoumbaki (2011) 7–10. Auf der etwas früheren Kypseloslade (Paus. 5, 19, 5) „aus dem mittleren 6. Jh.“ (Neudecker [1999] 997) wird Paris’ Schiedsurteil über die drei Göttinnen verbal mit διαιτῆν bezeichnet.

[18] Ähnlich ist der Inhalt von IvO 7 = IED 4, Z. 4, wo die Präposition σύν die Vorschrift ausdrückt, dass zwei Institutionen der Stadt Elis, bola und damos, gemeinsam agieren sollen, um den Gesetztext zu verändern.

[19] Proxenoi der Eleer in Sparta: SEG 11, 1180a (S. 235) = NIO 49; SEG 26, 476 = NIO 50; in Sybaris (?): Siewert (2013); in Athen: IvO 30 + Nachtrag Sp. 797 = IED 24; in Mende: SEG 15, 241 = IED 27 = NIO 7; in Tenedos: IvO 39 = IED 34. Proxenoi der Arkader und Pisaten von ca. 364 v. Chr.: IvO 31 und 36.

[20] Gschnitzer (1973); Marek (1984).

[21] IvO 10 = IED 14, Z. 4 f.; vgl. IvO 13 = IED 19, Z. 6 f. Die Proxenoi stammen wohl aus der Umgebung Olympias; vgl. auch IvO 11 = IED 12; Herkunft aus Elis ist bisher nicht bezeugt.

[22] Gschnitzer (1973) 636; Taita (2004–2005) 88–90; Taita (2007) 117–120; IED 535 f.; Gehrke (2013) 46 und Anm. 42.

[23] Vgl. LSAG 206 Fig. 40, vor allem Z. 1 der Tabelle; EG I, 201.

[24] Paus. 5, 15, 10; B 6076 = SEG 42, 373 = NIO 1.

[25] B 6076 = SEG 42, 373 = NIO 1; IvO 1 = IED 6, Z. 6; IvO 4 = IED 9, Z. 1–9.

[26] IvO 59 – IvO 133 passim; vgl. IvO-Register Sp. 836; NIO 16–18; Zoumbaki (2001) 109–115; Taita (2007) 120–126.

[27] Dativ Plural z.B. τοῖρ Χαλαδρίορ (IvO 11 = IED 12, Z. 1); Akkusativ Plural z.B. ἀφκε ἐλευθάρος (IvO 12 = IED 17, Z. 2–3); IED 370, 373.

[28] Diaitater: IED 5 = NIO 2, Z. 2; Inv. B 1291 = Siewert (1992) 115 = SEG 42, 376 = NIO 3, Z. 2; Theokolos: s.o. Anm. 24.

[29] Bei der Beschreibung der monatlichen unblutigen Opfer berichtet Pausanias, dass die Eleer unter der Verantwortung des Theokolos auf den Altären Weihrauch zusammen mit honiggetränkten Weizenkörnern räuchern und dann τιθέασι […] καὶ κλῶνας ἐλαίας ἐπ᾽ αὐτῶν (5, 15, 10). Zur extremen Bedeutungsbreite von τίθημι LSJ s.v.; IED 488 „disposer, décider par voie legale“. Im elischen Dialekt scheint dieses Verb bisher nicht bezeugt zu sein. Als möglich erscheint u.a. auch ein semasiologischer Bezug zu θεθτμός „Gesetz“ (IvO 4 = IED 9, Z. 4); zum Begriff IED 488 f.

[30] IvO 2 = IED 20, Z. 5; NIO 2 = BrU 2 = IED 5, Z. 2; Inv. Nr. B 1291 = NIO 3; IvO 14, Z. 4; IvO 36, Z. 5; IvO 31, Z. 10 f.; IvO 39 = IED 34, Z. 2; IvO 44, Z. 6 f.; IvO 54, Z. 9.

[31] Proxenos: IvO 10 = IED 14, Z. 4 f. (mit Manteis und Iaromaoi); IvO 13 = IED 19, Z. 6 f. (mit Theoros und Iareus). Theokolos: IvO 1 = IED 6, Z. 6 (mit Iaromaos); IvO 4 = IED 9, Z. 1, 5 f. (mit Iaromaos und Damiorgia); SEG 42, 373 = NIO 1, Z. 2 (nur der Theokolos genannt).

[32] Den ältesten Beleg eines Theokolos in Olympia bietet SEG 42, 373 = NIO 1, Z. 2, ca. Mitte des 6. Jh. v. Chr.

[33] Die Verpflichtung, mit dem Wettkampfrichter zusammenzuarbeiten, könnte sich durch die Ausweitung des Zeusfestes und seiner Agone ergeben haben oder aus einer Kompetenzen­verschiebung zugunsten des Diaitater. Als Ort, Zeitpunkt und Grund der Zusammenarbeit lassen sich verschiedene Gelegenheiten in der Vorbereitungszeit des großen Zeusfestes oder während seiner Feier vorstellen, z.B. bei der Vereidigung der Athleten (Paus. 5, 24, 9), beim Bankett mit den Siegern (5, 15, 12) oder anderen Zeremonien.