Georg-Philipp Schietinger


Die letzte Schlacht des Scipio Aemilianus

Überlegungen zu seinen innenpolitischen Absichten
im Jahr 129 v.Chr.*



In den Schlussbetrachtungen seiner Lucullus-Vita führt Plutarch Beispiele berühmter Politiker der Späten Republik auf, die, ganz im Gegensatz zu Lucullus, den richtigen Zeitpunkt für einen ehrenvollen Rückzug aus der Politik verpasst hätten, was deren weiterem Schicksal eine negative Wendung beschert haben soll. Neben Marius, der der Nachwelt in besserer Erinnerung geblieben wäre, wenn er sich nach seinen Siegen über Kimbern und Teutonen zur Ruhe gesetzt hätte, und Cicero, der auf glücklichere Weise alt geworden wäre, wenn er sich nach seinem Konsulat aus den politischen Geschäften zurückgezogen hätte, findet auch Scipio Aemilianus Erwähnung, indem er in die Liste der Senatoren eingereiht wird, welche den richtigen Zeitpunkt für einen Rückzug aus der Politik verpasst haben.[1] Der jüngere Africanus hätte besser, nachdem er seinem Sieg über Karthago noch den über Numantia hinzugefügt hatte, mit der Politik aufgehört.[2] Dies hat er bekanntlich nicht getan. Stattdessen spielte er in den Jahren zwischen seiner Rückkehr aus Numantia und seinem plötzlichen wie rätsel­haften Tod in der römischen Politik noch einmal eine gewichtige, gar zentrale Rolle. Besonders aber seine letzten größeren öffentlichen Auftritte polarisierten sehr nachhaltig:

Indem er sich der Beschwerden der italischen Bundesgenossen gegen die lex Sem­pronia agraria als Anwalt im Senat angenommen und die Übertragung der Richter- und Schiedskompetenzen der Ackerkommission, bestehend aus C. Gracchus, C. Papirius Carbo und M. Fulvius Flaccus, den jeweils amtierenden Konsuln übertragen hatte,[3] meldete sich Scipio Aemilianus in der römischen Innenpolitik aufsehenerregend zurück. Er sorgte allerdings auch damit für Empörung, dass er, noch in Numantia weilend, die Ermordung seines Schwagers Ti. Gracchus billigte: Diese Haltung be­kräftigte er später während einer turbulenten contio, in der er auch die ihn be­schimpfenden Zwischenrufer in scharfer Form beleidigt hat.[4] In eben dieser contio wurde der Antrag des Volkstribunen Papirius Carbo verhandelt, der die Legalisierung der beliebig häufigen Iteration des Volkstribunats vorsah. Nach Scipios leiden­schaftlichem Einsatz wurde dieses Ansinnen später in der Abstimmung vereitelt.[5] Fortan gab Scipio für die Anhängerschaft der Ackerkommission freilich das ideale Feindbild ab. Schon allein die krassen Anfeindungen, die ihm während dieser contio entgegenschlugen, und auf die er auch entsprechend geharnischt reagiert hat, zeigen, welche Qualität dieser innenpolitische Streitfall angenommen hatte: Scipio Aemilianus wurde als Tyrann beschimpft; das Volk fühlte sich wegen seines Einsatzes für die Bundesgenossen verraten, und es kamen Gerüchte auf, wonach er nicht nur die lex Sempronia agraria kippen wollte, sondern auch eine gewaltsame Machtergreifung beabsichtige.[6] Als er, noch in der ersten Hälfte des Jahres 129 v.Chr., dann eines Morgens, kurz bevor er in der Volksversammlung eine wichtige Rede halten wollte, tot in seinem Bett aufgefunden wurde, schien ein politischer Mord keineswegs ausge­schlossen.[7] Die Mitglieder der Ackerkommission um C. Gracchus, aber auch Scipios Ehefrau Sempronia, die Schwester der Gracchen, wurden eines Meuchelmords be­zichtigt, zumal sie ein einwandfreies (politisches) Motiv dafür hatten.[8] In diesem Zusammenhang ist es zudem höchst merkwürdig, dass eine gerichtliche Untersuchung dieses Todesfalls verhindert wurde, um den Verdacht gegen C. Gracchus nicht weiter zu erhärten.[9] Laut Plutarch war es die Volksmenge, die sich weiteren Nachforschun­gen deshalb widersetzte, weil sie befürchtete, C. Gracchus könne unter Verdacht ge­raten und deswegen angeklagt werden.[10] So stellt Appian fest, dass der Tod des Siegers über Karthago und Numantia, so bedeutend dieses Ereignis auch war, doch nur eine Randepisode der Wirren der Gracchenzeit geblieben ist. [11] Dass es sich sowohl bei Scipios politischer Tätigkeit vor seinem Ableben als auch bei seinem Tod keineswegs um nachrangige Randerscheinungen handelt, soll dieser Beitrag aufzeigen.

Soweit die Zusammenfassung der Ereignisse, deren Chronologie nicht un­pro­blematisch ist. Leider sind Scipios Tod und seine letzten Lebensjahre von den antiken Geschichtsschreibern vernachlässigt und von der modernen Forschung meist als eine Randerscheinung behandelt worden, weil eine Problematisierung des Gesamt­zusam­menhangs unterblieben ist. Das gilt besonders für folgende Fragen: In welcher Reihenfolge haben sich diese Ereignisse zugetragen? Wie ist die Rolle der verschie­denen Beteiligten zu bewerten, und welche Ziele verfolgten sie? Die wichtigste Frage ist jedoch, welche konkreten politischen Absichten Scipio überhaupt umzu­setzen gedachte: Was war seine Agenda im Jahr 129 v.Chr., die wahrscheinlich für die Gerüchte und Tyrannenvorwürfe ursächlich war? Und zu guter Letzt: Erscheint ein Meuchelmord an Scipio in Anbetracht seiner politischen Vorhaben noch wahrscheinlicher?

Zunächst soll auf die Hintergründe der Entstehung der lex Sempronia agraria und auf das Verhältnis zwischen Scipio Aemilianus und Ti. Gracchus eingegangen werden. Auch Scipios Haltung zu einer Ackerreform soll untersucht werden, indem ein Blick auf die gesetzgeberische Tätigkeit des C. Laelius geworfen wird. Ab­schließend sollen die oben zusammengefassten Ereignisse inhaltlich und in ihrer zeitlichen Abfolge neu bewertet werden, um schließlich aufzuzeigen, welche poli­tischen Absichten Scipio Aemilianus 129 v.Chr. sehr wahrscheinlich verfolgt hat.

Es scheint mir, dass Tiberius gewiss nicht das widerfahren wäre, was er schließlich erlitten hat, wenn Scipio Africanus während dessen politischen Aktivitäten in Rom gewesen wäre. [12] So beurteilt zumindest Plutarch das Verhältnis zwischen den Schwägern Ti. Gracchus und Scipio Aemilianus. Womöglich wären die Dinge in Rom 133 v.Chr. tatsächlich anders abgelaufen, wenn Scipio damals in der Stadt zuge­gen gewesen wäre. Doch genauso wenig ist es ausgeschlossen, dass dieser Umstand genau so beabsichtigt war: Die Agrarreform wurde absichtlich zu dem Zeitpunkt durchgeführt, als Scipio weit weg von Rom war und Numantia belagerte.[13] Die Unter­stützer und Förderer des Gracchus schienen wohl um Scipios Haltung zu ihrer Re­formagenda genau Bescheid gewusst zu haben, so dass man den günstigen Moment seiner Abwesenheit gezielt auszunutzen gedachte.[14] Überhaupt hatte es um das Verhältnis zwischen Gracchus und Scipio schon einmal besser gestanden; nicht umsonst waren sie verschwägert, was eine amicitia zwischen den beiden indiziert. Zum Bruch zwischen ihnen kam es 136 v.Chr., als im Senat der mit den Numantinern abgeschlossene Mancinus-Vertrag verhandelt wurde, der unter Vermittlung des Heeresquästors Ti. Gracchus zustande gekommen war.[15] Während sich Scipio erfolgreich für die Schonung seines Schwagers stark machte, setzte er sich weder für die Ratifizierung dieses als Schande empfundenen Friedensvertrags noch für die Rettung des C. Hostilius Mancinus ein. [16] Der Konsul Mancinus wurde den Numan­tinern ausgeliefert, und das mit ihnen geschlossene Abkommen wurde annulliert.[17] Dass der unter seiner Vermittlung mit den Numantinern abgeschlossene Friede einfach außer Kraft gesetzt wurde, war für Ti. Gracchus nicht nur eine persönliche Kränkung, sondern eine politische Niederlage, die seiner dignitas abträglich war.[18] Wem er diese Schlappe, die für seine weitere Karriere sicherlich eine Hypothek war, zu verdanken hatte, wusste Gracchus genau: Neben einem unnachgiebigen Senat, für den dieser Friedensvertrag unter anderem aus religiösen Gründen unannehmbar war, auch und gerade seinem Schwager Scipio Aemilianus, dem er andererseits aber sein Leben verdankte, weil dieser sich dafür ausgesprochen hatte, Tiberius und die anderen Offiziere zu schonen und nur Mancinus auszuliefern.[19] Wie auch immer, der Bruch zwischen den beiden Schwägern hatte hier seinen Ursprung.[20] Daran hatten aber auch die φίλοι des Gracchus ihren Anteil, wie Plutarch hervorhebt.[21] Nach dieser Demüti­gung durch seinen Schwager wendete sich Gracchus offenbar einer anderen factio zu, die wiederum ihn als Werkzeug für ihre politischen Pläne gut gebrauchen konnte. Dabei handelte es sich um niemand Geringeren als die Scipio-Gegner um Appius Claudius Pulcher.[22] In diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, wann Gracchus dessen Tochter Claudia geheiratet hat. Da Plutarch Gracchus noch während der Mancinus-Affäre nicht nur als οἰκεῖος, sondern auch als φίλος des Scipio bezeich­net,[23] scheint es zweifelhaft, dass Tiberius zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Tochter des schärfsten Gegners seines Schwagers verheiratet gewesen sein soll. Darum ist es wahrscheinlich, dass sich Gracchus erst als Reaktion auf die von Scipio erfahrene Demütigung durch seine Heirat mit Claudia dessen Feinden zuwandte und eine amicitia mit Claudius Pulcher begründete.[24] Als Volkstribun schließlich setzte Gracchus die Reformvorhaben seiner neuen amici durch.[25] Damit dürfte er sich end­gültig von Scipio entfernt haben, welcher sich unter keinen Umständen mit der Re­formagenda seiner politischen Gegner anfreunden konnte, zumal diese ihre Pläne absichtlich während seiner Abwesenheit durchzudrücken versuchten, um seinen zu erwartenden Widerstand zu umgehen.[26] Unter diesen Gesichtspunkten hatte Scipio durchaus gute Gründe, bei nächster Gelegenheit das Reformwerk seines Schwagers rückgängig zu machen. [27]

Ob Scipio Aemilianus ein prinzipieller Gegner möglicher Ackerreformen war, ist dagegen schwer zu ermitteln: Als sein amicus C. Laelius, wahrscheinlich im Jahr 140 v.Chr. als Konsul,[28] die Agrar- und Rekrutierungsfrage mit einer Gesetzesinitiative in Angriff nahm,[29] geschah dies möglicherweise mit wohlwollender Billigung Scipios, wenn nicht vielleicht sogar auf sein Betreiben hin.[30] Es ist nämlich schwer vorstellbar, dass C. Laelius, der von Plutarch als ὁ Σκηπίωνος ἑταῖρος bezeichnet wird, sich in dieser Frage nicht mit seinem amicus und Förderer abgesprochen hätte.[31] Über den genauen Inhalt dieses Gesetzes ist nichts bekannt; [32] Plutarch, der als Einziger den Reformversuch des Laelius erwähnt, spricht lediglich diffus von einer διόρθωσις,[33] die nicht unbedingt eine Ähnlichkeit mit der Neuverteilung des ager publicus, wie sie die lex Sempronia agraria vorsah, aufgewiesen haben muss.[34]

Möglicherweise handelte es sich bei Laelius’ Gesetzesvorschlag nur um einen Versuch, die Stimmung innerhalb des Senatorenstandes bezüglich einer Ackerreform auszuloten. Die Reaktionen darauf waren eindeutig: Die Mächtigen (δυνατοί) leisteten Widerstand, der wiederum Laelius derart verunsicherte, dass er von seinem Reformvorhaben sogleich Abstand nahm, weil er weiteren Widerspruch fürchtete (φοβηθεὶς τὸν θόρυβον). [35] An einer weiteren Konfrontation war ihm kaum gelegen; vielmehr suchte Laelius eine Lösung dieser Frage im Konsens der Aristokraten, was jedoch zunächst nicht zu verwirklichen war.[36] Inwiefern er dabei den Rückhalt Scipios fand, erzählt Plutarch nicht.[37] Festzuhalten ist, dass entweder Laelius mit der Unterstützung Scipios im Senat scheiterte, was darauf schließen ließe, dass Scipio im Senat wenig durchsetzungsstark gewesen wäre, oder aber Laelius unternahm einen politischen Alleingang, an dem sein amicus und Förderer wenig oder gar keinen Anteil hatte. Dass ein hochrangiger Senator wie Scipio, der zudem verwandtschaftlich mit zwei profilierten patrizischen gentes, den Aemilii Paulli und den Cornelii Scipiones, verbunden war, [38] im Senat so wenig Einfluss gehabt haben soll, dass der Reformversuch seines Gefolgsmannes so früh und so kläglich scheiterte, erscheint merkwürdig. Kurzum: Wäre Scipio hinter Laelius’ Initiative gestanden, hätte die Sache vielleicht ein anderes Ende genommen. Folglich scheint Scipio nicht sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen zu haben, um Laelius’ Vor­haben zum Erfolg zu verhelfen. Wie Scipio letztlich zu möglichen Ackerreformen stand, bleibt in demselben diffusen Licht wie die von Plutarch überlieferte Gesetzes­initiative des Laelius selbst.

Seine Haltung zur politischen Tätigkeit seines ermordeten Schwagers hat Scipio bereits in Numantia unmissverständlich kundgetan; dennoch unternahm er nicht sofort nach seiner Rückkehr nach Rom irgendwelche Anstrengungen, um politisch dagegen vorzugehen. Inwieweit er hinter den Gracchenprozessen, welche von den Konsuln des Jahres 132 v.Chr. angestrengt wurden, steckt, ist nicht einwandfrei zu klären. Dafür, dass Scipio daran seinen Anteil hatte, spricht die Tatsache, dass es sich bei P. Rupilius Lupus, einem der beiden Konsuln von 132 v.Chr., um einen amicus des Scipio handelte.[39] Interessanterweise versuchte niemand zu dieser Zeit oder direkt nach der Ermordung des Gracchus, die lex agraria rückgängig zu machen, worin man einen Beleg dafür sehen kann, dass es mehr die Methoden des Gracchus waren, die Anstoß erregten, und weniger der konkrete Inhalt des Gesetzes.[40] Da sich die gerichtliche Verfolgung der Anhänger des Gracchus als wenig erfolgversprechend zu erweisen schien, musste Scipio einen anderen Weg finden, um seine politischen Gegner, die sich in der Ackerkommission gesammelt hatten, zu entmachten. Eine solche Gelegenheit bot der Aristonikos-Krieg: Die pergamenische Erbschaft, die zur Finan­zierung der Ackerreform fest eingeplant war, musste zuerst dem Prätendenten Aristonikos entrissen werden.[41] Scipios Motiv, sich für das Oberkommando in diesem Krieg zu bewerben, scheint klar: Es dürfte weniger der ihm noch winkende Feldherrenruhm gewesen sein, der ihn antrieb, sondern vielmehr die Verlockung, selbst die Hand auf den pergamenischen Nachlass zu bekommen. Indem er durch einen siegreichen Feldzug die Schätze des verstorbenen Königs Attalos III. in seine Verfügungsgewalt brachte und sich damit zum Erbschaftsbesitzer — legitimer Erb­schaftseigentümer war gemäß Testament des Attalidenkönigs immer noch das römische Volk — machte, hätte Scipio der Ackerkommission die nötigen Finanz­mittel entziehen können. Als Erbschaftsbesitzer hätte Scipio den pergamenischen Nachlass in seiner Gewalt gehabt, was ihm ermöglicht hätte, die Überstellung der pergamenischen Schätze nach Rom gezielt zu hintertreiben und dadurch willkürlich in die Länge zu ziehen. Das wäre zum Nachteil der Ackerkommission gewesen, weil sie bei der Finanzierung ihres Prestigeprojektes in ein höchst unvorteilhaftes Abhängig­keitsverhältnis zu ihrem größten Widersacher geraten wäre. Jedoch ging dieses Kalkül nicht auf: Obwohl die beiden Konsuln des Jahres 131 v.Chr. wegen ihrer Priester­pflichten eigentlich für ein solches Kommando nicht als erste Wahl infrage kamen, wurde tatsächlich einer von ihnen, P. Licinius Crassus, nach Kleinasien entsandt. Die Entscheidung darüber fiel in einer dafür einberufenen Volksversammlung, in der allerdings nur zwei Tribus für Scipio votierten.[42] Der in der Vergangenheit für Scipio übliche Weg, sich über einen Volksbeschluss ein Imperium übertragen zu lassen,[43] scheiterte erstmals. Das mag sicherlich einerseits damit zusammenhängen, dass der Aristonikos-Krieg keineswegs in seiner Wichtigkeit und Dringlichkeit mit Karthago und Numantia zu vergleichen war, und man schon allein deshalb kein außer­ordentliches Kommando an einen Privatmann verleihen musste. Die Kommando­verleihung an einen privatus hätte sowieso einen unerhörten Präzedenzfall ge­schaffen, was gerade auch senatorische Kreise kaum hinzunehmen bereit gewesen wären. Andererseits dürfte die Gegenseite Scipios wahre Absichten früh durchschaut haben und konnte so rechtzeitig Maßnahmen gegen seine mögliche Wahl in die Wege leiten.[44] Der Versuch, die Ackerkommission finanziell auszutrocknen, war gescheitert.

Im Folgenden soll nun ein chronologischer wie inhaltlicher Neuansatz der Darstellung und Bewertung von Scipios Rolle in den Jahren 130 und 129 v.Chr. vorgenommen werden: Wahrscheinlich im März 129 v.Chr.[45] ging Scipio Aemilianus erneut in die Offensive, indem er diesmal einen direkten Angriff auf die Ackerkommission unternahm: Die italischen Bundesgenossen, welche über die Landneuverteilungen der Ackerkommission sehr ungehalten waren, suchten und fanden in Scipio einen Vorkämpfer für ihre Belange, derer er sich gerne annahm. [46] Bei Appian sind es die Bundesgenossen, die den jüngeren Africanus zu ihrem προστάτης erwählen, damit er sie vor den ihnen bevorstehenden Ungerechtigkeiten bewahre. Die Italiker gingen also auf Scipio zu, der sich laut Appian aufgrund ihrer Verdienste in seinen Feldzügen pflichtschuldig um ihr Anliegen kümmerte.[47] Andererseits scheint es keineswegs ausgeschlossen, dass er dabei eine wesentlich aktivere Rolle spielte, denn laut Plutarch ist es Aemilianus, der wegen der Bundes­genossen einen Streit mit C. Gracchus vom Zaun brach.[48] Dieser Umstand lässt sich auch so deuten, dass Scipio seine Klientel unter den Bundesgenossen mobilisiert hat,[49] deren Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Ackerkommission er sich zunutze machen wollte, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Scipio brachte die Angelegenheit also vor den Senat, wo er zwar auf eine scharfe Generalabrechnung mit der lex Sempronia agraria verzichtete, jedoch geschickt ihre Unzulänglichkeiten kritisierte.[50] Im Zuge dessen, wie genau im Einzelnen verrät Appian nicht, [51] erwirkte er mit seinen überzeugenden Ausführungen, dass die richterliche Schiedskompetenz der Ackerkommission entzogen wurde.[52] Sie wurde auf C. Sempronius Tuditanus, einen der damaligen Konsuln übertragen, dem jedoch, gleich nachdem er diese Auf­gabe übernommen hatte, die heikle Brisanz dieses Richteramtes klargeworden schien. Deshalb verließ er laut Appian Rom unter dem Vorwand, einen Feldzug in Illyrien führen zu müssen, und entzog sich damit der Richterverantwortung. [53] Da der andere Konsul C. Manius Aquillius auch nicht in Rom weilte, blieb niemand mehr, um die Schiedsgewalt in Fragen der Landreformen auszuüben; die Arbeit der Acker­kommission war damit vorerst gänzlich lahmgelegt.[54] Bei der Übertragung der Richterkompetenz auf Tuditanus muss eher an eine Amtsübertragung ad officium consulis denn an eine Amtsübertragung ad personam gedacht werden, weil an­scheinend überhaupt keine Überlegung angestellt wurde, die Richteraufgaben anderen Magistraten, wie den Prätoren, zu übertragen. Darum ist es sehr wahrscheinlich, dass die Schiedsgewalt in Agrarfragen auf die jeweils amtierenden Konsuln übertragen worden ist.[55] Durch diese Maßnahme Scipios wurde dem Volk bzw. seiner Acker­kommission die Verfügungsgewalt entrissen und der Senatspartei in Gestalt der jeweils amtierenden Konsuln übertragen. [56] Freilich konnte dies nicht ohne Widerspruch vonstatten gehen, und so ist es auch wenig verwunderlich, dass dem Initiator dieses Coups die Wut der Anhängerschaft der Ackerkommission entgegen­schlug.[57] Vor allem sein Engagement für die Bundesgenossen wurde unwillig ertragen; andererseits hielt man ihm nun sogar vor, dass er zwei Mal entgegen der gesetzlichen Ordnung zum Konsul gewählt worden sei.[58] Es ist bemerkenswert, dass dieser längst erledigte und auch akzeptierte Ausnahmeumstand plötzlich wieder ins Gespräch gebracht wurde. Das gestattet die Vermutung, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Gegner Scipios in die propagandistische Gegenoffensive gingen. Das soll an späterer Stelle näher ausgeführt werden.

In diesen Ereigniszusammenhang könnte auch der Tod des App. Claudius Pulcher, eines der größten Feinde Scipios, gefallen sein. Sein Ableben machte nicht nur eine Nachwahl innerhalb der Ackerkommission nötig, sondern auch die Stelle des princeps senatus musste neu vergeben werden. Wann genau Claudius Pulcher verstarb, ist nicht bekannt; es steht allerdings fest, dass er zum Jahreswechsel 130/129 v.Chr. ver­storben sein muss, [59] also zu dem Zeitpunkt, als Scipio der Ackerkommission er­folgreich ihre Richterkompetenz streitig gemacht hat. Zweifellos handelte es sich bei Scipio um einen höchst aussichtsreichen Anwärter für die Nominierung als princeps senatus, [60] andererseits wäre seine Ernennung gewiss politisch sehr heikel gewesen. Denn wegen seiner immer offeneren und erfolgreicheren Attacken gegen die Acker­kommission war er die wohl am heftigsten umstrittene Figur auf der innenpolitischen Bühne Roms. Kurzum, er war ein Politiker, der schon in der Vergangenheit extrem polarisiert hatte und an dem sich gerade zur Jahreswende 130/129 v.Chr. die Geister schieden.[61] Es ist klar, welche symbolische Bedeutung seine Ernennung zum princeps senatus gehabt hätte: Im Zeichen der concordia wäre sie ganz gewiss nicht gestanden. Die ältere Forschung ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass die damals amtierenden Zensoren, Q. Metellus Macedonicus und Q. Pompeius, welche als Feinde Scipios galten, ihn absichtlich bei der Nominierung zum princeps senatus übergangen hätten.[62] Bei differenzierterer Betrachtung erscheint allerdings die angeblich zwischen Scipio und Metellus bestehende Feindschaft in einem ganz anderen Licht: Astin weist plausibel nach, dass erst um 138 v.Chr., als Metellus den von Scipio angeklagten Aurelius Cotta verteidigte, ein erstes Zeichen eines Bruches zwischen Metellus und Scipio festzustellen ist. [63] Doch dieser Prozess dürfte wohl kaum der Grund des Zerwürfnisses, sondern nur ein Austragungsfeld des Konflikts gewesen sein. Die eigentliche Ursache war möglicherweise, dass Metellus Macedonicus trotz seiner sehr beachtlichen Erfolge im Keltibererkrieg sein spanisches Imperium 141 v.Chr. kein weiteres Mal verlängert bekam.[64] Seine Erfolge auf der Iberischen Halbinsel wurden wohl nicht so honoriert, wie sich Macedonicus das erhofft hätte, denn er erhielt weder einen Triumph noch einen Siegesbeinamen.[65] Die Tatsache, dass Metellus in Spanien Q. Pompeius, einem Gefolgsmann Scipios, weichen musste,[66] und dass ihm nach der ungewöhnlichen Ehre des prätorischen Triumphes, [67] die ihm wegen seiner Siege in Makedonien zuteil geworden war, der konsularische Triumph verweigert wurde, lässt vermuten, dass Scipio in Metellus keinen Rivalen aufkommen lassen wollte. Dafür spricht auch der Umstand, dass Valerius Maximus als Kern der Feindschaft eine aemulatio virtutis ausgemacht hat.[68] Allzu lange dürften diese Zwistigkeiten nicht ge­dauert haben, denn mit der Heirat zwischen Metella, einer Tocher des Macedonicus, und Scipio Nasica (cos. 111 v.Chr.) dürfte 135 v.Chr. eine Aussöhnung zwischen den beiden Kontrahenten stattgefunden haben.[69] Dass Metellus außerdem als Legat des Furius Philo, der ein amicus des Scipio war, erneut nach Spanien geschickt wurde, spricht zusätzlich für eine Annäherung zwischen den beiden. [70] Ebenso gegen eine Feindschaft und vielmehr für eine wiederhergestellte amicitia zwischen Metellus und Scipio spricht das Verhalten, mit dem Metellus auf Scipios Tod reagierte.[71] Folglich ist die Übergehung Scipios durch den Zensor Metellus eben keiner politischen Riva­lität geschuldet. Auch Q. Pompeius, der als entschiedener Gegner des Ti. Gracchus bekannt war,[72] hätte kaum absichtlich Scipio schaden wollen, der gerade dabei war, die lex Sempronia agraria nach und nach außer Kraft zu setzen. Dass Scipio von den Zensoren Q. Pompeius und Q. Metellus gezielt und absichtlich nicht berücksichtigt wurde, ist demnach wenig plausibel. Darum bleibt nur noch eine Erklärung übrig: Da Scipio Aemilianus zum Zeitpunkt der Ernennung eines neuen princeps senatus wähl­bar war,[73] wird er sehr wahrscheinlich auf diese Würde ganz bewusst verzichtet haben. Vermutlich war L. Cornelius Lentulus Lupus, der, obwohl er bereits 147 v.Chr. das Zensorenamt ausgeübt hatte, ein eher unauffälliger und profilloser Senator war,[74] sogar (als Cornelier) der Wunschkandidat Scipios. Die dann erfolgte Nomi­nierung des Lentulus Lupus konnte außerdem schlüssig damit begründet werden, dass er sowieso der dem Amtsjahr nach älteste Zensorier war. [75] Also wurde Scipio bei der Ernennung des princeps senatus weder übergangen, noch musste er damals eine innenpolitische Niederlage einstecken, wie die ältere Forschung annimmt.[76] Obwohl diese Ehrenwürde für Scipio bestimmt einen gewissen Reiz gehabt haben dürfte, galten seine eigentlichen Bestrebungen im Jahr 129 v.Chr. einem echten politischen Amt, das einen weitaus größeren Gestaltungsrahmen versprach. Dies soll im Folgenden noch aufgezeigt werden.

Von der bisherigen Forschung wird das Volkstribunat des Papirius Carbo für gewöhnlich ins Jahr 131 v.Chr. gelegt,[77] doch erst kürzlich kamen neue, über­zeugende Ansätze auf, welche dafür das Jahr 129 v.Chr. vorsehen. [78] Während er als Volkstribun amtierte, brachte Carbo einen Gesetzesantrag ein, welcher die Lega­lisierung der Iteration des Volkstribunats vorsah.[79] Darin lässt sich der Versuch erkennen, das Iterationsansinnen des Ti. Gracchus im Nachhinein rechtlich zu legi­timieren.[80] Ausgeschlossen ist das keineswegs; fraglich ist hingegen, ob dahinter noch weitere, weitaus wichtigere Absichten steckten. Verlegt man das Volkstribunat des Papirius Carbo nach Beness’ Datierung[81] ins Jahr 129 v.Chr., könnte es in direktem Zusammenhang mit den Aktionen des Scipio Aemilianus stehen. Folgende Kausalverbindung lässt sich erkennen: Um den Plänen Scipios entgegenzutreten, die Ackerkommission vollständig zu entmachten und das Ackergesetz schrittweise zurückzunehmen, mussten C. Gracchus, Fulvius Flaccus und Papirius Carbo in einflussreiche Ämter gelangen. Das Volkstribunat war ein solches; doch was half es, wenn Carbo im Folgejahr wieder Privatmann gewesen wäre? Also war er selbst der größte Nutznießer seines Antrages, der es ihm ermöglicht hätte, sich für das nächste Jahr — im Grunde sooft er wollte — (immer) wieder zum Volkstribunen wählen zu lassen. Ganz nach dem Vorbild des Ti. Gracchus hätte Carbo durch sein tribu­nizisches Veto die Absichten seiner Gegner vereiteln können. Hierin dürfte der tatsächliche Hintergrund der lex Papiria de tribunis reficiendis liegen. Scipio, der das rasch durchschaut haben dürfte, sorgte mit seinem beherzten und rhetorisch unge­stümen Einsatz[82] für das Scheitern dieser Gesetzesinitiative. Damit hatte er einen weiteren Etappensieg errungen.

Bislang war es Scipio Aemilianus gut gelungen, seine Gegner aus dem Umfeld der Ackerkommission in die Schranken zu weisen und deren Ackerneuverteilungs­gesetzgebung erfolgreich zu sabotieren.[83] Beflügelt von diesen Erfolgen schien Scipio noch weitere Maßnahmen geplant zu haben, an deren Umsetzung ihn jedoch sein plötzlicher Tod gehindert hat. [84] Nichtsdestotrotz waren es zunächst seine Gegner aus den Reihen der Ackerkommission, die noch einmal die Initiative gegen Scipio zu ergreifen versuchten:[85] Fulvius Flaccus, C. Gracchus und C. Papirius Carbo, also die drei Häupter der Ackerkommission, entfachten Unruhen (seditiones). Scipio trat diesen aufrührerischen Umtrieben entgegen, [86] möglicherweise sogar in einer weiteren contio, in der er erneut massiv von ihm feindselig gesonnenen Versammlungs­teilnehmern beschimpft wurde.[87] Sprechchöre wie: „Tötet den Tyrannen![88] waren zu hören, auf die Scipio mit einem denkwürdigen Ausspruch reagiert haben soll: „ Es ist nämlich unmöglich, dass Rom zugrunde geht, solange Scipio dem entgegensteht, genauso wenig dass Scipio noch lebt, wenn Rom untergegangen ist! [89] Damit hat er sich wieder klar positioniert: Scipio inszenierte sich staatsmännisch als Bewahrer derres publica libera, welcher sein persönliches Schicksal mit dem des Gemeinwesens verknüpft. Seine Gegner hingegen erschienen als veritable hostes publici, welche auf den Untergang des Staates hinarbeiteten. Untermauern lässt sich dieses Zeugnis durch Orosius, dem zufolge Scipio sich vor einer contio darüber beklagte, dass ruchlose Bürger ihm nach dem Leben trachteten.[90] Indem er sich selbst als Opfer skrupelloser Feinde darstellte, dürfte Scipio den Tyrannen-Vorwurf an seine Adresse entkräftet haben; aber dennoch bleibt die Frage nach der tieferen Bedeutung und dem Hintergrund dieser Tyrannen-Polemik bestehen. Diese drastische Anfeindung gegen Scipio erscheint nicht nur völlig überzogen, sondern auch die fehlende Begründung dieser Attacke wirkt befremdlich: Wie kommen die Gegner Scipios überhaupt dazu, ihn als Tyrannen zu bezeichnen? Sie warfen ihm vor, die lex Sempronia agraria abschaffen zu wollen und dabei auch vor Waffengewalt nicht zurückzuschrecken. [91] In Rom herrschten also große Verunsicherung und Angst vor Blutvergießen; und in diesem Zusammenhang scheint auch die Annahme, Scipio strebte damals nach der Diktatur,[92] zunächst einmal gar nicht so abwegig. Doch bedurfte es 129 v.Chr. tatsächlich dieser mittlerweile obsolet gewordenen Ausnahmemagistratur, um der Unruhen Herr zu werden? Appian merkt zwar an, dass die Ernennung eines Diktators folgerichtig gewesen wäre, andererseits drückt er seine Verwunderung darüber aus, dass dies nicht einmal ansatzweise erwogen worden ist.[93] Ohnehin stützt sich die Hypothese, Scipio sei damals als Diktator im Gespräch gewesen, lediglich auf das mehrdeutig interpretierbare somnium Scipionis in Ciceros staatsphilosophischer Schrift de republica. [94] Vielmehr scheinen sämtliche Behauptungen, die Scipio mit Gewaltmaßnahmen, Blutvergießen und Diktatur in Verbindungen brachten, der Aufwiegelungspropaganda und den Diskreditierungsabsichten seiner Gegner entsprungen zu sein; oder sie sind der sullanischen Retrospektive mancher Quelle geschuldet. Doch ein Funken Wahrheit könnte vielleicht dahinter stecken, weil sich solche Gerüchte, sollen sie glaubhaft sein, nicht einfach dreist erfinden lassen. Das, was Scipio wirklich beabsichtigte, ließ sich bestimmt leicht grob wahrheitswidrig verdrehen: Wenn Scipio also nicht nach Alleinherrschaft und Ausnahmemagistratur strebte, hatte er wahrscheinlich etwas anderes im Sinn. [95] Beness stellt fest, dass „something had been in the air with regard to Aemilianus and his potential role was highly contentious.“[96] Doch was genau lag in der Luft? Naheliegend scheint folgende Hypothese: Wie oben bereits festgestellt wurde, erwirkte Scipio die Übertragung der Richterkompetenz in Ackerverteilungsfragen an die jeweils amtierenden Konsuln. Da die Konsuln von 129 v.Chr. beide nicht in der Lage waren, diese Aufgabe wahrzunehmen, konnte in sämtlichen juristischen Fragen bezüglich der Umsetzung des Ackergesetzes in just jenem Jahr nichts mehr unternommen werden. Die Arbeit der Ackerkommission war also lahmgelegt. Doch wie verhielt es sich mit dem Folgejahr? Genau das ist die Kardinalfrage: Es ist folglich sehr naheliegend, dass Scipio die ernsthafte Absicht hegte, sich für 128 v.Chr. zum dritten Mal in den Konsulat wählen zu lassen. Damit wäre er selbst schließlich zum größten Nutznießer seiner durch ihn verwirklichten Maßnahme, die Richterkompetenzen in Agrarfragen auf die Konsuln zu übertragen, geworden. Als Konsul hätte er freie Bahn gehabt, um im Sinne seiner bundesgenössischen Klientel die Um- und Neuverteilung des ager publicus zu regeln. Auf diese Weise hätte er seine innenpolitischen Gegner vollständig ausmanövriert und ihnen in ihrer Domäne der Landreformen eine schmerzhafte Niederlage beigebracht. Sie hätten ihre innenpolitische Kernkompetenz, mit der sie sich gewiss zu profilieren suchten, an ihren schärfsten Rivalen verloren. Und nicht nur das: Die Ackerkommission wäre dadurch endgültig entmachtet gewesen, und die politischen Karrieren von Fulvius Flaccus, C. Gracchus und Papirius Carbo hätten einen heftigen Rückschlag erlitten, von dem sie sich kaum mehr zu erholen im Stande gewesen wären. Alle drei wären mit einem Mal politisch auf ganzer Linie gescheitert gewesen.

Es ist also angesichts solcher Perspektiven keineswegs verwunderlich, dass die Ackerkommission Scipio derart kompromisslos attackierte und die Tyrannen-Gerüchte in Umlauf brachte. Das einzige Problem, das Scipio vielleicht noch hätte entgegenstehen können, war der Umstand, dass ein weiterer Konsulat nach 134 v.Chr. ein Verstoß gegen die lex Villia annalis darstellte. Das erklärt auch, weshalb von den Scipio-Gegnern darauf hingewiesen wurde, dass er zwei Mal gegen die Rechts­ordnung zum Konsul gewählt worden war.[97] Die Kritik an Scipios früheren Ernen­nungen zum Konsul ist also als Reflex seiner Gegner auf seine zu erwartenden Absichten zu verstehen. Einem möglichen dritten Konsulat des Aemilianus sollte seine offensichtliche Illegalität im Wege stehen. Zu fragen ist dabei, wie es um Scipios Chancen stand, einen dritten Konsulat zu erreichen. Mit 56 Jahren war er wegen seiner prestigeträchtigen militärischen Erfolge ein Senator von höchster auctoritas, dessen Erfolgsaussichten bei einer Konsulwahl in der comitia centuriata generell ziemlich gut waren. Offen muss dagegen die Frage bleiben, ob Scipio auch einen wohlwollenden Amtskollegen hätte durchsetzen können, der ihn bei der Umsetzung seiner politischen Projekte zumindest nicht behinderte, oder idealer Weise sogar unterstützte. Der Plan, sich nach 134 v.Chr. für 128 v.Chr. einen dritten Konsulat zu verschaffen, hatte gewiss das Potential, nicht nur Scipios Gegner aus den Reihen der Ackerkommission aufzuschrecken, sondern auch den Argwohn anderer führender Senatoren hervorzurufen. Der mit einem erneuten Konsulat nach gerade einmal nur sechs Jahren verbundene Prestigegewinn Scipios dürfte nicht im Sinne aller seiner senatorischen Standesgenossen gewesen sein. Andererseits konnte Scipio gerade seinen konservativen Kritikern mit dem überzeugenden Argument begegnen, mit seinem Vorhaben die regulären Magistraturen gegenüber eigens eingerichteten Sondergremien (wie der gracchischen Ackerkommission) wieder zu stärken. Demnach beabsichtige er eine notwendige restaurative Maßnahme, die besonders den Interessen des Senates zugute kam. Hinsichtlich eines dritten Konsulats konnte er mit M. Claudius Marcellus (cos. 166, 155 und 153) auf einen Präzedenzfall aus der jüngsten Vergangenheit verweisen. Für seine dritte Wahl zum Konsul 154 v.Chr. wurde Marcellus sehr wahrscheinlich extra dispensiert, weil es damals darum ging, unbedingt wieder einem fähigen Feldherren das Oberkommando im Keltibererkrieg zu übertragen.[98] Dieser Vorgang war keineswegs unumstritten, was schon allein daran zu erkennen ist, dass kurz darauf ein Gesetz verabschiedet wurde, das eine Wieder­wahl in den Konsulat grundsätzlich untersagte. [99] Trotz der gesetzgeberischen Absicht,[100] derartige Aneinanderreihungen von Konsulaten für Einzelpersonen zu unterbinden, gelang es ausgerechnet Scipio Aemilianus, sowohl für die Konsulwahl für 147 v.Chr. als auch für die des Jahres 134 v.Chr. mittels der gesetzgeberischen Initiative von Volkstribunen für sich einen Dispens zu erwirken. [101] Dass er einen ähnlichen Weg zur Legalisierung eines dritten Konsulats 128 v.Chr. eingeschlagen hätte, sähe ihm zwar sehr ähnlich, lässt sich jedoch nicht mehr zweifelsfrei verifizieren.

Obwohl Scipio seine Kandidatur für den Konsulat des Folgejahres noch nicht offiziell angemeldet hatte, werden seine diesbezüglichen Absichten seinen Wider­sachern dennoch nicht verborgen geblieben sein. Einerseits dürfte ihnen klar gewesen sein, welcher finale Schachzug ihres Kontrahenten nun folgen könnte; andererseits war C. Gracchus wahrscheinlich über seine mit Scipio Aemilianus verheiratete Schwester Sempronia über die Pläne ihres Gatten recht gut informiert. Da sie also gut erahnen, wenn nicht sogar wissen konnten, was ihnen bald bevorstünde, standen Scipios Widersacher massiv unter Zugzwang. Dieser enorme Handlungsdruck könnte die von ihnen fast schon verzweifelt verursachten seditiones plausibel erklären. Eine Kandidatur Scipios für den Konsulat galt es demnach unbedingt zu verhindern.

Scipios letzter öffentlicher Auftritt fand in einer Senatssitzung statt,[102] die mög­licherweise in engem Zusammenhang mit den seditiones seiner politischen Gegner stand. Gut möglich, dass es sich bei dieser Tagung des Senats um eine Dringlichkeits­sitzung wegen der Unruhen in der Stadt handelte. Jedenfalls wurde Scipio abends nach dieser Senatssitzung sowohl von den anderen Senatoren, als auch von der römischen Bürgerschaft und den latinischen Bundesgenossen nach Hause es­kortiert.[103] Dieser Umstand ist bemerkenswert: Entweder war Scipio wohl wegen des Aufruhrs, den seine Feinde entfacht hatten, auf Geleitschutz durch seine Anhänger­schaft auf seinem Nachhauseweg angewiesen, weil er sich offenbar in Gefahr befand, oder Cicero will auf andere Aspekte hinaus: Von den patres conscripti, dem populus Romanus, den socii und den Latini wurde er nach Hause geleitet. Die genannten lateinischen Begriffe repräsentieren nichts Geringeres als das gesamte römische Gemeinwesen. Dies lässt sich wiederum so deuten: Entweder erwies ihm die Gesamt­heit römischer Staatlichkeit an seinem letzten Lebensabend gewissermaßen das letzte Geleit, oder Cicero möchte hervorheben, dass Scipio Aemilianus den gesamten Senatus Populusque Romanus und die latinischen Bundesgenossen hinter sich wusste und eine Art concordia omnium ordinum hergestellt hatte. Ein vorweggenommener Leichenzug ist deswegen unwahrscheinlich, weil es nicht vorherzusehen war, dass Scipio den nächsten Morgen nicht mehr erlebte. Folglich lässt sich aus Ciceros Laelius de amicitia entnehmen, dass der jüngere Africanus den Rückhalt einer beeindruckend großen Mehrheit nicht nur unter den Senatoren, sondern auch innerhalb der plebs und der latinischen Bundesgenossen auf seiner Seite hatte. [104]

Doch am nächsten Morgen wurde Scipio Aemilianus bekanntlich tot aufgefunden. Ebenfalls bemerkenswert ist das Zeugnis bei Appian: [105] In der Nacht, in der Scipio starb, war er damit beschäftigt, eine Rede zu schreiben, welche er vor einer Volksver­sammlung halten wollte. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es sich bei dieser vorbereiteten Rede sogar um seine Absichtserklärung, für den Konsulat des Folgejahres zu kandidieren, gehandelt hat; ein Sachverhalt, der sich jedoch heute genauso wenig aufklären lässt, wie die Todesursache [106] des Zerstörers von Karthago und Numantia. Festzuhalten ist abschließend allerdings noch, dass weder Scipio 129 v.Chr. weit im politischen Abseits stand, noch dass seine Karriere sich längst im Niedergang befand. [107] Vielmehr war der jüngere Africanus im Begriff, erneut eine sehr gewichtige Rolle auf der politischen Bühne Roms zu spielen, was sein plötzlicher Tod verhindert hat. Eine Randerscheinung der durch die Gracchen verursachte Zeit der politischen Wirren waren die letzten Lebensjahre und der Tod des Scipio Aemilianus also überhaupt nicht.[108] Die darin innewohnende Tragik ist kaum zu übersehen: Kurz vor dem nächsten (vorläufigen) Gipfel seiner Karriere scheidet Scipio völlig unerwartet aus dem Leben. So hat Scipio Aemilianus seine letzte Schlacht in der Innenpolitik doch noch verloren, obwohl er lange wie der sichere Sieger aussah. Bei solchen Zusammenhängen kann man freilich an den Zufall eines plötzlichen Todes eines derart exponierten Politikers glauben, doch unter den ge­schilderten Umständen erscheint das unerwartete Dahinscheiden eines profilierten Senators, wie Scipio einer war, gerade für seine Widersacher als ein erstaunlich günstiger Zufall, der Verwunderung und Befremden hervorruft.

Dem öffentlichen Frieden in der Stadt schien Scipios Tod allerdings zuträglich gewesen zu sein: Mit einem Mal waren Aufruhr und Angst vor Alleinherrschaft und Blutvergießen verflogen,[109] weil plötzlich niemand mehr den Bestrebungen der Ackerkommission ernstzunehmenden Widerstand leistete. Von der Ausübung der Richteraufgaben in Fragen der Ackerneuverteilung durch die Konsuln war außerdem fortan nicht mehr die Rede.

- - - - - - - - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -

 

Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik
Universität Heidelberg
Marstallhof 4
69117 Heidelberg, Deutschland
GeorgSchietinger@gmx.de

Georg-Philipp Schietinger

- - - - - - - - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -- - - - - -

 

 



* An dieser Stelle möchte ich Hilmar Klinkott, Hartmut Blum und Nils Steffensen für ihren konstruktiven Rat und ihre hilfreiche Unterstützung dieses Aufsatzes meinen herzlichen Dank aussprechen.

[1] Plut. Lucull. 38,3f.

[2] Plut. Lucull. 38,4. Daraus lässt sich schließen, dass Plutarch, der auch über Scipio Aemilianus eine uns nicht mehr erhaltene Biographie abgefasst hat, Scipios letzte Lebensjahre eher negativ beurteilt. Vielleicht konnte Plutarch aufgrund seines Kenntnisstandes eine der­artige Bewertung vornehmen.

[3] Dazu App. civ. 1,19. Auch Plut. mor. 201F und Auct. de vir. ill. 58,10: Suscepta agrariorum causa.

[4] Plut. Ti. Gr. 21,7–9, Plut. mor. 201F (= Apophth. Scip. min. 22f), Auct. de vir. ill. 58,8, Liv. Per. 59,11f., Val. Max. 6,2,3, Vell. 2,4,4 und Schol. Hor. serm. 2,1,72 (= O. Keller, Pseudoacronis scholia in Horatium vetustiora. Band 2, Leipzig 1904, 124).

[5] Cic. Lael. 96 und Liv. Per. 59,12.

[6] Plut. Mor. 201F (= Apophth. Scip. min. 23) und App. civ. 1,19 (81f). Dazu auch bezugnehmend auf Cic. rep. 6,12 T. W. Hillard,Scipio Aemilianus and a Prophecy from Clunia, Historia 54 (2005) 344–348. Ebenso C. Nicolet,Le De Republica (VI, 12) et la Dictature de Scipion, REL 42 (1964) 212–230 und L. Beness, Scipio Aemilianus and the Crisis of 129 B.C., Historia 54 (2005) 37–48.

[7] App. civ. 1,20, Plut. C. Gr. 9,4, Plut. Rom. 27,4, Auct. de vir. ill. 58,10, Liv. Per. 59,16f., Oros. 5,10,9f., Val. Max. 4,1,12, Vell. 2,4,5. Cicero geht von einer Ermordung Scipios aus: Cic. Lael. 12, Cic. Mil. 16, ebenso auch Cic. fat. 18. Metellus Macedonicus (cos. 143) sprach sogar in aller Öffentlichkeit von einem Meuchelmord an Scipio (Val. Max. 4,1,12). Siehe auch S. Sigismund, Der politische Mord in der späten römischen Republik, Hamburg 2008, 89–106. Von einem natürlichen Tod schreiben Plut. Rom. 27,4 und Vell. 2,4,6. Einen möglichen Selbstmord Scipios erwähnt App. civ. 1,20 (83). A.-C. Harders, Suavissima Soror. Untersuchungen zu den Bruder-Schwester-Beziehungen in der römischen Republik, München 2008, 135 hält die Mordtheorien für eine Konstruktion der Quellen, die auf dem optimatisch-popularen Gegensatz der ausgehenden Republik beruht und diesen Konflikt ins familiale Beziehungsgeflecht der Sempronier und Cornelier überträgt.

[8] App. civ. 1,20 (83), Plut. C. Gr. 10,4, Liv. Per. 59,17 und Oros. 5,10,10. Dazu auch Sigismund, Politischer Mord (o. Anm. 7) 100–106 und R. Werner, Die gracchischen Reformen und der Tod des Scipio Aemilianus, in: R. Stiehl / H. E. Stier (Hrsg.), Beiträge zur Alten Geschichte und deren Nachleben. Festschrift für Franz Altheim zum 6.10.1968, Berlin 1969, 413–440, hier 416. Dagegen Harders, Suavissima Soror (o. Anm. 7) 135.

[9] Plut. C. Gr. 10,5, Cic. Mil. 16, Liv. Per. 59,18, Vell. 2,4,6 und Plin. nat. Hist. 10,123.

[10] Plut. C. Gr. 10,5: ἐνέστησαν γάρ οἱ πολλοὶ καὶ κατέλυσαν τὴν κρίσιν ὑπερ τοῦ Γαΐου φοβηθέντες, μὴ περιπετὴς τῇ αἰτίᾳ τοῦ φόνου ζητουμένου γένηται.

[11] App. civ. 1,20 (85).

[12] Plut. Ti. Gr. 7,4 (Übersetzung des Verfassers).

[13] Dazu K. Bilz, Die Politik des P. Cornelius Scipio Aemilianus, Stuttgart 1935, 66.

[14] Ebenda sowie besonders H. Simon, Roms Kriege in Spanien 154–133 v.Chr., Frankfurt a.M. 1962, 159. Hierin lässt sich ein guter Beispielfall für eine „Politik der ausgenützten Abwesenheit“ im Sinne E. Flaigs, Die Mehrheitsentscheidung. Entstehung und Dynamik, Paderborn u.a. 2013, 246–248 für das spätrepublikanische Rom erkennen.

[15] Plut. Ti. Gr. 7f., Vell. 2,2,2. Siehe auch Bilz, Politik (o. Anm. 13) 67, D. Stockton, The Gracchi, Oxford 1979, 29 und neuerdings H. Etcheto, Les Scipions. Famille et pouvoir à Rome à l’époque républicaine, Bordeaux 2012, 145.

[16] Plut. Ti. Gr. 7,3. Zu den Verhandlungen über den Mancinus-Vertrag im Senat siehe Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 150–155.

[17] Dazu u.a. Plut. Ti. Gr. 7,3 und Vell. 2,1,5. Siehe auch A. H. Bernstein, Tiberius Sempronius Gracchus. Tradition and Apostasy, London 1978, 67f.

[18] Vell. 2,2,1f.: Quippe Tiberius Gracchus, [...], quo quaestore et auctore id foedus ictum erat, nunc graviter ferens aliquid a se pactum infirmari, [...]. Dazu auch Stockton,The Gracchi (o. Anm. 15) 29f., Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 154 und J. Bleicken, Überlegungen zum Volkstribunat des Tiberius Sempronius Gracchus, HZ 247 (1988) 265–293, hier 272f. Cic. har. resp. 43. hingegen sieht in der Kränkung, welche die Annullierung des Mancinus-Vertrags durch den Senat für Ti. Gracchus darstellte, den Grund dafür, weshalb Gracchus sich der po­pularen Sache hingab. Bemerkenswerter Weise sieht Cicero (har. resp. 43) bei L. Appuleius Saturninus ebenfalls eine Demütigung durch den Senat als Grund dafür, dass dieser ein popularis wurde.

[19] Plut. Ti. Gr. 7,3. Siehe auch Bleicken, Volkstribunat (o. Anm. 18) 274 und Bernstein, Gracchus (o. Anm. 17) 69f. Dem entgegen Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 158.

[20] Dazu u.a. Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 158f. Eine gegenteilige Sichtweise vertritt Harders, Suavissima Soror (o. Anm. 7) 129f.: Erst während Gracchus’ Volkstribunat 133 v.Chr. und wegen der Agrarreform fand die Kooperation mit Scipio ein Ende. Zu einer grundlegenden Zerrüttung zwischen Corneliern und Semproniern sei es aber nicht gekommen. Der Gegensatz verschärfte sich erst 129 v.Chr. mit Scipios Engagement für die Italiker.

[21] Zu den Hintergründen des Streits zwischen Scipio und Gracchus siehe Plut. Ti. Gr. 7,4.

[22] Siehe Bleicken, Volkstribunat (o. Anm. 18) 276. Zu den politischen amici des Ti. Gracchus siehe auch S. Märtin,Die politische Führungsschicht der römischen Republik im 2. Jh. v. Chr. Zwischen Konformitätsstreben und struktureller Differenzierung, Trier 2012, 313–318.

[23] Plut. Ti. Gr. 7,3.

[24] Dazu Stockton, The Gracchi (o. Anm. 15) 30. Bernstein, Gracchus (o. Anm. 17) 56f. datiert die Eheschließung zwischen Ti. Gracchus und Claudia ins Jahr 143 v.Chr.

[25] Bleicken, Volkstribunat (o. Anm. 18) 276 und Bernstein, Gracchus (o. Anm. 17) 119.

[26] Laut Bilz, Politik (o. Anm. 13) 66 sei auch das Reformwerk des Gracchus, wie alle politi­schen Entscheidungen in Rom, eine Entscheidung und ein Kampf zwischen den Parteiungen gewesen.

[27] Ebenda, 67: „[Scipio Aemilianus] mußte also den Schritt des Gracchus gewissermaßen als persönlichen Gegenhieb betrachten. Rein persönlich war damit eine gewisse Oppositions­stellung für das Reformwerk, das diese Männer verfochten, gegeben.“ Außerdem dürfte Scipio nicht daran gelegen gewesen sein, dass die den Agrarreformern winkende Popularität seinen politischen Rivalen zufiel. Dazu M. Zahrnt,Publius Cornelius Scipio Aemilianus — der intrigante Enkel, in: K.-J. Hölkeskamp / E. Stein-Hölkeskamp (Hrsg.), Von Romulus zu Augustus. Große Gestalten der römischen Republik, München 22010, 159–171, hier 169.

[28] Dazu A. E. Astin, Scipio Aemilianus, Oxford 1967, 308.

[29] Plut. Ti. Gr. 8,4.

[30] Bilz, Politik (o. Anm. 13) 47f.

[31] Über die geradezu exemplarische Freundschaft zwischen C. Laelius und Scipio Aemi­lianus siehe F. Münzer, C. Laelius, RE 12,1 (1924) 404–410, hier 404 und 410. Siehe beson­ders Cic. Lael. 15. Für weitere Belegstellen siehe Münzer, op. cit. 410.

[32] Bernstein, Gracchus (o. Anm. 17) 113.

[33] Plut. Ti. Gr. 8,4.

[34] Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 307f.

[35] Plut. Ti. Gr. 8,4.

[36] Bilz, Politik (o. Anm. 13) 48. Zu diesem Sachverhalt siehe auch K. Christ, Krise und Untergang der römischen Republik, Darmstadt 42000, 119.

[37] Christ, Krise und Untergang (o. Anm. 36) 119 geht von einer Unterstützung des Laelius durch Scipio aus.

[38] Zu Scipios Verwandtschaftsbeziehungen siehe ausführlich Harders, Suavissima Soror (o. Anm. 7) 108–128.

[39] Cic. Lael. 69 und 73. Dazu auch Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 83f. und 88f. sowie Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 434.

[40] Bilz, Politik (o. Anm. 13) 71. Allerdings sind die Beschwichtigungsabsichten des Senats an die Adresse der Anhänger des Ti. Gracchus, worauf Plut. Ti. Gr. 21,1 hinweist, ebenso ein Grund dafür, das gracchische Ackergesetz vorerst nicht zu kippen.

[41] Zahrnt, Scipio Aemilianus (o. Anm. 27) 170.

[42] Dazu ausführlich Cic. Phil. 11,18.

[43] Zu Scipios gewissermaßen popularen Methoden siehe Etcheto, Les Scipions (o. Anm. 15) 125–128.

[44] Zu den Ursachen von Scipios Abstimmungsniederlage siehe Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 436.

[45] J. Carcopino, Autour des Gracques, Paris 21967, 86. Zur Datierung auch Christ, Krise und Untergang (o. Anm. 36) 135, Zahrnt, Scipio Aemilianus (o. Anm. 27) 170 und Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 238f.

[46] App. civ. 1,19 (78f). Siehe auch Plut. mor. 201F und Auct. de vir. ill. 58,10. Dazu auch Christ, Krise und Untergang (o. Anm. 36) 135.

[47] App. civ. 1,19 (78f).

[48] Plut. mor. 201F: πρὸς Γάιον Γράκχον ὑπέρ τε τῆς βουλῆς καὶ τῶν συμμάχων κατέστη διαφορά, [...].

[49] Zu Scipios Verhältnis zu den Bundesgenossen siehe Etcheto, Les Scipions (o. Anm. 15) 113f.

[50] App. civ. 1,19 (79). Zur Beurteilung siehe Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 239 und Bilz, Politik (o. Anm. 13) 74.

[51] F. Münzer, P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus, RE 4,1 (1900) 1439–1462, hier 1457, geht davon aus, dass Scipio dazu einen Volksbeschluss erwirkt habe. Ähnlich Bilz, Politik (o. Anm. 13) 74f. und Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 414. Dagegen spricht Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 139f. von einem Senatsbeschluss.

[52] App. civ. 1,19 (79f).

[53] Siehe dazu App. civ. 1,19 (80).

[54] App. civ. 1,19 (80). Siehe auch Bilz, Politik (o. Anm. 13) 75, Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 415 und Märtin, Führungsschicht (o. Anm. 22) 395.

[55] Siehe auch Christ, Krise und Untergang (o. Anm. 36) 135.

[56] Dazu Bilz, Politik (o. Anm. 13) 75.

[57] Siehe App. civ. 1,19 (81).

[58] Ebenda. Zu Scipios politischen Gepflogenheiten siehe Etcheto, Les Scipions (o. Anm. 15) 125–128.

[59] Zur Datierung: Stockton, The Gracchi (o. Anm. 15) 89 vermutet, dass App. Claudius Pulcher erst 129 v.Chr. verstorben sei. Claudius Pulcher, für den Fulvius Flaccus in die Acker­kommission nachrückte, starb mit Sicherheit noch vor Scipio! Das ergibt sich aus Liv. Per. 59,15f.: Die drei neuen Mitglieder der Ackerkommission, C. Gracchus, C. Papirius Carbo und Fulvius Flaccus, machten Stimmung gegen Scipio; App. Claudius Pulcher, hätte er zu diesem Zeitpunkt noch gelebt, hätte vermutlich auch gegen seinen Erzfeind Scipio Aemilianus opponiert.

[60] Siehe dazu Bilz, Politik (o. Anm. 13) 73 und J. Suolahti, The Roman Censors. A Study on Social Structure, Helsinki 1963, 390f.

[61] Laut Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 80–96, besonders 89, irritierte er nicht selten auch seine amici mit seinem Verhalten.

[62] Siehe u.a. M. van den Bruwaene, L’opposition à Scipion Emilien après la mort de Tiberius Gracchus, Phoibos 5 (1950/51) 229–238, hier 235, Bilz, Politik (o. Anm. 13) 73, Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 437f. und J. Baron Ungern-Sternberg von Pürkel, Untersuchungen zum Notstandsrecht. Senatusconsultum ultimum und hostis-Erklärung, München 1970, 137f. Zur Feindschaft zwischen Metellus Macedonicus und Scipio Aemilianus siehe Cic. Lael. 77, Cic. off. 1,87, Plut. mor. 202A und Val. Max. 7,5,4. Das Bild des Macedonicus als Gegner Scipios hält sich noch in der Gegenwart, siehe R. Covino, Caecilii Metelli, in: R. Bagnall / K. Brodersen / S. Hübner u.a. (Hrsg.), The Encyclopedia of Ancient History. Volume 3, Chichester 2013, 1236–1241, hier 1238.

[63] Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 315. Auch Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 423 datiert das Prozessgeschehen ins Jahr 138 v.Chr. Zum Cotta-Prozess siehe Cic. Brut. 81 und Val. Max. 8,1,11.

[64] Zu den Hintergründen siehe U. Hackl, Senat und Magistratur in Rom von der Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. bis zur Diktatur Sullas, Kallmünz 1982, 98f.

[65] Flor. 1,33,10.

[66] Dazu Hackl, Senat und Magistratur (o. Anm. 64) 99. Zum Verhältnis zwischen dem jüngeren Scipio Africanus und Q. Pompeius siehe Astin,Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 85, 88f. und 311f., der von einem dauerhaften Bruch ausgeht, und F. Münzer, Römische Adels­parteien und Adelsfamilien, Stuttgart 1920, 248f., der nur ein zwischenzeitliches Zerwürfnis annimmt.

[67] Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 86.

[68] Val. Max. 4,1,12.

[69] F. Münzer, Caecilia Metella 131, RE 3,1 (1897) 1234 sowie Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 88, Münzer, Adelsparteien (o. Anm. 66) 252 und Etcheto, Les Scipions (o. Anm. 15) 183f.

[70] Dazu F. Münzer, Q. Caecilius Metellus Macedonicus, RE 3,1 (1897) 1215, J. van Ooteghem, Les Caecilii Metelli de la République, Brüssel 1967, 67 und Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 132. Dem entgegen Bilz, Politik (o. Anm. 13) 60f.

[71] Metellus rief das Volk zur Trauer zusammen, pries Scipio als großen Mann, argwöhnte öffentlich, Scipio sei einem Meuchelmord zum Opfer gefallen, und schließlich hieß Metellus seine vier Söhne, Scipio, dem ein Staatsbegräbnis verweigert wurde, zu Grabe zu tragen. Dazu App. civ. 1,20 (85), Plut. mor. 202A und Val. Max. 4,1,12. Gegenteilige Auffassung bei Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 430.

[72] Q. Pompeius wollte Ti. Gracchus nach Ablauf seines Volkstribunats vor Gericht bringen. Dazu Oros. 5,8,4. Ebenso brachte er das Gerücht in die Welt, wonach Gracchus von Eudemos von Pergamon bereits die Königsinsignien erhalten habe, um in Rom die Herrschaft anzutreten. Dazu Plut. Ti. Gr. 14,2. Zur Karriere des Q. Pompeius siehe F. Miltner, Q. Pompeius, RE 21,2 (1952) 2056–2058.

[73] Dass Scipio Aemilianus seinen Kontrahenten Claudius Pulcher überlebte, belegt Liv. Per. 59,15f.: C. Papirius Carbo und M. Fulvius Flaccus, welche nach deren Tod die Nachfolge des Crassus Mucianus und des Claudius Pulcher in der Ackerkommission angetreten hatten, machten öffentlich Stimmung gegen Scipio.

[74] Zum Leben und zum politischen Werdegang des Lentulus Lupus siehe F. Münzer, L. Cornelius Lentulus Lupus, RE 4,1 (1900) 1387.

[75] Traditionell wurde der amtsälteste Zensorier zum princeps senatus ernannt, auch wenn davon bisweilen Ausnahmen gemacht wurden. Siehe Liv. 27,11,9–12: [...], ut, qui primus censor ex iis, qui viverent, fuisset, eum principem legerent. Dazu auch Chr. Meier,Die Ersten unter den Ersten des Senats — Beobachtungen zur Willensbildung im römischen Senat, in: D. Nörr / D. Simon (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Wolfgang Kunkel, Frankfurt a.M. 1984, 185–204, hier 192. Ein Beispiel dafür, dass nicht grundsätzlich, der amtsälteste Zensorier zum princeps senatus ernannt wurde, ist die Nominierung des App. Claudius Pulcher 136 v.Chr. Sowohl Lentulus Lupus (147 v.Chr.) als auch Scipio Aemilianus (141 v.Chr.) übten vor ihm das Zensorenamt aus. Dazu Münzer, Adelsparteien (o. Anm. 66) 251f. Ebenso Suolahti, Roman Censors (o. Anm. 60) 398f. und F. Münzer, App. Claudius Pulcher 295, RE 3,2 (1899) 2848. Siehe auch Plut. Ti. Gr. 4,1.

[76] Siehe u.a. van den Bruwaene, L’opposition à Scipion Emilien (o. Anm. 62) 235, Bilz, Politik (o. Anm. 13) 73 und Ungern-Sternberg, Notstandsrecht (o. Anm. 62) 137f.

[77] Siehe dazu u.a. Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 233–239, Bilz, Politik (o. Anm. 13) S. 66–78, Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 413f. und Zahrnt, Scipio Aemilianus (o. Anm. 27) 170.

[78] Siehe L. Beness / T. W. Hillard, Another Voice against the “Tyranny” of Scipio Aemilianus in 129 B.C.?, Historia 61 (2012) 270–281, hier 275 und besonders L. Beness, Carbo’s Tribunate of 129 and the Associated Dicta Scipionis, Phoenix 63 (2009) 60–72.

[79] Cic. Lael. 96 und Liv. Per. 59,11.

[80] Die Annahme der lex Papiria de tribunis reficiendis hätte im Falle ihrer Annahme durch die Volksversammlung den Tod des Ti. Gracchus, der seine Wiederwahl angestrebt hat, in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dazu Zahrnt, Scipio Aemilianus (o. Anm. 27) 170.

[81] Siehe Beness, Carbo’s Tribunate of 129 (o. Anm. 78) 60–72.

[82] Zu Scipios „Skandalauftritt“ in der contio, in der er auf Nachfrage des C. Papirius Carbo erneut die Ermordung seines Schwagers Ti. Gracchus billigte und die ihn auspfeifenden Versammlungsteilnehmer beleidigte, siehe Plut. Ti. Gr. 21,8f., Plut. mor. 201F, Auct. de vir. ill. 58,8, Liv. Per. 59,11f., Val. Max. 6,2,3, Vell. 2,4,4 und Schol. Hor. serm. 2,1,72. Siehe dazu auch Beness / Hillard, Another Voice (o. Anm. 78) 270–281 sowie dies., Late Antique Me­moires of Republican Political Polemic: Pseudo-Acro ad Hor. Sat. 2.1.67 and a dictum Mace­donici, CQ 62 (2012) 816–826 und Beness, Carbo’s Tribunate of 129 (o. Anm. 78) 60–72.

[83] Werner, Tod des Scipio Aemilianus (o. Anm. 8) 415.

[84] Ebenda.

[85] Liv. Per. 59,15: Seditiones a triumviris Fulvio Flacco et C. Graccho et C. Papirio Carbone agro dividendo creatis excitatae.

[86] Liv. Per. 59,16: Cum P. Scipio Africanus adversaretur […].

[87] In diesem Sinne lässt sich Plut. mor. 201F deuten.

[88] Plut. mor. 201F: κτεῖναι τὸν τύραννον.

[89] Siehe Plut. mor. 201F (Übersetzung des Verfassers).

[90] Oros. 5,10,9: [...] P. Scipionem Africanum, pridie pro contione de periculo salutis suae contestatum, quod sibi pro patria laboranti ab improbis et ingratis denuntiari cognovisset.

[91] App. civ. 1,19 (82).

[92] Cic. rep. 6,12: In te unum atque in tuum nomen se tota convertet civitas, te senatus, te omnes boni, te socii, te Latini intuebuntur, tu eris unus in quo nitatur civitatis salus, ac ne multa: dictator rem publicam constituas oportebit, si impias propinquorum manus effugeris. Siehe dazu vor allem Nicolet, De Republica (o. Anm. 6) 213, 220–222, 224–226 und 229f. Nicht ganz so dezidiert Hillard, Scipio Aemilianus (o. Anm. 6) 344–348.

[93] App. civ. 1,16 (67).

[94] S. Anm. 92. Dazu auch Nicolet, De Republica (o. Anm. 6) 312–330.

[95] Beness, Scipio Aemilianus (o. Anm. 6) 46 betont, dass es nicht unbedingt die Diktatur sein musste: „Any proposal for some special office for Aemilianus was bound to require sena­torial acquiescence. I repeat that the proposed solution need not have been a dictatorship for Aemilianus; but something had been proposed which provoked the strongest senatorial obstruction.

[96] Ebenda, 48.

[97] App. civ. 1,19 (81).

[98] Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 31.

[99] Ebenda, 31f.

[100] Dazu Märtin, Führungsschicht (o. Anm. 22) 261f. und 273f. Die Anhäufung von Konsulaten durch Einzelne zu verhindern, ist nicht unbedingt ein erstrangiges Anliegen der alteingesessenen nobiles, sondern eher der homines novi, welche durch solche Gesetze für sich einen leichteren Zugang zum Konsulat erhofften. Dazu ausführlich Märtin, op. cit. 274.

[101] Liv. Per. 56,7. Simon, Roms Kriege (o. Anm. 14) 172f. und Märtin, Führungsschicht (o. Anm. 22) 273.

[102] Cic. Lael. 12.

[103] Cic. Lael. 12: Illum diem clarissimum fuisse, cum senatu dimisso domum reductus ad vesperum est a patribus conscriptis, populo Romano, sociis et Latinis, pridie quam excessit e vita, [...]. Siehe auch Liv. Per. 59,16.

[104] Zu bedenken ist dabei, inwieweit Cicero Scipio Aemilianus als Projektionsfolie für seine eigenen Erfahrungen, wie z.B. seine Rückberufung aus dem Exil, exemplarisch ver­wendet. Dass die Unterstützung für Scipio derart überwältigend war, wie Cicero sie ausmalt, wird durch die Darstellungen von App. civ. 1,20 (83f) und Plut. Ti. Gr. 21,8, wonach er an Popularität eingebüßt habe, relativiert.

[105] App. civ. 1,20 (83): ἑσπέρας παραθέμενος ἑαυτῷ δέλτον, εἰς ἥν νυκτὸς ἔμελλε γράφειν τὰ λεχθησόμενα ἐν τῷ δήμῳ [...].

[106] Es ist nicht auszuschließen, dass Scipio eines natürlichen Todes verstarb. Ein Herzinfarkt wegen zu großer Stressbelastung wäre eine naheliegende Ursache, so Carcopino, Autour des Gracques (o. Anm. 45) 117. Jedoch spricht für einen Mord, dass seine Gegner aus den Reihen der Ackerkommission dazu die kriminalistisch wesentlichen „motives, means and opportunities“ gehabt haben. Siehe dazu auch oben Anmerkung 8. Eine Überlegung wäre es auch wert, die Mörder in konservativen Senatskreisen zu suchen.

[107] So beispielsweise Astin, Scipio Aemilianus (o. Anm. 28) 234–237 und Christ, Krise und Untergang (o. Anm. 36) 98.

[108] Siehe das Urteil von App. civ. 1,20 (85).

[109] Dazu App. civ. 1,20 (83). Allerdings dürfte diese Ruhe nur von kurzer Dauer gewesen sein, worauf die Zeugnisse bei App. civ. 1, 21 (86–88) und Liv. Per. 59 hinweisen.