Amphilochios Papathomas
Aikaterini Tsiousia


Ein spätantiker Papyrusbrief an den
magnificentissimus comes Menas


Tafeln 10–11



Der bis jetzt unveröffentlichte Papyrus ist links abgebrochen. An allen drei anderen Seiten ist der Rand teilweise erhalten. Der obere Freiraum beträgt 1,9 cm und der untere ca. 3 cm. Rechts gibt es einen Freiraum von 1,5–2 cm. Der Schreiber pflegte gelegentlich bis fast an den äußeren Rand des Blattes zu schreiben (so in Z. 8). Abge­sehen vom verlorenen linken Teil des Papyrus gibt es Beschädigungen und Textein­bußen auch am oberen und unteren rechten Teil, wo das Blatt abgerissen worden ist. Es gibt Indizien für mindestens drei horizontale und vier vertikale Faltungen (letztere sind 5–5,5 cm breit). Der Papyrus in hellbrauner Farbe ist transversa charta beschriftet. Die Schrift läuft also auf dem Rekto gegen die Fasern und auf dem Verso mit den Fasern. Die Tinte ist schwarz, und die Schrift eine elegante, nach rechts geneigte spätantike Geschäftskursive. Es ist keine Klebung vorhanden.

Über die beiden Korrespondenzpartner wissen wir wenig. Der Adressat heißt Menas und ist ein vir magnificentissimus (Z. 9: τὴν ὑμῶν μεγαλοπρέπειαν), der den Titel eines comes trägt (Z. 10: κόμ(ετι) Μηνᾷ). Da viele Personen dieses Namens und Titels bezeugt sind (siehe unten den Komm. zu Z. 10), läßt sich eine Identifizierung des vorliegenden Menas nicht wagen. Über den Absender haben wir so gut wie keine Informationen. Da er sehr höflich mit dem Adressaten umgeht (vgl. den Höflichkeits­plural τὴν κέλευσιν ὑμῶν in Z. 7), dürfte er entweder ein Untergebener des comes Menas oder mit ihm gleichgestellt gewesen sein. Ferner scheint er eine fromme Person gewesen zu sein oder wenigstens die herrschende christliche Ideologie seiner Zeit angenommen zu haben (vgl. Z. 5: σὺν θεῷ). Ähnlich wenig wissen wir über den Inhalt und den Kontext des Briefes. Der Text beginnt mit der Erwähnung eines ande­ren Schreibens (Z. 1). Es bleibt unklar, ob es sich dabei um den Brief eines der beiden Korrespondenzpartner handelt oder um das Schreiben einer dritten Person. In Z. 4 scheint der Absender sich dafür zu interessieren, daß eine dritte Person (ein Gärtner, ein Torwächter oder ein Wächter) keinen Ärger (möglicherweise seitens Menas) bekommt. In Z. 6 ist von einem Mönch die Rede. Sollte die dort vorgenommene Er­gänzung ὁ εἰ]ρ̣ημένος (bzw. ὁ προ ει]ρ̣ημένος) μονάζων zutreffen, dann war von ihm schon vorher im Brief die Rede. Dies würde bedeuten, daß der Mönch eine bedeu­tende Rolle in der Angelegenheit spielte, die in unserem Brief geschildert wird. In Z. 7 ist von einem Befehl des Adressaten an den Schreiber die Rede, demzufolge der Schreiber verspricht, künftig an eine dritte Person zu schreiben. An wen er schreiben soll, ist nicht klar; vielleicht an einen Johannes, wenn die Rekonstruktion Ἰω̣[άννῃ in Z. 7 korrekt ist.

Da unser Text 23,6 cm breit ist und die transversa charta beschriebenen Papyrus­briefe dieser Zeit eine durchschnittliche Breite von ca. 30–32 cm aufweisen (denn sie stammen meistens aus Rollen, die ca. 30–32 cm hoch sind), können wir annehmen, daß an der linken Seite ein Viertel des Papyrus verloren gegangen ist. Da diese Be­rechnung mit der anhand von Parallelen vorgenommenen Rekonstruktion der Z. 9 übereinstimmt, haben wir sie als Basis für die Berechnung der Anzahl der Buchstaben genommen, welche auf der linken Seite des Papyrus fehlen.

Die Herkunft des Stückes ist unbekannt. Carl Wessely hat in seinem handschrift­lichen Inventar zwei Einträge zu dem Papyrus. In beiden steht, daß der Papyrus im Jahr 1886 erworben wurde. Ein Eintrag nennt als Herkunftsort das Fayum, der andere Hermupolis Magna. Das Erwerbungsjahr 1886 unterstützt eher die Lokalisierung in den Hermopolites, da in diesem Jahr Papyri aus el-Aschmuneyn (Hermupolis Magna) an die Wiener Papyrussammlung gekommen sind; siehe Helene von Loebenstein, Vom „Papyrus Erzherzog Rainer“ zur Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. 100 Jahre Sammeln, Bewahren, Edieren, P.Rain.Cent., S. 3–39 (bes. 6). Wie aber Helene von Loebenstein am selben Ort bemerkt, gab es seit 1884 auch Nachträge zum „1. und 2. Fayumer Fund“. Dies bedeutet, daß eine Lokalisierung in den Arsinoites oder den Herakleopolites nicht ganz auszuschließen ist. Im übrigen zeigt der vorliegende Fall, daß die Angaben im handschriftlichen Inventar Wesselys zuweilen widersprüchlich sind. Wessely datiert den Papyrus ein­mal ins 6. Jh. und einmal ins 6./7. Jh. n. Chr. Die Schrift ist aufgrund der Paläographie eher ins 6. Jh. zu datieren. Einige Buchstaben, wie etwa das λ bei μεγαλοπρέπειαν (Z. 9), sprechen für eine relativ späte Zeit innerhalb dieses Rahmens, etwa die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts. Daher halten wir eine Datierung ins späte 6. Jh. n. Chr. für die wahrscheinlichste.

P.Vindob. G 15798           23,6 ´ 18,5 cm            spätes 6. Jh. n. Chr. (?)

Hermopolites oder Arsinoites                                             Tafeln 10–11


3. ουκ᾿ pap. 4. ϊνα pap. ϋπο pap. 7. ϋμων pap. ϊω[ pap. 9. ϋμων pap.

… die Briefe der … ich habe den … gesendet … und da … nicht ausreichte (?) … damit er/sie nicht Ärger bekommt … denjenigen, der das machen kann (?). Und mit Hilfe Gottes … der (vorher) erwähnte Mönch … Eurem Befehl zufolge werde ich an Johannes (?) … schreiben … Grund (?) … so etwas auszuführen … Und vor allen Dingen verehre und küsse ich Eure Magnifizenz im Herrn “.

Verso: „ An den … comes Menas, vir magnificentissimus, [ Name des Absenders ]“.

1 [ ± 15 τ]ὰ̣ γράμματα τῆς [± 17]ọσ[± 8]: Zur Ergänzung des Staurogramms vgl. das Ende des Briefes (Z. 9). Ein einfaches Kreuz wäre freilich nicht auszuschließen. Danach gab es möglicherweise die finite Form eines Verbs im Aorist wie etwa ἐδεξάμην oder ein Partizip wie δεξάμενος; vgl. entsprechend P.Berl.Zill. 13, 1: † ἐδεξάμην [τὰ] γράμματα τῆς σ[ῆς πατρικῆς] διαθέσεως κτλ. und P.Berl.Sarisch. 14, 1 mit BL XI 41: † δεξάμενο[ι] τὰ γράμματα τῆς ὑμετέρα[ς - - -] (beide Texte 6. Jh. n. Chr.). Nach τῆς stand zweifelsohne das Pränomen σῆς oder ὑμετέρας, wie die soeben erwähnten Beispiele zeigen. Danach gab es wohl ein abstraktes Ehrenprädikat im Genitiv; vgl. P.Ant. II 94, 1 (6. Jh. n. Chr.): † τὰ γράμματα τῆς ὑμετέρας π̣εριβλέπ̣τ̣ο̣υ̣ δεσποτείας ἐδε̣ξά̣μ̣η̣ν κτλ. und P.Laur. II 46, 1 (6./7. Jh. n. Chr.): † τὰ γράμματα τῆς ὑμετέρας λαμπρᾶς φιλίας ἐδεξάμην κτλ. Sollte das danach stehende ]ọσ[ zur Endung dieses abstrakten Substantivs gehören, dann kämen für die Ergänzung Substantive in Betracht wie z.B. ὁσιότητος (SB XX 14118, 1–2 [6./7. Jh. n. Chr.]: κατὰ τὴν χθὲς ἐνεχθέντα τὰ γράμματα τῆς ὑμετέρας πατρικῆς | ὁσιότητος κτλ.), ἀδελφότητος (P.Cair.Masp. I 67075, 1 [6. Jh. n. Chr.]: τὰ γράμματα τῆς ὑμῶν ἀδελφότητος ἐδεξάμ[ην - - -]), θαυμασιότητος (vgl. P.Athen.Xyla 16, 3 [Mitte 5. Jh. n. Chr.; siehe BL X 252]: δεξάμενος τὰ γράμματα τῆς σῆς θαυμασιότ[ητος - - -]) usw. Weniger wahrscheinlich erscheint dagegen μεγαλοπρεπείας, das sich auf den Adressaten beziehen würde; vgl. aber Parallelen wie P.Oxy. XXXIV 2732, 2–3 (6. Jh. n. Chr.?): τὰ γράμματα τῆς | ὑμετέρας μεγαλοπρεπίας π[α]ρεσχόμην τῷ τριβούνῳ Ἀφθονίῳ κτλ. Dagegen sprechen jedoch die Buchstaben ]ο̣σ[, die mit einer solchen Rekonstruktion nicht vereinbar wären.

2 τὸν ὀφει[λο- ± 15]: Hier ist allem Anschein nach τὸν ὀφεί[λοντα oder τὸν ὀφει[λόμενον zu ergänzen, wobei die erste Möglichkeit wahrscheinlicher scheint. Bei ὀφεί[λοντα wäre von einer Person oder einem Gegenstand die Rede, die bzw. der geschickt werden sollte. Bei ὀφει[λόμενον wäre eher mit der Zusendung eines geschuldeten Objektes bzw. Produktes (etwa Getreide) oder von geschuldetem Pachtzins zu rechnen. Für die Rekon­struktion τὸν ὀφεί[λοντα vgl. folgende Beispiele (das Partizip steht für eine Person): P.Oxy. XVI 1930, 3–4 (6. Jh. n. Chr.): θελήσατε οὖν, ἐὰν ἐπλήρωσεν τὴν | [ἀ]μοιβὴν αὐτοῦ, πέμψαι τὸν ὀφείλοντα ἀντʼ αὐτοῦ κτλ.; P.Münch. I 6, 13–14 (583 n. Chr.): εἰ ἀποστείλῃ τινὰ | τὸν ὀφείλοντα τὰ πράγματα ἀποσπάσαι ἐκ τῆς αὐτοῦ μητρός. Für die Rekonstruktion τὸν ὀφει[λόμενον im Kontext einer Zusendung vgl. den allerdings ergänzten P.Cair.Masp. III 67292, 2 (6. Jh. n. Chr.): κα̣[ὶ σ]υνέταξ̣α̣ ̣ ̣ ̣ ε[ἰσ]π̣[έ]μ̣ψαι τὸν̣ ὀφειλ[όμενον - - -].

3 κ̣α̣ί̣: Zur Schreibweise vgl. dasselbe Wort in Z. 5, das allerdings dort etwas gedehnter ge­schrieben wurde.

oὐκ ἔφθασεν π̣[± 8]: Der Ausdruck ἔφθασεν begegnet in den Papyri sowohl in wörtlichem als auch in metaphorischem Sinne; zur ersteren Kategorie („wohin kommen“) siehe P.Rain.Cent. 74, 2–4 (5. Jh. n. Chr.): ἀ̣ρ̣τ[ί]ως μεμαθήκαμεν ἐνταῦθα ὡς ὅτι ἔφθασεν τὰ αὐτόθι ὁ μεγαλοπρεπέστατος Ἰωάννης ὁ ἐπίκλην Ψιχελατος. Zur metaphorischen Verwendung (im Sinne von „zuvorkommen“, „ausreichen“, „sich erstrecken“ usw.) vgl. z.B. CPR XXX 29, 5 mit Komm. zur Stelle (ca. 643/644 n. Chr.): ἐὰν ο̣ὐ̣κ ἔφθασεν ἡ προθε̣σμία („wenn die Frist nicht ausgelaufen ist“). Welche der beiden Bedeutungen hier zutreffend ist, läßt sich wegen des fehlenden Kontextes unserer Stelle nicht mit Sicherheit entscheiden.

4 ]ουρόν: Es handelt sich wohl um die Akkusativendung eines Substantivs. Für die Rekonstruktion des Passus kommen mehrere Wörter in Betracht. Die wahrscheinlichsten Kandidaten sind die Berufsbezeichnungen κηπουρός (Gärtner), θυρουρός (Türsteher, Tor­wächter; parallele Form zu θυρωρός), (ἀρχι)φρουρός ([Ober-]Wächter). Zu κηπουρός vgl. z.B. P.Amh. II 149, 4–5 (6. Jh. n. Chr.): Αὐρήλιος Ἀνοὺπ υἱὸς Πετρωνίου μητρὸς Μαξίμας φροντιστὴς | κηπουρὸς ἀπὸ ἐποικίου Νήσου Λαχανίας κτλ. sowie die umfangreiche Liste mit Belegen in CPR XIII, S. 114–117. Zu θυρουρός vgl. z.B. P.Flor. III 295, 10 (6. Jh. n. Chr.): ἔπλ[η]ξ̣αν καὶ τὸν α[ὐτο]ῦ θυρουρ[ὸ]ν̣ εἰς θάνατον κτλ. sowie den Aufsatz von H. Harrauer, Θυρουρός, Aegyptus 86 (2006 [2008]) 143–154 mit allen bis dahin bekannten Belegen. Zu φρουρός vgl. z.B. BGU XIX 2772, 2 (4. Jh. n. Chr.): τὸν φρουρὸν τῆς ῥιπαρίας κτλ. und zu ἀρχιφρουρός z.B. PSI VIII 938, 5–6 (6. Jh. n. Chr.): ἐπεὶ θεὸς οἶδεν πέμπω τὸν ἀρχίφρουρον | ἀπαιτοῦντα αὐτοὺς μετὰ δαπάνης (zu beiden Begriffen vgl. auch G. Rouillard, L’administration civile de l’Égypte byzantine, Paris 21928, 45–46). Andere Wörter, die zwar weniger wahrscheinlich sind, aber ebenfalls in Betracht kommen, sind Substantive und Adjektive auf
-οῦρος, -ον, wie νεόκουρ(ον) (sc. πρόβατον) (vgl. P.Cair.Masp. II 67141, Fol. VII Recto 16: (καὶ?) νεόκουρ(ον) ἀρ(σενικὸν) πρό(βατον) α κτλ.). Nicht auszuschließen ist auch, daß hier ein Personenname, wie z.B. der ägyptische Name Ψοῦρος, stand; vgl. etwa SPP XX 113, 4–6 mit BL II 164 (401 n. Chr.).

ἵνα μὴ εὑρεθῇ ὑπὸ ἀγανάκ[τησιν ± 4]: Die engste Parallele für die vorliegende Periphrase liefert P.Cair.Masp. III 67290, 10–12 (vor 547 n. Chr.): οὐδὲν γὰρ] | ἀνέχομαι τῷ κυρίῳ Εὐδοξίῳ περὶ τούτου, ἀλλὰ πάντως τὰ γε̣[γραμμέ(να)] | ποίησον, ἵνα μὴ εὑρεθῇς τὴν ἐκείνου ἀγανάκτησιν ὑπομ̣έν[ων κτλ.]. Das 6. Jh. ist die Zeit, in der nicht nur diese Parallele, sondern alle uns bekannten Wendungen mit dem Substantiv ἀγανάκτησις bezeugt sind, was ein zusätzliches starkes Indiz für die oben aufgrund paläographischer Beobachtungen vorgeschlagene Datierung unseres Textes in dieses Jahrhundert darstellt. Die Belege für die anderen Wendungen mit ἀγανάκτησις: P.Cair.Masp. II 67202, 2–3 (6. Jh. n. Chr.): οὐκ ὀλίγην ἀγα[νά]κτησιν ἐποίησ[α]ν̣ πε̣ρ̣ὶ̣ τ̣ῆ̣[ς γυναικὸς (?) τῆς] | ἀσφαλισθείσης κτλ.; P.Cair.Masp. III 67322, 4–5 (6. Jh. n. Chr.): καὶ τὴν [ἀ]γ̣[α]νάκ[τη]σ̣ιν σκ̣ε̣[υάζει] | ἥνπερ ὡς ὁ Θεὸς οἶδεν ὀκνῶ πιστεῦσαι; P.Michael. 32, 5 (byz. Zeit): [- - -]δη μεγάλη ἀγανάκτησις γέγονεν κτλ.; P.Rain.Cent. 81, 8–9 (6./7. Jh. n. Chr.) mit interessantem Kommentar zur Wendung an der Stelle: ὡς ἐντεῦθεν εἰς ἀγανάκτη[σιν] | γίνεσθαι κατὰ τῆς τάξεως τὴν ὑμετέραν μεγαλοπρέπ[ε]ι̣[αν] κτλ. Im Allgemeinen zur vorliegenden syntaktischen Konstruktion ἵνα μὴ εὑρεθῇ ὑπό + Substantiv im Akk. sei auf A. Papathomas, Lexikographische Delenda im Geschäftsbrief SB VI 9608 und Erstedition der Versoseite, Tyche 10 (1995) 155–159 (bes. 156–157) verwiesen, wo der Ausdruck εὑρίσκομαι ὑπὸ μέμψιν anhand papyrologischer und literarischer Belege kommentiert wird.

5 Zwischen [- - -]δ̣ύναντα und καί hat der Schreiber einen leeren Raum gelassen. Solche Spatien sind oft als eine Art Interpunktion zu verstehen und machen wahrscheinlich, daß der Schreiber die Wörter als zu zwei verschiedenen Sätzen gehörig verstanden hat.

[- - -]δ̣ύναντα: Die Form mutet eigenartig an. Auf den ersten Blick denkt man, daß es sich dabei um eine partizipiale Form des eher seltenen Verbs δύνω bzw. δύω bzw. eines seiner Komposita handelt. Zu diesem Verb in den Papyri siehe F. Th. Gignac, A Grammar of the Greek Papyri of the Roman and Byzantine Periods II: Morphology (Testi e documenti per lo studio dell’antichità 55), Milano 1981, 279. Das Verb ist auch bei den literarischen Autoren von der römischen bis in die spätbyzantinische Zeit bezeugt. Hier seien nur einige Beispiele für die vorliegende Form bei Autoren der ersten nachchristlichen Jahrhunderte bis in die Abfassungszeit unseres Textes genannt; Paus. 2, 11, 7: τούτοις ἀγάλματά ἐστι — τῷ μὲν ὡς ἥρωι μετὰ ἥλιον δύναντα ἐναγίζουσιν, Εὐαμερίωνι δὲ ὡς θεῷ θύουσιν; Iust. Mart. dial. 132, 1: ὡς καὶ τὸν ἥλιον θεάσασθαι ὑμᾶς προστάξει τοῦ ἀνδρὸς ἐκείνου τοῦ ἐπονομασθέντος τῷ Ἰησοῦ ὀνόματι σταθέντα ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ μὴ δύναντα μέχρις ὡρῶν τριάκοντα ἕξ; Apocalypsis apocrypha Joannis (versio tertia), pag. 317: οἶμοι, οἶμοι! ὅτι ἀφῆκα φῶς δύναντα καὶ ἀπέρχομαι εἰς σκότος κτλ.; Romanus Melodus, Hymn. 24, 13: τὴν ἔρημον ὁρῶ καὶ τὸν ἥλιον δύναντα und ders., Hymn. 40, 1: Τὸν πρὸ ἡλίου ἥλιον δύναντά ποτε ἐν τάφῳ. Uns scheint allerdings die Möglichkeit wahrscheinlicher, daß wir hier nicht das Verb δύ(ν)ω, sondern eine aktivisch gebildete Form des Verbs δύναμαι vor uns haben (δύναντα anstelle von δυνάμενον). Dieses Phänomen ist sehr selten, aber in den literarischen Werken der ersten nachchristlichen Jahrhunderte ebenfalls bezeugt; vgl. aus der frühen Kaiserzeit Dion. Per. 2, 9: ἐντεῦθεν οὖν οἱ μὲν λοιποὶ πάντες ὄρνεις ἐς τὸ ὕδωρ δύναντες θηρεύουσι τοὺς ἰχθύας, οἱ δ’ ἐρῳδιοὶ τοῦ νήχεσθαι στερηθέντες ἐπὶ τοῖς αἰγιαλοῖς ἑστῶτες ἀγρεύουσι κτλ. und aus der Spätantike Procl. in Prm. 794: ἡ μὲν γὰρ φύσις δύνασα κατὰ τῶν σωμάτων οὕτως ἐν αὐτοῖς ποιεῖ οἷον εἰ τὸν τεχνίτην νοήσειας δύναντα κατὰ τῶν ξύλων, καὶ ἔνδοθεν αὐτὰ κοιλαίνοντα, εὐθύνοντα, τετραίνοντα, σχηματίζοντα.

6 ποι ̣[ : Der letzte Buchstabe vor der Lücke scheint ein ω zu sein. Sollte es sich um das Verb ποιέω handeln, dann würde man an ποιῶ̣[ν denken.

[1–2]: Sollte der Schreiber am Ende der Zeile einen großzügigeren Freirand gelassen haben, wie etwa in Z. 7 und 9, dann könnte dieser Platz unbeschriftet geblieben sein.

7 [± 13 κ]α̣τ̣[ὰ] τὴν κέλευσιν ὑμῶν Ἰω̣[άννῃ (?) ± 6]γ̣ρ̣άψω: Zum Ausdruck κατὰ τὴν κέλευσιν vgl. SB XVI 12554, 9–10 (5./6. Jh. n. Chr.): κατὰ τὴν κέλευσιν ἡμῶν (l. ὑμῶν) τὰς ἑκατὸν | ⟦πεντήκοντα⟧ διπλᾶ τῇ ἀρούρᾳ κτλ.; SB XVIII 13633, 1–2 (6. Jh. n. Chr.): † διʼ ἐμοῦ Ἀγάθωνος γραμμα(τέως) ἔγρ(αψα) κατὰ τὴν κέλευσιν τοῦ | ἐνδοξ(οτάτου) Βαραχια βασιλείσκος (l. -ίσκος) †; PSI III 238, 7–9 (6./7. Jh. n. Chr.): καὶ ποιήσατε τὸν | περίβλ(επτον) κόμετα Μηνᾶν μαθεῖν ὅτι κατὰ τὴν κέλευσιν αὐτοῦ δέδωκα τὰ τρία | ὁλοκόττινα εὔσταθμα Ζηνοβίῳ τῷ βελοποιῷ κτλ.; P.Grenf. II 96, 2–4 (6./7. Jh. n. Chr.): ἐδεξάμην παρ[ὰ σοῦ] | κατὰ κέλευσιν τῆς ἐμῆς δεσποίνης σίτου ἀρτάβ[ας] | τριάκοντα ξηροῦ κτλ.; P.Ross.Georg. III 54, 1 (7. Jh. n. Chr.?): † Κα(τὰ) τ(ὴν) κ(έ)λ(ευσιν) τῆς κυρ(ίας) Γαβριλίας. Man könnte auch δ̣[ιά] anstelle von κ]α̣τ̣[ά] erwägen, was aber paläographisch und platzmäßig weniger wahrscheinlich erscheint.

8 (?) α]ἰτία: Es ist nicht klar, ob das Wort als Nominativ (α]ἰτία) oder Dativ (α]ἰτίᾳ) zu verstehen ist. Da unser Schreiber keine Fehler macht, scheint eine Rekonstruktion des Passus δι᾿ ἣν α]ἰτία<ν> τοιοῦτό τι διαπράξασ[ („aus welchem Grund er/sie das getan hat“), obwohl inhaltlich attraktiv, weniger wahrscheinlich.

τοιοῦτό τι διαπράξασ[- - -]: Der Ausdruck τοιοῦτό τι διαπράττομαι begegnet bereits im Zenon-Archiv, wird aber anscheinend erst acht bzw. neun Jahrhunderte später, nämlich zur Abfassungszeit unseres Textes, richtig beliebt. Die Belege: P.Cair.Zen. III 59482, 13–15 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): ἐάν̣ τι̣ ἡμᾶς λάβηις τοιοῦτό τι | διαπραττομένους, οὐ παραιτού|μεθα; P.Oxy. XVI 1854, 6 (6./7. Jh. n. Chr.): οὐδὲ γὰρ θέλω σε τοι[ο]ῦτό τί π̣[ο]τε̣ διαπράξασθαι; SB VI 8988, 84 (647 n. Chr.): ἐφʼ ᾧ πάντα τὸν τοιοῦτό τι διαπράξασθαι τολμήσοντα κτλ.; P.Lond. I 77, 51 (S. 231ff.) (8. Jh. n. Chr.): ἐφʼ ᾧ αὐτὸν τὸν τοιοῦτό τι διαπραττόμενον πώποτε καιρῷ κτλ. Wie διαπράξασ[ zu ergänzen ist, bleibt wegen des fehlenden Kontextes ungewiß. Am ehesten würde man an διαπράξας [oder διαπράξασ[θαι denken. Bei διαπράξας sollte danach ein kleines Wort wie z.B. ποτε (vgl. den eben zitierten P.Oxy. XVI 1854, 6) stehen, wobei theoretisch auch die Möglichkeit einer periphrastischen Konstruktion nicht auszuschließen wäre (hierzu siehe etwa G. Björck, ΗΝ ΔΙΔΑΣΚΩΝ: Die Periphrastischen Konstruktionen im Griechischen [Skrifter utgivna av K. Humanistiska Vetenskaps-Samfundet i Uppsala 32.2], Uppsala 1940). Bei διαπράξασ[θαι wäre wohl keine weitere Ergänzung notwendig.

8–9 πρ]ό τε πάντων | [προσκυνῶ (?) καὶ ἀ]σπάζομαι τὴν ὑμῶν μεγαλοπρέπειαν: Der Ausdruck πρό τε πάντων ist relativ selten in den griechischen Briefen dieser Zeit. Soweit wir sehen, kommt er nur in SB VI 9138, 6–7 (Ende 6. Jh. n. Chr.) vor: θελήσῃ οὖν ἡ σὴ ἀρετὴ κἂν ἐπὶ τοῦ παρόντος δηλῶσέ (l. δηλῶσαι) μοι πρό τε πάντω(ν) | περὶ τῆς σῆς ὑγίας καὶ πάντων τῶν ὑμῖν διαφερόντων κτλ. In der Mehrheit der Belege kommt stattdessen πρὸ μὲν πάντων vor (zu Beispielen siehe gleich unten). Was den fehlenden Teil der Z. 9 betrifft, scheint uns die Rekonstruktion [προσκυνῶ (?) καὶ ἀ]σπάζομαι sehr attraktiv, zum einen weil sie ideal zur mutmaßlichen Länge des links fehlenden Platzes paßt (siehe oben Einleitung), zum anderen weil sie zu dieser Zeit sehr gut bezeugt ist; aus den vielen Beispielen nennen wir hier nur diejenigen, in denen das Objekt ähnlich wie hier ein abstraktes Prädikat ist: SB XVI 12473, 2 (6./7. Jh. n. Chr.): [† πρὸ μὲν πάντων προσ]κυνῶ καὶ ἀσπάζομαι τὴν σὴν ἀδελφότητα κτλ.; SB XVI 12474, 1 (6./7. Jh. n. Chr.): [† πρὸ μὲν πάντων προσ]κ̣υνῶ καὶ ἀσπάζομαι τὴν ὑμετέραν ποθινὴν δεσποτείαν κτλ.; P.Oxy. XVI 1862, 1–4 (7. Jh. n. Chr.): † | † πρὸ μὲν πάντων προσκ[υνῶ] | ὑμᾶς καὶ ἀσπάζομε (l. ἀσπάζομαι) τὴ[ν ὑμῶν] | θεοφύλακτον δεσποτί[α]ν; P.Oxy. XVI 1863, 1–4 (7. Jh. n. Chr.): † | † πρὸ μὲν πάντων πλῖστα προσκυνῶ | καὶ ἀσπάζομαι τὴν ὑμετέραν ἐνδοξ(οτάτην) | φιλίαν. Sehr selten steht προσκυνῶ nach ἀσπάζομαι (vgl. PSI I 49, 5 [6. Jh. n. Chr.]: ἀσπάζομαι δὲ πρὸ πάντων καὶ προσκυνῶ τὸν ὑμέτερον μέγεθον †), in der großen Mehrheit der Belege ist aber die Reihenfolge der Verben dieselbe wie in unserem Text. Selten begegnet vor προσκυνῶ auch ein weiteres Verb, etwa γράφω; vgl. etwa P.Vind.Worp. 14, 1 (6./7. Jh. n. Chr.): πρὸ μὲν πάντων γράφω, προσκυνῶ καὶ ἀσπάζομαι τὴν ὑμετέραν γνησίαν ἀδελφ(ότητα). Eine solche Rekonstruktion wäre aber hier aus Platzgründen eher unwahrscheinlich.

: Zum Staurogramm („croce monogrammatica“) siehe M. Naldini, Il Cristianesimo in Egitto. Lettere private nei papiri dei secoli II–IV. Nuova edizione ampliata e aggiornata, Fiesole 21998, 23–27.

10 [ Tῷ - - - μεγαλoπρεπεστάτ(?)]ῳ κόμ(ετι) Μηνᾷ: Anstelle von Staurogrammen (vgl. Z. 9) wären in dieser Zeile auch einfache Kreuze denkbar. Die Ergänzung des Ehrenprädikats μεγαλοπρεπέστατος ergibt sich aus μεγαλοπρέπειαν in Z. 9. Die Frage ist nur, ob μεγαλoπρεπεστάτ]ῳ unmittelbar vor κόμ(ετι) oder der Dativ eines anderen Adjektivs zwischen den beiden Wörtern stand. Im ersten Fall wäre die vorgeschlagene Rekonstruktion korrekt. Sollte wiederum zwischen μεγαλoπρεπεστάτ]ῳ und κόμ(ετι) ein anderes Wort gestanden sein, dann wäre dies am ehesten ein Wort wie etwa ἀνδρειοτάτῳ (P.Ross.Georg. V 30, 11 [ca. 449–450 oder ca. 464–465 n. Chr.]); ἐναρέτῳ (W.Chr. 23, 2 [1. Hälfte 5. Jh. n. Chr.]); ἐνδοξοτάτῳ (P.Oxy. LXVIII 4701, 3–4 [ca. 505 n. Chr.?]) oder περιβλέπτῳ (P.Oxy. I 140, 4 [ca. 550 n. Chr.]). In selteneren Fällen kann zwischen den beiden Wörtern ein ganzer Satz stehen, vgl. z.B. P.Oxy. XVI 1856 Verso 1 (6./7. Jh. n. Chr.): † δεσπό(τῃ) ἐμῷ τὰ πά(ντα) μεγαλοπρε(πεστάτῳ) π̣ά̣(σης) τ̣ι̣μ̣(ῆς) (καὶ) π̣ρ(οσ)κ̣(υνήσεως) ἀξ(ίῳ) γνη(σίῳ) ἀδελφῷ Γεωργίῳ κόμ(ε)τ(ι) (καὶ) διοικ(ητῇ) † Χριστοφόρος. Die Platzverhältnisse des Papyrus würden allerdings eine so lange Ergänzung kaum zulassen.

Da viele Personen namens Menas, welche die comitiva führten, bezeugt sind, ist eine Identifizierung unseres Menas nicht möglich. Hier genügt es, einige Beispiele aus der Abfassungszeit unseres Textes und aus den Gauen, die als Herkunftsorte unseres Textes in Frage kommen, zu erwähnen. Aus dem Arsinoites vgl. etwa P.Prag. I 91, 1 (6. Jh. n. Chr.): τῷ μεγαλοπ[ρ]ε(πεστάτῳ) κόμε(τι) Μην[ᾷ] κτλ.; SPP X 149, 4 (Pros. Ars. 3553; 6. Jh. n. Chr.): δ(ιὰ) Μηνᾶ κόμετος; SB XXIV 16222, 10 (nach 603 n. Chr.): ἀπέδωσα δὲ καὶ τὰ γράμματα τοῦ κόμητος Μηνᾶ κτλ. und aus dem Hermopolites etwa SPP VIII 1172, 3 (6. Jh. n. Chr.): τοῦ κόμ(ετος) Μηνᾶ (ὑπὲρ) δημοσ[ίων - - -]; P.Ross.Georg. III 18, 1 (6./7. Jh. n. Chr.): † ἀποδωθήτω ἐμῷ δ̣ε̣σ̣π̣[ό(τῃ)] Μηνᾷ κόμητι κτλ.; SPP XX 257, 1 (6./7. Jh. n. Chr.): [†] Μηνᾶ κόμ(ετος) (ὑπὲρ) προσθήκ(ης); P.Ross.Georg. III 49, 7 (ca. 604/5 n. Chr.): ἧς γείτο̣ν̣ε̣[ς νότ]ου γῄδια τοῦ μεγ̣αλ̣οπ[ρ]ε(πεστάτου) κ̣όμετος Μηνᾶ κτλ.; CPR IX 70, 1 (7. Jh. n. Chr.): [2–3] κόμ(ετος) Μηνᾶ. Für koptische Belege zu Personen namens comes Menas aus den für unseren Text in Frage kommenden Gauen sei auf P.Ross.Georg. III 18, Komm. zu Z. 13 verwiesen.

 

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Tafel 10

Tafel 11