Kaja Harter-Uibopuu


Bestandsklauseln und Abänderungsverbote
Der Schutz zweckgebundener Gelder
in der späthellenistischen und kaiserzeitlichen Polis



Grundsätzlich war es jederzeit möglich, einen Beschluss einer Volksversammlung, des Rates oder anderer Gremien rechtmäßig durch einen anderen Beschluss außer Kraft zu setzen oder abzuändern. Da diese Möglichkeit in manchen Fällen den Wünschen des ursprünglichen Antragstellers oder den Bestimmungen der Dekrete entgegenstehen konnte, versuchte man auf verschiedene Art und Weise, eine Abän­derung von städtischen Beschlüssen auszuschließen. [1] Dazu konnte zunächst die Geltungsdauer eines Dekrets in einer einfachen Bestandsklausel bestimmt werden. Rhodes erläutert diese Vorgehensweise zunächst vorwiegend anhand völkerrecht­licher Verträge, die auf ewige Zeiten abgeschlossen werden sollten und nicht bloß begrenzte Geltungsdauer hatten. Als Beispiele für einfache Dekrete, die in der gleichen Art und Weise in ihrem Bestand gesichert werden sollten, nennt er dann unter anderem das Mysteriengesetz von Andania, IG V 1, 1390, in dem es am Ende des Texts heißt: τὸ δὲ διάγραμμα κύριον ἔστω εἰς πάντα τὸν χρόνον (Z.192–194).[2] Allerdings bestand bereits in der Antike an der Effizienz derartiger Bestimmungen berechtigter Zweifel. Deutlichere Formulierungen finden sich daher bereits seit dem Ende des 6. Jh. v. Chr. in Klauseln, die jedermann unter Androhung von Strafen ver­bieten, auf welche Art auch immer eine Abänderung des entsprechenden Beschlusses herbeizuführen. [3] Die ausführlichste Auseinandersetzung mit den außerattischen Abänderungsverboten bietet Rubinstein, die im Rahmen ihrer Untersuchungen zum Prozessrecht griechischer Poleis ein Dossier von 80 derartigen Klauseln aus klassi­scher und hellenistischer Zeit (bis in das 2. Jh. v. Chr.) zusammenstellt und sie in fünf Gruppen unterteilt. [4] Sie unterscheidet zwischen dem Schutz eines Beschlusses vor Abänderung jeglicher Art oder physischer Zerstörung, dem Schutz vor unzulässiger Verwendung zweckgebundener Gelder und Sicherung der Verwaltung von Stiftungen gemäß den Wünschen der Stifter, dem Schutz vor Abänderung von Verträgen zwi­schen der Gemeinschaft und Privatpersonen, dem Schutz von Ehren, die einem Einzelnen oder einer Gruppe verliehen wurden, und dem Schutz einmal gefällter Urteile durch das Verbot eines Gnadenaktes oder der Rückgabe konfiszierter Güter. Für alle fünf Kategorien finden sich auch im 1. Jh. v. Chr. sowie in der Kaiserzeit Beispiele. Für den vorliegenden Beitrag werde ich mich aber auf die zweite Kategorie, den Schutz zweckgebundener Gelder in der städtischen Finanzverwaltung, konzentrieren.[5]

Wenn auch für die hellenistischen und kaiserzeitlichen Städte kein detaillierter Haushaltsplan oder Budgetvoranschlag nachgewiesen werden kann, zeigen die erhal­tenen Quellen doch deutlich, dass die Verwendung von Geldern aus den städtischen Kassen oftmals an einen bestimmten Zweck gebunden war. [6] Grundsätzlich hatten die höchsten Amtsträger der Stadt ebenso wie natürlich auch die obersten Gremien die Möglichkeit, über die Verwendung der städtischen Einnahmen oder die Aufteilung der Ausgaben Beschlüsse einzubringen oder zu fassen. Allerdings waren auch sie durch Ge- und Verbote in ihren Handlungen beschränkt. [7]

Im Folgenden werden daher Klauseln vorgestellt und erläutert, die eine Abän­derung des ursprünglichen Verwendungszwecks einer bestimmten Geldsumme oder regelmäßiger Einnahmen verhindern sollten. Dabei werden zwei Gruppen unter­schieden: Texte, die sich auf die städtischen Finanzen ohne einen Zusammenhang mit einer Stiftung beziehen (I.), und Texte, die Stiftungsurkunden oder -dekreten entnommen sind (II.). Im Anschluss sollen die Strafklauseln aus beiden Gruppen gemeinsam analysiert werden (III.).


I. Städtische Finanzen

Ein Beispiel für die erste Gruppe findet sich in dem Dekret zur Einrichtung eines Fonds (παρακαταθήκη) zur Finanzierung des Kultes der Athena Lindia und des Zeus Polieus aus Lindos, das in das Jahr 22 n. Chr. datiert wird.[8] Im Referat des Antrages wird darüber berichtet, dass finanzielle Schwierigkeiten in der Stadt, namentlich der Ausfall verschiedener Einnahmen, die reguläre Ausübung des wichtigen Kultes be­drohten (Z.5–11). Möglicherweise waren Gelder, die dem Kult zur Verfügung stehen sollten, für andere Zwecke eingesetzt worden oder Unzulänglichkeiten verschiedener Amtsträger hatten zu der beinahe ausweglosen Situation geführt. [9] Um für die Zukunft Vorsorge zu treffen, entschieden sich die Lindier zu einem radikalen Schnitt, dessen Umsetzung einer Kommission von fünf Männern anvertraut wurde (Z.18–21).[10] Das verbliebene Kapital sollte in einen neu zu gründenden Fonds übertragen werden (Z.11–18), dem auch aus anderen Quellen Einnahmen zugeführt wurden. So wurde etwa Bronze und Eisen aus dem nakoreion zu Gunsten des neuen Fonds verkauft (Z.21–30). Auch das Recht auf Setzung einer Inschrift auf alten Statuen, eine Praxis, die Dio Chrysostomus den Rhodiern später vorwerfen wird, konnte verkauft werden und den neuen Fonds füllen (Z.21–30). [11] Neben den verschiedenen Möglichkeiten, die παρακαταθήκη zu unterstützen, werden auch Maßnahmen zur dauernden Bewah­rung des Fonds gesetzt (Z.92–131). Dabei wurde zunächst die tatsächliche Übergabe des Geldes durch den Priester der Athena an seinen Nachfolger geregelt. Diese erfolgte vor den mastroi und den epistatai unter Anwesenheit des — wohl gemein­samen — grammateus der beiden Ämterkollegien (Z.94–102).[12] Wenn somit auch die Gefahr der Unterschlagung von Geldern durch die Priester gebannt zu sein schien, musste doch der neu geschaffene Fonds auch in seiner Struktur und seinem Bestand gegen Abänderung oder Abschaffung gesichert werden. Dazu wurde Folgendes ver­fügt:


Niemandem soll es zustehen, weder einem Amtsträger noch einem Privatmann, einen Antrag zu stellen oder auf die Tagesordnung zu setzen oder eine Beschlussvorlage vor­zulegen, (derart) dass es notwendig sei, dieses Geld anders zu verwenden oder die Ein­künfte der Göttin aufzulösen. (Wer es aber doch tut) soll zugrunde gehen und auch sein Geschlecht soll verflucht sein. Er soll asebes gegenüber der Göttin sein und 10.000 Drachmen, der Göttin geweiht, schulden. Auf die gleiche Weise soll einer den Strafen, die jeweils angeordnet sind, verfallen, wenn er etwas von dem nicht ausführt, was in diesem Beschluss festgelegt ist. Jeder, der dies will, soll gegen ein Drittel Anzeige bei den logistai erstatten.

Die beiden Klauseln Z.119–126 und Z.126–129 erfassen zwei verschiedene Tat­bestände und stellen diese unter Strafe. Im ersten Teil liegt ein echtes Abänderungs­verbot vor, das verschiedene — an sich legale — Versuche unter Strafe stellt, das vorliegende Dekret in seiner Geltung zu beeinträchtigen. Im zweiten Teil wird die ungenügende Ausführung der einzelnen Vorschriften des Dekrets angesprochen.[13] Die Strafe ist zunächst für das Abänderungsverbot definiert: Verfluchung, Erklärung zum asebes und 10.000 Drachmen an die Kasse der Göttin werden angedroht. Für die strafbare Vernachlässigung der Durchführung der Vorschriften erhalten dann die gleichen Vorschriften im Wege des Verweises Gültigkeit. Auch die prozessuale Durchführung war für beide Tatbestände identisch: Alle Lindier waren dazu aufge­fordert, die Einhaltung der Vorschriften der παρακαταθήκη zu überwachen und im Falle eines Verstoßes eine Anzeige bei den logistai zu erstatten. [14]

Das Abänderungsverbot richtet sich an alle Lindier, seien sie Amtsträger oder Privatpersonen, und entspricht damit dem einzigen anderen erhaltenen Abänderungs­verbot aus Rhodos, das sich am Ende des Ehrendekrets der Haliadai und Haliastai für Dionysodoros aus dem 2. Jh. v. Chr. findet :[15]

Dieser Beschluss soll auf alle Zeiten gültig sein, und es sei nicht erlaubt, weder einem Amtsträger, noch einem Privatmann, einen Antrag auf Abänderung zu stellen oder eine Beschlussvorlage zu verfassen, noch den Amtsträgern, ihn auf die Tagesordnung zu setzen, dahingehend, dass die Ehren, die dem Dionysodoros zuerkannt wurden, außer Kraft gesetzt würden. Widrigenfalls soll derjenige, der den Antrag stellt, oder derjenige, der die Tagesordnung erstellt, die vorgeschrieben Strafe von 100 Drachmen zahlen, und sein Antrag soll ungültig sein und er soll schuldig sein gemäß dem nomos akinetos .[16]

Der Beschluss des Koinon, das in seiner Struktur deutlich die polis imitiert, enthält nach der einleitenden Bestandsklausel in Z.95 ein Verbot gegen jeden Versuch, einen neuen Beschluss in der vorliegenden Angelegenheit einzubringen. Interessant ist der Vergleich zwischen diesem Dekret eines Koinon und dem staatlichen Beschluss aus Lindos: Sowohl in Rhodos als auch in Lindos werden drei Stufen der möglichen Ein­leitung eines derartigen Beschlusses dezidiert untersagt: εἰπεῖν in I.Lindos 419 bezeichnet die Antragstellung und ist in dieser Verwendung aus rhodischen Dekreten gut bekannt. [17] Im Dekret der Haliadai findet sich in Z.98 κινεῖν, das die Antrag­stellung bezeichnet. Der für die nächste Stufe verwendete Begriff γνώμαν γράψασθαι (Z.98), „eine Beschlussvorlage (schriftlich) einreichen“, entspricht dem γνώμαν προφέρειν aus Lindos (Z.121). Nicht zuletzt wird man in συγγράψαι aus der lindischen Inschrift eine Parallele zu προτιθέμειν sehen können, beide Begriffe um­schreiben wohl die Tätigkeit der Vorsitzenden der Versammlung, die die Tagesord­nung vorlegen und durch Annahme oder Ablehnung der eingereichten Vorschläge erst eine Behandlung und Abstimmung ermöglichen.[18] Beiden Abänderungsverboten ist gemeinsam, dass der genaue Inhalt des Verbotes in einem Nachsatz erläutert wird, der klar legt, welche Art von Anträgen verboten wird.

Während das Dekret der Haliadai als Strafe eine Geldbuße von 100 Drachmen vorsieht, die Beschlussvorlage für ungültig erklärt und — möglicherweise kumulativ — eine Anklage nach dem νόμος ἀκίνητος möglich macht, sind die drohenden Strafen bei Abänderung der Bestimmungen zur parakatatheke der Athena Lindia strenger. Neben einer Verfluchung des Übeltäters und seiner Familie ist zunächst ein Aus­schluss aus der Kultgemeinschaft vorgesehen.[19] Hinzu kommt eine empfindliche Geldstrafe: 10.000 Drachmen sollen der Athena geweiht werden und kämen damit der ursprünglich geschädigten parakatatheke zugute. Die Höhe dieser Geldstrafe reflek­tiert deutlich das Gewicht, die jeder versuchten Abänderung des Dekrets beigemessen wird. Dahinter steckt wohl die Befürchtung, dass durch die Tat der reibungslose Ab­lauf des Kultes der beiden für den Staat so wichtigen Gottheiten in Frage gestellt würde. [20]

Auch das Abänderungsverbot in I.Ephesos 26, dem Dekret der Gerousia von Ephesos zur Wiedereinführung der alten Bräuche, zeigt diese Kombination von Fluch und Geldstrafe in der Sanktion.[21] Während in Z.13–15 den σύνεδροι die Pflicht aufer­legt wird, die Bestimmungen des Dekrets genau auszuführen, findet sich ab Z.20a — wahrscheinlich — das Verbot, die Beschlüsse abzuändern. Wiederum ist das Verbot allgemein an Amtsträger und Privatleute gerichtet, zusätzlich wird auch der ἔκδικος angeführt. Wie bei der Interpretation des Abänderungsverbotes aus der Stiftung des C. Vibius Salutaris noch gezeigt werden wird, scheint es sich dabei um eine Schutzmaß­nahme vor der möglichen Anrufung des römischen Statthalters oder anderer Außen­stehender zu handeln. [22] Die Aufgaben des ekdikos, der wohl seit augusteischer Zeit einer der regelmäßigen Amtsträger der Stadt war, lagen in der Vertretung der Inter­essen der Stadt nach außen, gerade auch gegenüber den römischen Behörden. [23] Um Hilfe gebeten hätten der Statthalter oder gar der Kaiser möglicherweise eine Ände­rung des städtischen Beschlusses verfügen oder veranlassen können. Eine Geldstrafe ist in I.Ephesos 26 nicht erhalten, wohl aber eine Verfluchung des Täters. Zusätzlich wird festgehalten, dass derjenige, der eine Abänderung der Beschlüsse herbeiführen möchte, sich zumindest wegen ἱεροσυλία verantworten müsse. Ein Verfahren wegen asebeia vermutet Heberdey, der den Text in der Lücke am Ende von Z.22 entspre­chend ergänzt. In Z.23 wird noch ein weiterer Verweis eingeleitet, bei dem der Tat­bestand allerdings nicht mehr erhalten ist. Dabei entzieht sich — wie zumeist bei derartigen Rechtsfolgenverweisen — unserer Kenntnis, welche konkreten Folgen diese Verweise für den Täter hatten. Interessant ist allerdings, dass jegliche mögliche Abänderung wohl mit einem Verlust von Kapital und damit einer Verringerung des Reichtums der Göttin Artemis Soteira in Verbindung gebracht wurde. Mit Ab­änderun gen der Vorschriften, die zum Nutzen der Gerousia, des Kultes oder des Vermö­gens der Göttin erfolgten, rechneten die Autoren des Dekrets wohl nicht.

Die Finanzierung der Mysterienfeier von Andania ist in einer langen Anordnung (διάγραμμα) geregelt, die auf einer Marmortafel publiziert wurde und wohl auf einem Beschluss der Stadt Messene beruht. Die Stadt schien dabei in jedem Fall davon aus­zugehen, dass die pente als oberstes Aufsichtsgremium in der Lage sein würden, einen Überschuss zu erwirtschaften, der dann dem städtischen tamias übergeben werden musste. [24] Allerdings waren diese Gelder an eine bestimmte Verwendung gebunden und durften vom tamias lediglich für die Ausbesserungsarbeiten im Karneiasion und die Aufwendungen für die Durchführung der Mysterien verwendet werden (Z.59–61). Erst danach standen die Überschüsse der Stadt allgemein zur Ver­fügung (Z.63–64). Neben einer Sicherung der Bestimmungen durch die Einführung einer gesonderten Abrechnung des tamias über die Verwendung des Überschusses findet sich auch folgendes Abänderungsverbot:

In einer zusätzlichen Abrechnung hält der tamias schriftlich fest, wie viel übriges Geld er jeweils von ihnen übernimmt zur Ausbesserung im Karneiasion, und er soll es nicht für etwas anderes aufwenden, bis er für alles aufgekommen ist, was für die Durch­führung der Mysterien notwendig ist. Niemand soll einen Antrag einbringen, dass es notwendig sei, diese Einkünfte für etwas anderes zu verwenden. Wenn aber doch, so soll der Antrag nicht zur Abstimmung gelangen und der Antragsteller soll 2000 Drach­men zahlen. In gleicher Weise soll der tamias das Doppelte dessen, was er auszahlt, und 2000 Drachmen (zahlen). Die Richter dürfen diesen Betrag nicht mindern und die Ein­künfte aus diesen Urteilen stehen für die Baumaßnahmen im Karneiasion zur Verfü­gung.

Dem tamias wurde eindrücklich verboten, die Einkünfte aus den Überschüssen für einen anderen Zweck als den vorgeschriebenen aufzuwenden. Die Bestimmung ver­deutlicht die vornehmliche Sorge der Stadt, der zuständige Amtsträger würde sich nicht an seine Pflichten halten und seine Kompetenzen überschreiten. Dabei wurde ihm nicht nur die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens auferlegt, deren Verdoppelung ohnehin eine Bußzahlung enthielt, sondern zusätzlich ein Strafgeld in der Höhe von 2000 Drachmen angedroht. Der gleiche Strafbetrag wurde einem mög­lichen Antragsteller in Aussicht gestellt, der etwa versuchen konnte, über den Weg eines Rats- oder Volksbeschlusses eine Änderung dieser Bindung der Gelder zu errei­chen. Zunächst wurde dabei das Verbot ausgesprochen, dessen Übertretung mit der Geldstrafe bedroht war und automatisch die Ungültigkeit des entsprechenden Antrags mit sich brachte.[25] Da auf diese Art und Weise kein echter Schaden entstehen konnte, findet sich auch nur die Geldstrafe und keine Wiedergutmachung wie im Fall des unredlichen tamias. Möglicherweise war man der Ansicht, dass die hohe Geldstrafe, die der Antragsteller zahlen musste, zur Abschreckung ausreichte. Die Überlegungen im diagramma gehen aber noch weiter. Interessant ist der Vermerk, dass die Richter die Höhe der Strafsummen unangetastet lassen mussten. Die Richter waren entweder in einem regulären Verfahren zur Feststellung der Schuld und der Höhe des entstan­denen Schadens, oder im Rahmen eines Verfahrens zur Kontrolle des Strafausspruchs durch einen Amtsträger im Einsatz. Wie sich das Gremium zusammensetzte, wer es einberief und wer die Parteien in einem eventuellen Verfahren waren, erschließt sich aus dem vorliegenden Text allerdings nicht.[26] Nicht zuletzt wird zugesichert, dass die Einkünfte aus diesen Urteilen, worunter meines Erachtens auch diejenigen Strafen zu verstehen sind, die ohne Einspruch bezahlt wurden, wiederum für die Arbeiten im Karneiasion zur Verfügung stehen sollen.[27]

Die zahlreichen von der Insel Kos erhaltenen Urkunden zum Verkauf verschie­dener Priestertümer enthalten unterschiedliche Abänderungsverbote und bieten damit die Möglichkeit, dieses Instrument der Sicherung von Einkünften in seiner Verwen­dung in einer Polis über einen relativ knappen Zeitraum zu untersuchen.[28] Zunächst findet sich die Klausel wohl ganz allgemein gehalten und stark fragmentiert in der διαγραφή (der Ausschreibung) des Priestertums des Asklepios, der Hygieia und der Epione. Der Text stellt — nach den überzeugenden Ergänzungen des Herausgebers — das Verbot, Einnahmen zu „überführen“ (μετάγειν), unter den Schutz eines Fluches und droht möglicherweise auch eine Geldstrafe an.[29] Ausführlicher ist die Bestim­mung in einem Dekret über „heilige Gelder“ (ἱερά), welches am heute fragmentierten Beginn des Textes vermutlich Bestimmungen zur Rechnungslegung von Amtsträgern und Priestern enthalten hatte.[30]

Das Geld, das verbucht wurde, ... gemäß dieser Vorschrift über hiera.[31] Es soll nicht er­laubt sein, über dieses Geld eine Vorlage zu formulieren noch einen Antrag zu stellen, noch dürfen die prostatai auf die Tagesordnung setzen, dass dieses (Kapital) abgetreten werden soll zur Gänze oder zum Teil in anderer Weise, noch übertragen werden soll, noch ... entgegen den Vorschriften. Als Strafe soll jeder der Verantwortlichen zahlen ... Drachmen, ... geweiht dem Gott, an die tamiai und das eingetriebene Geld ...

Der Priester ist dazu angehalten (Z.13–14), über das Kapital, das er übernommen hatte, eine Abrechnung in einer hölzernen Kiste zu hinterlegen, darauf folgt das Ab­änderungsverbot. Neben der Vorbereitung einer Beschlussvorlage (γνώμαν ἀγορεύεν, Z.16) und der eigentlichen Antragstellung (εἰπεῖν Z.16) [32] wird als dritter Tatbestand den prostatai das Vorlegen des Antrages zur Abstimmung durch Einbringen auf die Tagesordnung der zuständigen Versammlung untersagt (μήτε προστάται προθέ̣μ̣εν Z.17). Die prostatai waren die führenden Amtsträger von Kos, in deren Aufgaben­bereich als Vorsitzende die Erstellung der Tagesordnung und die Unterbreitung einer Beschlussvorlage in Rat und Volksversammlung fiel und die auch für die Finanzver­waltung der Kassen der verschiedenen Heiligtümer verantwortlich waren. [33] Um welches Kapital es sich im vorliegenden Fall handelt, ist nicht bekannt.

Für das Priestertum der Aphrodite Pandamos und Pontia sind zwei verschiedene Ausschreibungen erhalten, von denen die eine vom Anfang des 2. Jh. v. Chr. stammt (IG XII 4, 1, 302), die andere vom Ende des 2. Jh. v. Chr. (IG XII 4, 1, 319). [34] In beiden Texten findet sich eine Vorschrift zur jährlichen Öffnung der thesauroi und zur Aufteilung des darin enthaltenen Geldes zwischen der Göttin und der Priesterin. Parker und Obbink verweisen dabei auf einen nicht unwesentlichen Unterschied in der Zuweisung der Gelder: Im älteren Text werden die Einkünfte zwischen der Priesterin und der Göttin geteilt und der Anteil der Göttin wird von den prostatai den tamiai übergeben, um für die Erhaltung des Heiligtums Verwendung zu finden (IG XII 4, 1, 302, Z.54–58). Im jüngeren Text wird der Anteil der Göttin auf das ihr zu­stehende Konto bei der δαμοσία τράπεζα (IG XII 4, 1, 319, Z.19) eingezahlt. In beiden Fällen sind die tamiai gehalten, eine Abrechnung vorzulegen. Interessant für das folgende Abänderungsverbot ist, dass im jüngeren Text die Gelder für Bau­arbeiten nach einem Beschluss der Volksversammlung neben der Erhaltung des Heiligtums auch anderen Bauarbeiten dienen können. [35] Die missbräuchliche Verwen­dung der Gelder der Göttin wird im älteren Text ganz allgemein verboten: καὶ μὴ ἐξέστω μ̣η̣θ̣ε̣[νὶ εἰς ἄλλο τι | καταχρῆσθαι]· (Z.58–59), es folgt eine Sanktion für Über­tretung des Verbotes, die leider nach den einleitenden Worten abbricht (Ζ.59): αἰ δὲ κά τις πα[ρὰ ταῦτα ποιῆι ... ]. Detaillierter ist der Text der jüngeren diagraphe:

Dieses Geld soll für Bauarbeiten, die etwa die Volksversammlung beschließt und für den Erhalt des Heiligtums zur Verfügung stehen. Wenn aber jemand den Antrag stellt,[36] dass das Geld aus den thesauroi für einen anderen Zweck verwendet werden soll, oder als prostates (diesen) auf die Tagesordnung setzt, soll jeder der Schuldigen 1000 Drachmen, der Aphrodite geweiht, zahlen und die Beschlussvorlage soll ungültig sein.

Ohne Klassifizierung als Amtsträger oder Privatpersonen wird zunächst derjenige mit einer Strafe bedroht, der den Antrag stellt, das Geld anders zu verwenden, in weiterer Folge auch der prostates als Vorsitzender der Versammlung. Interessant ist, dass im vorliegenden Text die Möglichkeit explizit angesprochen wird, im Falle der Bestrafung des prostates auch den Antragsteller, der von diesem verschieden gewesen sein konnte, zu bestrafen. In diesem Sinne wird meines Erachtens die Anweisung, dass jeder der Schuldigen 1000 Drachmen zu bezahlen habe, zu verstehen sein. Ein Antragsteller konnte sich also nicht dadurch entschuldigen, dass er die Verantwortung auf den zuständigen prostates abwälzte, dem es eigentlich oblag, derartige Anträge nicht zur Abstimmung zu stellen. Die Strafsumme wurde von all jenen eingefordert, deren Verantwortung nachgewiesen wurde. Deutlich zeigt sich hier, dass Privat­personen am Prozess der Entscheidungsfindung teilnehmen konnten.[37] Zusätzlich wurde der vorgelegten γνώμα die Rechtsgültigkeit entzogen, das heißt, sie wurde als Beschlussvorlage nicht anerkannt; sollte es zu einem Beschluss gekommen sein, war damit auch dieser ungültig. Die Höhe der Strafe entspricht derjenigen, die der Priesterin selbst angedroht wird, wenn sie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt (Z.33–35). Über die Durchsetzung der Sanktion, eine eventuelle Anzeige oder andere prozessuale Folgen der Übertretung des Abänderungsverbotes sind wir nicht unter­richtet. Abschließend sei noch auf die diagraphe des Priestertums des Asklepios ver­wiesen, in der Privatleuten und Amtsträgern wiederum die missbräuchliche Verwen­dung von Geldern verboten wird, die dem Vermögen des Gottes zuzurechnen sind. Erneut scheint es zur Verhängung einer Geldstrafe ebenso wie zur Verhinderung eines Beschlusses gekommen zu sein. Möglicherweise waren in Z.35–36 noch schärfere Strafen vorgesehen. [38]

In dem umfangreichen Corpus der diagraphai auf Kos finden sich Abänderungs­verbote ausschließlich im Zusammenhang mit dem Vermögen der jeweiligen Gott­heit. Während in I.Kalchedon 12, einer späthellenistischen diagraphe für den Verkauf einer Priesterstelle, der Vertrag zwischen dem Priester und der Stadt allgemein durch ein derartiges Verbot geschützt wird (siehe gleich), konzentrieren sich die koischen Texte auf einen Teilaspekt, den finanziellen Rahmen der Amtsführung der Priester. Die Ausschreibungstexte für das Priestertum, die das Pflichtenheft und eine Aufzäh­lung der Rechte der Priester enthielten, wurden durch den tatsächlichen Verkauf zu Verträgen zwischen dem Käufer (Priester) und der Stadt. Somit betrafen die Abände­rungsverbote nicht nur den Schutz der Finanzen der Stadt, sondern waren gleichzeitig Klauseln zur Sicherung des Vertrages zwischen einer Einzelperson und der Gemein­schaft.[39] Sie schützten zunächst die Priester davor, dass in bestehende Verträge mit der Stadt zu ihrem Nachteil eingegriffen werden konnte, indem etwa ein größerer Anteil der Einkünfte aus den thesauroi dem Heiligtum zugewiesen wurde. In diesem Fall bestand natürlich die Gefahr, dass die Priester selbst sich gezwungen sahen, für den Erhalt des Heiligtums aufzukommen, wenn etwa durch einen Volksbeschluss Gelder des Tempels für andere Zwecke verwendet wurden und dem Heiligtum zu wenig Mittel verblieben. Andererseits konnten aber auch die Priester selbst, die ja ebenso das Recht dazu hatten, Anträge in den Versammlungen zu stellen oder vorzu­bereiten, nicht über diesen legalen Weg ihre Einkünfte vergrößern oder etwa ihre Pflichten verringern. Somit dienten die Klauseln auch dem Schutz der Stadt als Ver­tragspartner. Meines Erachtens wird aber die Absicherung der Einkünfte der Priester im Vordergrund der Überlegungen gestanden haben. Die hohen Strafen waren sicher­lich ein Anziehungspunkt für potentielle Kandidaten für das Priesteramt, die auf die Rechtssicherheit vertrauen wollten. [40] Ein allgemeines Abänderungsverbot zum Schutz des Vertrages, wie es etwa aus Kalchedon überliefert ist, ist in den koischen Urkun­den nicht zu finden. Möglicherweise gab es städtische Gesetze oder andere Rege­lungen zum Vertragsschutz, die derartige Einschübe in die diagraphai nicht not­wendig erscheinen ließen.[41]

Auf Kos finden sich noch drei weitere Texte, die ähnliche Verbote aufweisen. Dem Schutz des Heiligtums des Apollon Kyparissios und des Asklepios dient ein Gesetz aus der Mitte des 3. Jh. v. Chr., das jeden Antrag auf eine missbräuchliche Verwendung des Zypressenhains untersagt und unter Strafe stellt (IG XII 4, 1, 284, vgl. Anm. 36). In weiterer Folge werden noch der Schutz einer Stiftung (IG XII 4, 1, 352) und der Aufstellung von Weihgeschenken in einer Exedra (IG XII 4, 1, 353), beide kaiserzeitlich, vorzustellen sein.[42]

Das Verbot der missbräuchlichen Verwendung von Geldern aus dem Betrieb des Heiligtums des Zeus Labraundeus findet sich in einer der seltenen Regelungen zur Finanzierung dieses wichtigen Tempels in Mylasa aus römischer Zeit (I.Labraunda II, 56). Der fragmentierte Text, der wohl einem Dekret der Stadt Mylasa entstammt, hält zunächst den Ausschluss von Klagen aus einem bestimmten gesetzwidrigen Dekret fest (Z.0–3), ein genauer Zusammenhang dieser Verfahren erschließt sich nicht. Hier­auf folgt die Vorschrift über Verfahren gegen einen ἐπιστάτης περὶ τὰ ἔργα τοῦ ἱεροῦ, der Unrecht tut. [43] Z.9–13 fassen — möglicherweise noch einmal — das Verbot der missbräuchlichen Verwendung von Geldern aus dem Betrieb des Heiligtums zusam­men und sind damit zu den hier angeführten Bestandsklauseln zu zählen. [44] Allerdings steht dabei nicht die Abänderung durch einen Beschluss eines der zuständigen Gremien, sondern das eigenmächtige Handeln wohl von Amtsträgern im Vorder­grund.

Auch die Verpflichtung, die den Amtsträgern von Milet in einem Eid vermutlich zum Amtsantritt auferlegt wurde, enthält kein klassisches Abänderungsverbot. Sie unterstützt aber den gleichen Gedanken, namentlich die Bindung der städtischen Finanzen an durch die Gremien der Stadt festgelegte Vorschriften. Der Eid beginnt mit folgender Klausel:

Ich schwöre bei Apollon Didymeus und bei Augustus Caesar, die beschlossene Anord­nung betreffend die laufenden Steuern zu wahren und alles zu tun ...

Damit ist das Gegenstück zu den bisher vorgestellten Verboten zu greifen, näm­lich die Verpflichtung der Amtsträger, sich an die bestehende Regelung zu halten.[45] Ein Bruch dieses Versprechens wird — zusätzlich zu eventuellen rechtlichen Konse­quenzen — auf jeden Fall die üblichen gesellschaftlichen Folgen eines Meineids nach sich gezogen haben. Eine entsprechende Selbstverfluchung, wie sie in Eiden nor­malerweise zu finden ist, wird wohl in dem nunmehr verlorenen abschließenden Teil des Eides gestanden haben.

In der Tradition städtischer Dekrete seit dem 4. Jh. v. Chr. wurden also auch in der späthellenistischen und kaiserzeitlichen Administration Verbote und Strafen zum Schutz von Vorschriften über zweckgebundene Gelder eingesetzt. Die Quellen dazu stammen aus unterschiedlichen Bereichen der städtischen Finanzgebarung und zeigen den weiten Anwendungsbereich der vorgestellten Klauseln. Lediglich die über einen längeren Zeitraum hinweg gut belegten diagraphai aus Kos erlaubten zweifelsfrei zu zeigen, wie das vorgestellte Instrument der Sicherung von Einkünften regelmäßig in die entsprechenden Dekrete aufgenommen wurde.

II. Stiftungen

Weitaus umfangreicher sind Quellen, die Bestandsklauseln und Abänderungsver­bote zur Sicherung von Stiftungen enthalten. B. Laum behandelt allgemein die Prohi­bitivsicherung der Stiftungen und unterscheidet dabei formal zwischen allgemeinen Verboten, die sich auf die gesamte Stiftung beziehen, und spezifizierten Verboten. Während die allgemeinen Verbote regelmäßig mit μὴ ἐξέστω, μὴ ἐξεῖναι oder μὴ ἐχέτω ἐξουσίαν eingeleitet werden, wird das spezielle Verbot in der Form eines Kon­ditionalsatzes mit ἐάν oder εἰ ausgedrückt.[46] Im weiteren teilt er die Verbote nach ihrem Inhalt in solche, die den Zweck der Stiftung, das Vermögen, die Verwaltung und weiters die Gesamtheit der Stiftungen betreffen. Die Abänderungsverbote finden sich dabei größtenteils in der Gruppe derjenigen Verbote, die das Vermögen der Stiftungen oder die Einkünfte daraus vor einer Verwendung zu einem anderen Zweck schützen sollen. Der Missbrauch am Stiftungsvermögen wird zumeist mit κατα­χρᾶσθαι ausgedrückt. [47] Im Folgenden muss aber der allgemeine, von den Stiftern stets befürchtete Missbrauch deutlich von dem Versuch unterschieden werden, die Zweckentfremdung der Gelder durch eine entsprechende Beschlussfassung der Stadt legalisieren zu lassen. Diese Gefahr besteht vor allem bei öffentlichen Stiftungen, also denjenigen, in denen die Gemeinschaft als Empfängerin der Stiftung an der Verwal­tung teilhat oder zur Gänze dafür verantwortlich ist. In diesen Fällen wird das Abän­derungsverbot wohl dem Willen des Stifters entsprechend in den Beschluss der Stadt, mit dem die Stiftung angenommen und institutionalisiert wurde, aufgenommen. Dadurch erhält es Rechtskraft und ist den vorher behandelten Abänderungsverboten zum Schutz der städtischen oder sakralen Finanzen gleichzusetzen.[48]

Ein derartiges typisches Abänderungsverbot in Verbindung mit einer Bestands­klausel findet sich zum Beispiel in IG XII 4, 1, 352, einer Weihung an Asklepios, die Augusti und das Volk der Koer aus der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. Allgemein wurde festgehalten, dass niemand einen Beschluss beantragen noch in der Boule oder der Ekklesia zur Abstimmung stellen durfte, der zur Verringerung oder Abänderung der Stiftung führen könnte, damit diese unabänderlich auf alle Zeiten bestehen bleibe. Eine Strafandrohung findet sich in dem Text allerdings nicht, das Verbot steht alleine.

Keiner soll einen Antrag stellen, der über das hinausgeht, was in der Stiftung geregelt ist, oder zur Abstimmung bringen weder im Rat noch in der Volksversammlung, etwas zu mindern oder aus ihr herauszunehmen, sondern sie soll unangreifbar bewahrt bleiben für alle Zeit.

In IG XII 9, 236 (Eretria, Anf. 2. Jh. v. Chr.) wird das gleiche Verbot mit dem Willen des Stifters (Z.51–52) begründet. [49] Der Stifterwille tritt natürlich auch klar in denjenigen Textstellen hervor, die nicht aus den Durchführungsbeschlüssen der Städte, sondern aus den Stiftungsurkunden stammen. Als Beispiel dafür wäre etwa die Urkunde aus Kaunos zur Finanzierung eines Wettkampfes, I.Kaunos 34, zu nennen, in der der Stifter erklärt: ... ἰς οὐ]δὲν γὰρ ἄλλο βούλομαι χωρε[ῖν τὸν τῆσ|δε τῆς ἐπανγ]ελίας μου τόκον, εἰ μὴ ἰς μόν[ον ... (Z.12–13, … denn ich will, dass der Zins aus meiner Stiftung für nichts anderes ausgezahlt wird als ausschließlich für …). [50]

Neben diesen allgemein gehaltenen Abänderungsverboten finden sich drei ver­schiedene Arten der Differenzierung, natürlich in unterschiedlichen Kombinationen: Zunächst kann der angesprochene Kreis möglicher Personen, die eine Abänderung herbeiführen können, deutlich gemacht werden, dann können verschiedene Stufen der versuchten Abänderung des Stiftungsdekrets unterschieden werden, und nicht zuletzt können verschiedene Arten, das Stiftungsvermögen zu missbrauchen, genannt werden. Mit wenigen Ausnahmen sind alle Abänderungsverbote aus Stiftungen in der einen oder anderen Art differenziert. [51]

Die übliche Unterscheidung bei den Adressaten des Verbotes ist diejenige in ἄρχοντες (Amtsträger) und ἰδιῶται (Privatpersonen). [52] Diese Aufzählung sollte einer­seits absichern, dass alle Teile der Bevölkerung von dem Verbot erfasst waren und Amtsträger nicht unter irgendeinem Vorwand die Bestimmungen umgehen konnten. Andererseits wurden damit auch alle Stufen der Beschlussfassung in der Polis erfasst, in denen jeweils unterschiedliche Personenkreise tätig wurden.[53] Sie findet sich in Dekreten der griechischen Städte seit dem 4. Jh. v. Chr., zumeist in Verbindung mit Abänderungsverboten oder aber auch Klagsausschlüssen. [54] In I.Iasos 248, einem Ehrendekret für C. Caninius Synallasson, lautet die entsprechende Vorschrift, dass „kein archon oder anderer“ Anordnungen in Bezug auf die Stiftung treffen dürfe (Z.54–57), während in der Stiftungsinschrift des C. Iulius Demosthenes aus Oinoanda das Begriffspaar ἄρχων – ἰδιώτης verwendet wird (Z.36). [55]

In einigen Texten werden neben den archontes auch spezielle Magistrate ange­sprochen, für die das Abänderungsverbot sichtlich besondere Bedeutung haben sollte. So wird in den beiden aus Aphrodisias erhaltenen Stiftungen des Aristokles Molossos und des Attalos Adrastos jeweils auch demgrammateus verboten, eine Abänderung des Stiftungsdekrets herbeizuführen. [56] Betrachtet man die erhaltenen Präskripte von Dekreten der Rats- und der Volksversammlung aus Aphrodisias, fällt auf, dass die Beschlussvorlage (γνώμη) stets vom grammateus gemeinsam mit den archontes und zumeist auch dem ἐπὶ τῆς χώρας στρατηγός verfasst wurde. Selbst wenn man der Ansicht folgt, dass der grammateus nicht zu den normalen Amtsträgern gezählt wurde und daher in den Abänderungsverboten eigens genannt werden musste,[57] erklärt das nicht, warum der strategos in diesem Fall nicht ebenso Erwähnung fand. Meines Erachtens zeigt diese spezielle Nennung des grammateus als eines der höchsten Amtsträger der Stadt, dass er im Rahmen der Antragsvorbereitung und der Antrag­stellung eine privilegierte Rolle spielte. Möglicherweise wird er auch bei der ab­schließenden Publikation eines von den städtischen Versammlungen beschlossenen Dekrets entscheidend mitgewirkt haben. Daher wurde in den Stiftungsdekreten daran erinnert, dass gerade er nicht die Möglichkeit haben durfte, einen Antrag einzu­bringen, der dem vorliegenden Dekret entgegenstand.

In ähnlicher Weise wird in der Stiftung einer Exedra in Kos dem Gymnasiarchen ebenso wie dem epimeletes der Gerousia ausdrücklich verboten, andere Weihe­geschenke in der Exedra aufzustellen oder weitere Änderungen herbeizuführen. Gauthier vermutet, dass diese Exedra möglicherweise in einem Gymnasion errichtet worden war.[58] Der Gymnasiarch hätte vermutlich die Möglichkeit und wahrscheinlich auch das Recht gehabt, Weihegaben oder Standbilder in der Exedra aufstellen zu lassen, ohne einen Beschluss der städtischen Gremien erwirken zu müssen. Dies würde wiederum erklären, warum er in dem Verbot eigens erwähnt wurde. Ähnliches könnte auch für den epimeletes der Gerousia gelten, für den das Verbot ebenso ausge­sprochen wurde. Bei dem in der Stiftungsurkunde angesprochenen Gymnasion könnte es sich also um das Gymnasion der Gerousia gehandelt haben.[59]

Einen anderen interessanten Grund hat die Erweiterung der archontes-idiotai-Klausel in der Stiftung des C. Vibius Salutaris in Ephesos: Das Abänderungsverbot für die Stiftung ist in dem Dossier an vier verschiedenen Stellen ausgeführt, ergänzt durch das allgemeine Verbot, die Statuen, die in der Prozession mitgeführt werden sollen, umzubenennen, zu beschädigen oder einzuschmelzen. [60] In der diataxis, dem Brief des Salutaris mit dem Stiftungsversprechen und den Details zu seiner Aus­führung, formuliert der Stifter selbst das notwendige Verbot und verbindet es im Anschluss mit einer Bestandsklausel und dem Hinweis darauf, dass die beiden römi­schen Amtsträger ihre Zustimmung zu den Bedingungen bereits erteilt hätten.[61] Die Vorschläge des Stifters wurden durch einen Volksbeschluss ratifiziert, wobei das Abänderungsverbot noch einmal in den Text des Volksbeschlusses aufgenommen wurde, wenn auch in verkürzter Form. Sowohl dem Proconsul C. Aquillius Proculus als auch dem legatus pro praetore P. Afranius Flavianus, die um eine Bestätigung der Stiftungsbestimmungen ersucht worden waren, war das Abänderungsverbot in der Urkunde des Salutaris wichtig genug, um es zusammen mit der Strafklausel in ihre jeweiligen Schreiben aufzunehmen. Allerdings verzichteten sie auf alle Details, und formulierten noch knapper als der Volksbeschluss. Der folgende Text entstammt der diataxis.

Es steht keinem Amtsträger, ekdikos oder Privatmann zu, zu versuchen, etwas zu ändern oder umzuwidmen oder einer anderen Verwendung zuzuführen oder anders zu beschließen bezüglich der geweihten Statuen oder des Kapitals oder der Einkünfte daraus, oder zu einem anderen Einnahme- oder Ausgabekonto zu überführen, oder etwas anderes entgegen den Vorschriften und Verfügungen zu tun, wobei alles, was entgegen diesen (Vorschriften) geschieht, ungültig sein soll. Derjenige, der versucht, etwas entgegen der diataxis zu unternehmen oder entgegen dem, was Rat und Volk über diese diataxis beschlossen und bestätigt haben, soll für den Schmuck der größten Göttin Artemis 25.000 Denare zahlen und an den Fiscus des Augustus nochmals 25.000 Denare.

Die Erwähnung des ekdikos, der die Interessen der Stadt gegenüber Rom vertreten konnte, durch den Stifter zeigt deutlich, dass auch eine Abänderung der Stiftung durch Einschaltung der Provinzialverwaltung ausgeschlossen werden sollte. Da sein Vorgehen nicht notwendigerweise unter die Aktivitäten der übrigen archontes zu subsumieren war, wollte Salutaris auch ihm jede Intervention untersagen, die zum Schaden der Stiftung gereichen konnte.[62] Auch in dem späteren Dekret zur Wiederein­führung alter Bräuche in der Gerousia von Ephesos wurde neben Amts­trägern und Privatpersonen dem ekdikos jeglicher Versuch zur Abänderung des Dekrets untersagt. [63] Es ist bemerkenswert, dass gerade in Ephesos, wo der Kontakt zwischen der Provinzialverwaltung und der städtischen Administration wesentlich besser belegt ist als in den anderen griechischen Städten des Ostens, [64] auch in den Abänderungsverboten auf diesen möglichen Kontakt Bezug genommen wird. Noch deutlicher wird in der Stiftung des C. Iulius Demosthenes aus Oinoanda und des Aristokles Molossos aus Aphrodisias eine Einschaltung der römischen Behörden untersagt. Die genauen Vorschriften aus diesen beiden Texten werden noch vorgestellt.

Neben der Differenzierung der möglichen Akteure in Abänderungsverboten werden aber auch die verschiedenen Stufen oder Möglichkeiten der Abänderung eines Dekrets in ihrer Abfolge oftmals angeführt.[65] Gerade diese Art der Aufstellung ist für den Rechtshistoriker von großem Interesse, da sich dadurch der Ablauf von der Antragstellung bis hin zum Beschluss und in Folge verschiedene Möglichkeiten, die Bestimmungen eines Dekrets zu umgehen, unterscheiden lassen. Auch in Vorschriften für Stiftungen finden sich diese Details, wie sie eingangs im Rahmen der Sicherung der parakatatheke aus Lindos geschildert wurden.[66] Die üblichen Elemente sind dabei zunächst das Einbringen eines Antrags und die Aufnahme in die Tagesordnung der Versammlung. Weiters sollte das Zulassen einer Abstimmung über diesen Antrag ausgeschlossen werden.[67] Das zuletzt genannte Verbot richtet sich natürlich gegen diejenigen Amtsträger, welche die jeweiligen Versammlungen leiteten. Zumindest für Athen ist belegt, dass die proedroi der Volksversammlung sich für die Durchführung ihrer Aufgaben — und damit wohl auch die Einhaltung derartiger Verbote — gericht­lich verantworten mussten. [68]

Daneben werden aber noch weitere Vorgehensweisen verboten. Sowohl in der Stiftung des L. Nassius auf Chios als auch in derjenigen des C. Synallasson in Iasos wird von der Möglichkeit ausgegangen, dass ein Amtsträger oder jemand anderer aufgrund einer einfachen Anweisung Änderungen an der Stiftung vornehmen konnte. Im Ehrendekret für Nassius heißt es dazu: [69]

Dabei hat niemand das Recht, aufgrund eines prostagma darüber einen Antrag zu stellen, noch ein Gesetz / eine Satzung vorzuschlagen, noch zur Bereinigung An­weisungen zu erteilen über die Überführung oder Veränderung des Kapitals oder der Einkünfte hieraus.

Wenn auch eine genaue Erläuterung des in der Inschrift angesprochenen πρόσταγμα und der Anordnungen εἰς διόρθωμα aufgrund des fragmentierten Textes nicht möglich sind, kann doch festgehalten werden, dass in dem vorliegenden Verbot die Angst des Stifters vor einer Abänderung weniger durch einen Beschluss eines Gremiums als durch Anordnungen von dazu Berechtigten oder aber auch nur faktisch Befähigten deutlich wird. Möglicherweise reflektiert die Klausel die unsicheren Ver­hältnisse auf der Insel Chios zu Beginn des 1. Jh. v. Chr., als nach der Einnahme und Plünderung durch Mithradates, der Vertreibung der Bevölkerung und schließlich der Rückführung und Neuansiedlung unter Sulla die Notwendigkeit zu einer Neuordnung der Verhältnisse — möglicherweise einer Revision der bestehenden Gesetze — ebenso spürbar war wie die direkte Einmischung römischer Amtsträger in die Ge­schäfte der civitas libera. [70] In der Stiftung des Synallasson findet sich in Z.54–57 eine ähnliche Klausel, die wiederum dezidiert das Erteilen von Anordnungen verbietet:

Diesbezüglich soll es niemandem erlaubt sein, weder einem Amtsträger noch sonst jemandem, etwas anderes anzuordnen in Bezug auf die 5000 Denare oder die Einkünfte daraus, ...

Der Terminus μεταδιατάξαι (Z.55–56) wird in einem vergleichbaren Zusammen­hang im 2. Jh. v. Chr. auch im Testament des Epikrates im Rahmen der Sicherung der Stiftung verwendet.[71] Dort wird es den durch die Stiftung Begünstigten verboten, die Einkünfte aus Grundstücken einem anderen als dem vom Stifter vorgesehenen Zweck zuzuführen. Zwar sind in diesem Fall keinesfalls Amtsträger angesprochen, die die Bedingungen der Stiftung ändern könnten, aber der Begriff bezieht sich auch nicht nur auf eine Abänderung durch Herbeiführung eines Beschlusses, sondern bezeichnet eine Tätigkeit, die in der Kompetenz eines Einzelnen lag. In dieser Art verstehe ich die Vorsorge auch in den Stiftungen aus Iasos und Chios.

In den Abänderungsverboten wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass die Abänderung der Stiftungsbedingungen bei einem eventuellen Antrag nicht offen dar­gelegt wurde, sondern in irgendeiner Art verschleiert werden sollte, damit eine Ab­stimmung im Sinne des Antragstellers ausgehen konnte. Μηδεμιᾷ παρευρέσει (unter keinem Vorwand) durfte es zu einer Umgestaltung oder Modifikation der festgesetz­ten Bedingungen kommen. So formulieren es die Dionysiasten in einer Ehreninschrift für die Priesterin Hediste: ... καταχρήσασθαι μή]τε τρ<ό>πῳ [μή]τε παρευ[ρέσει μηδεμιᾷ ...]. [72] Erwähnung verdient schließlich noch die Tatsache, dass für den legatus pro praetore, der die Stiftung des Salutaris auf Ersuchen des Stifters und der Stadt bestätigt, nicht nur die Ausführung der verbotenen Abänderung, sondern auch die Anstiftung dazu als strafbar gegolten haben muss.[73]

Bereits in diesem Abschnitt über die Differenzierung der Adressaten und der ver­botenen Vorgehensweisen zeigte sich deutlich, dass gegenüber den hellenistischen Vorbildern eine wichtige Änderung in römischer Zeit festgehalten werden muss: Mit der Möglichkeit, den Statthalter als Vertreter der römischen Provinzialverwaltung in eine vorgesehene Abänderung der Stiftungsbestimmungen einzubinden, war aus der Sicht der Stifter eine neue Gefahr gegeben, der in den verschiedenen Verboten durch­aus Rechnung getragen wurde. Die dezidierte Erwähnung des ekdikos in den ephe­sischen Stiftungen zielt ebenso auf dieses Vorgehen ab wie die Erwähnung einer Eingabe an den Statthalter in der folgenden Stiftungsinschrift des C. Iulius Demosthenes aus Oinoanda.[74]

Wenn aber jemand etwas davon übertritt oder die Einkünfte mindert oder einer anderen Verwendung zuführt oder die Ländereien oder den Preis, wenn sie verkauft werden, oder eine List ersinnt oder einen Antrag einbringt oder zur Abstimmung stellt oder eine Eingabe an den Statthalter macht darüber, dass etwas von meinen Anweisungen nicht durchgeführt werden soll, sei er ein Amtsträger oder ein Privatmann, so soll er ... zahlen.

Wörrle analysiert den Rechtsschutz der Stiftung des Demosthenes ausführlich und sieht in der Furcht des Stifters vor einer Anrufung des Statthalters, der dann Druck auf die Gremien der Stadt Oinoanda ausüben könnte, eine Parallele zur Warnung, die Plutarch in den praecepta gerendae rei publicae ausspricht (814E–815C). Allerdings weist er zu Recht darauf hin, dass eine entsprechende Stellungnahme des Statthalters zu einer Umwidmung der Gelder wohl nicht rechtsnotwendig gewesen war.[75] Er inter­pretiert die mögliche Anrufung der römischen Autorität als den Versuch städtischer Autoritäten, sich Rückendeckung für eine Maßnahme zu suchen, die als bedenkliche Manipulation eingestuft werden könnte.[76] Dass derartige Befürchtungen nicht ohne Grund bestanden, zeigen nicht nur die Beispiele, in denen römische curatores sich mit städtischen Stiftungen und den Einnahmen daraus beschäftigten. [77] Vor allem das Edikt des Proconsul L. Memmius Rufus über den Betrieb des Gymnasions von Beroia (siehe unten bei Anm. 85) verdeutlicht, wie mit zweckgebundenen Geldern verfahren werden konnte.

Nicht zuletzt müssen an dieser Stelle die ausführlichen Bedingungen der testa­mentarischen Stiftung des Attalos Adrastos aus Aphrodisias genannt werden.[78] Z.1–19 enthalten ein Abänderungsverbot zum Schutz der Stiftung. [79] Nachdem zunächst die Adressaten des Verbots genannt und die verschiedenen möglichen missbräuch­lichen Verwendungen aufgezählt wurden, sah der Stifter mögliche Etappen der Ab­änderung voraus und untersagte sie.

... weder durch Beantragung einer internen Abstimmung, noch durch Volksbeschluss, noch durch einen Brief, noch durch einen Beschluss, noch durch eine schriftliche Erklä­rung, noch durch den lästigen Druck der Menge noch in irgendeiner anderen Weise ...

Chaniotis weist darauf hin, dass die Einflussnahme der römischen Autoritäten im vorliegenden Text nur indirekt erwähnt sei und vermutet in dem in Z.8 erwähnten Brief eine epistula eines Kaisers oder Statthalters. In dem in Z.8/9 erwähnten Be­schluss könne man entsprechend eventuell ein Senatusconsultum oder einen Be­schluss des Koinons von Asia erkennen.[80] Die Sorge vor einem Eingreifen durch den Statthalter ist in der civitas libera Aphrodisias zusätzlich zu den eben zitierten Texten in besonderer Weise belegt, der Respekt der Kaiser und Statthalter vor dem Status der Stadt wird bis ins 3. Jh. n. Chr. immer wieder betont. [81] Chaniotis stellt die Klausel aus der Stiftung des Attalos überzeugend in den Zusammenhang von Texten, die — auf Sarkophagen und anderen Grabmonumenten — dem Grabschutz dienen. Seit dem frühen 2. Jh. n. Chr. werde in Grabinschriften, wohl vom Vorbild der Testamente und Stiftungen ausgehend, ein Eingreifen des Statthalters, oder aber auch des Rats oder der Volksversammlung von Aphrodisias in die Anordnungen des Erblassers bezüglich der Belegung des Grabes ausgeschlossen. Die Entnahme des bestatteten Leichnams sowie die Bestattung von Personen, die nicht vom Grableger vorgesehen waren, konnte damit nach dessen ausdrücklichem Wunsch auf keine erdenkliche Art und Weise, nicht einmal durch Anrufung des Statthalters genehmigt werden.[82] Interessanter­weise finden sich diese Verbotsklauseln ausschließlich in Aphrodisias.[83] Da allerdings auch in anderen Texten belegt ist, dass die Bürger von Aphrodisias von sich aus den Kaiser oder den Statthalter um Hilfe baten, geht Chaniotis zu Recht davon aus, dass ein Anlassfall bestanden haben mag, in dem — ähnlich wie in Beroia — der Wille des Testators oder Stifters umgangen worden war.[84]

Während allerdings in den Grabinschriften ein echter Eingriff in die Privatsphäre des Grablegers befürchtet wurde, und die Bürger von Aphrodisias als Gemeinschaft von eventuellen Änderungen nicht betroffen waren, ist der Schutz der Stiftung doch von der Sorge geleitet, dass Wohltaten für die Stadt in weiterer Folge nicht mehr zur Verfügung stünden. Nach der — wohl auch für diesen Fall anzunehmenden — Annahme der Stiftung des Attalos Adrastos durch die Stadt liegt hier das Abänderungsverbot eines städtischen Dekrets vor, während die Verbote in Testa­menten und Urkunden zur Errichtung von Gräbern wohl keinen öffentlichen Cha­rakter gehabt haben dürften.

Nigdelis und Souris haben 2005 einen für den vorliegenden Zusammenhang äußerst wichtigen Text veröffentlicht, ein Edikt des Proconsuls L. Memmius Rufus über den Betrieb des Gymnasions von Beroia vom Beginn des 2. Jh. n. Chr.[85] Da das Gymnasion aus Geldmangel immer wieder geschlossen werden musste, verfügte der Proconsul die Einrichtung eines Fonds (ἐνθήκη) in der Höhe von 100.000 Denaren, aus dessen Einnahmen die notwendigen Gelder für den Betrieb zur Verfügung stehen sollten. Die Maßnahme ähnelt durchaus der Lösung, welche die Kommission der Lindier zur Bewältigung der Finanzprobleme des Athena-Heiligtums gefunden hatte.[86] Sowohl in Lindos als auch in Beroia wurden verschiedene regelmäßige Ein­künfte ihrem ursprünglichen Zweck entzogen und dem neuen Fonds zugeführt. Aller­dings ging der Proconsul in Beroia einen Schritt weiter als die Kommissions­mitglieder in Rhodos, wenn er die Erträge aus Stiftungen, die einem bestimmten Zweck zugedacht waren, durch sein Edikt nun einer anderen Verwendung zuführte.[87] Er übertrat damit möglicherweise Verbote wie die eben vorgestellten, die Stiftungen vor einer Umwidmung schützen sollten. Zwar haben wir keine näheren Angaben, wie Plautianos Alexandros die Gelder für die Phallusprozession geschützt haben wollte, oder Eulaios diejenigen für die Getreideversorgung, der prominente Platz, den die Verbote aber in beinahe allen erhaltenen Stiftungsurkunden einnehmen, lässt ver­muten, dass es derartige Bestimmungen gegeben haben muss. So scheint auch die Maßnahme des Statthalters in Beroia nicht auf die ungeteilte Zustimmung der städti­schen Bevölkerung gestoßen zu sein. Chaniotis vermutet, dass der Widerstand wohl vor allem vom einfachen Volk ausgegangen war, da Mittel, die bislang der Getreide­versorgung und der Verehrung des Dionysos gedient hatten, nun nur für das Gym­nasion, das wohl der Elite der Stadt vorbehalten blieb, eingesetzt werden sollten. Memmius Rufus weist ausdrücklich darauf hin, dass die Elite der Stadt mit ihm ge­meinsam die Umwidmung betrieben habe.[88] Interessant ist aber, dass der neue Fonds, dessen Einrichtung wohl auch durch ein städtisches Dekret in Kraft gesetzt wurde, seinerseits durch ein Abänderungsverbot geschützt gewesen zu sein scheint.[89]

Auf der anderen Seite sind auch Entscheidungen römischer Amtsträger und Kaiser erhalten, die in die entgegengesetzte Richtung weisen und die Zweckbindung gestif­teten Kapitals aufrecht erhielten.[90] Dabei konnten einerseits die vom Stifter und der Stadt festgelegten Verbote und Strafen unterstützt werden, andererseits gab es auch die Möglichkeit, dass der römische Amtsträger oder Kaiser selbst geeignete Maß­nahmen vorschrieb. In die erste Gruppe gehören die Erklärungen des Statthalters und des legatus, die im Dossier des C. Vibius Salutaris in Ephesos veröffentlicht wurden.[91] Sie unterscheiden sich in der Formulierung wenig voneinander und erklären beide sowohl die Abänderung durch einen Antrag als auch die Anstiftung oder Vorbe­reitung einer derartigen Abänderung für ungültig und strafbar.[92] Beide Texte enthalten keinerlei Zusage eines konkreten Vorgehens künftiger Statthalter oder Legaten, noch eröffnen sie den Ephesiern in dieser Angelegenheit den Zugang zum statthalterlichen Gericht. [93] Meines Erachtens wird man im Wunsch des Legaten Afranius Flavianus, dass jeder, der gegen das Verbot verstößt, „ohne Aufschub“ (ἀνυπερθέτως, D Ζ.406) die Strafe zu entrichten habe, eher eine Bekräftigung der lokalen Zuständigkeit zu sehen haben. Der Legat stellt klar, dass es sich um einen städtischen Strafbefehl handele, der wohl ohne vorheriges Gerichtsverfahren ausgesprochen wurde, [94] und gegen den auch er keine Einsprüche zulassen werde. Der in vielen Fällen üblich ge­wordene Weg vor die römischen Autoritäten wird in diesem Fall ausgeschlossen. Durch ihre Bestätigung der Vorschriften, die Salutaris konzipiert und die Stadt Ephesos in der vorliegenden Form angenommen und als Volksbeschluss umgesetzt hatte, verzichteten die römischen Amtsträger auch in Zukunft auf ein eigenes Eingrei­fen in die Verwendung der Stiftungsgelder, da sie ja auch die versuchte Abänderung der Vorschriften durch Einsatz eines ekdikos verboten hatten. Ein Vorgehen wie das des L. Memmius Rufus in Beroia sollte somit für Ephesos ausgeschlossen sein. Weitere Zustimmungserklärungen von Statthaltern sind aus Gytheion und Rhodia­polis erhalten.[95] Kaiserliche Unterstützung vermerkten stolz die Stifter Demosthenes von Oinoanda und Meleagros von Balboura, wobei kein Eingriff in die Bestim­mungen der Stiftung festzustellen ist. [96]

Eine stark fragmentierte Inschrift aus Eleusis enthält neben der Ehrung des Stifters T. Flavius Xenio durch das Panhellenion auch Vorschriften über die Durchführung der Stiftung und der in ihr ausgesetzten dianome. Für die Finanzverwaltung der Stiftung sind der hierophantes und der dadouchos verantwortlich, deren Tätigkeitsbe­reich auch durch eine ἀπόφασις des Präfekten Severus bestätigt und zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird (169–170 n. Chr.).[97]

Erklärung des praefectus: Severus verkündete: Die Freigiebigkeit, die er gegenüber den Göttern zeigte, anerkenne auch ich selbst dankbar. Wenn aber jemand es wagen sollte, etwas von den geweihten (Geldern) umzuleiten, so soll für den fiscus das Doppelte des­sen, was der Wert war, von demjenigen, der es wagte, eingefordert werden, gleichsam als ob eine Strafe wegen hierosylia auferlegt wurde. Vorsorge treffen sollen dafür vor allem der hierophantes und der dadouchos, damit dieses Kapital niemals in Gefahr sei noch der Betrag der geweihten Gelder auch nur um einen Denar verringert werde. Denn es ist klar, dass es (gerade) für sie nicht ungefährlich ist, wenn sie etwa eine Beein­trächtigung dieser (Gelder) übersehen.

Nachdem der praefectus die Freigiebigkeit des Stifters anerkannte, setzte er sich umge­hend für die Sicherung des Stiftungskapitals ein. [99] Dazu ist zunächst anzu­merken, dass der von ihm verwendete Terminus παρακινεῖν ungewöhnlich für ein derartiges Abänderungsverbot ist. Er findet sich in dieser Art lediglich noch einmal in einem Bericht eines curator rei publicae über die missbräuchliche Verwendung von Geldern, die in Aphrodisias für Wettkämpfe bestimmt waren.[100] Im vorliegenden Text könnte der Terminus möglicherweise dem normalerweise gebrauchten μετακινεῖν entsprechen und eine Verwendung von Stiftungsgeldern ansprechen, die nicht dem ursprünglichen Zweck entsprach. Ebenso könnte aber auch ein „in Frage Stellen“ gemeint sein, das dann den Vorschriften in Ephesos entspräche, wo vom Legaten bereits das Anregen einer Diskussion, die dazu führen konnte, dass die Kapital­verwendung in der Stiftung des Salutaris abgeändert werde, unter Strafe gestellt wurde.[101]

Bemerkenswert ist die auf die Verbote folgende Strafandrohung: Es wurde eine Geldzahlung angeordnet, die in Relation zu dem angerichteten Schaden zu stehen hatte. Empfänger der Strafsumme war allerdings nicht etwa das Heiligtum, das wohl die Stiftung verwaltete, sondern der römische fiscus. [102] Wenn dies die einzige Strafe war, die für einen Entzug des Stiftungskapitals oder der Zinsen ausgesetzt war, so fällt auf, dass damit kein Ersatz des angerichteten Schadens zu erreichen war. Zwar ist der abschreckende Charakter der Maßnahme deutlich zu erkennen: die hohe Strafe sollte im vorhinein potentielle Täter von der Durchführung der Tat abhalten. Der Stiftung selbst konnten aber gravierende Einbußen zugefügt werden, die nicht behoben wurden. Daher ist zu überlegen, ob diese Maßnahme des praefectus nicht etwa zu­sätzlich zu Vorkehrungen zu sehen ist, die im ursprünglichen Stiftungsdekret festge­halten worden waren. Für die Einforderung der Strafe verweist der Praefekt auf die Vorschriften für die hierosylia, der das Vergehen wohl auch insoweit entsprach, als Gelder entwendet werden sollten, die dem Heiligtum gehörten. [103]

Auch der zweite Teil des Textes, in dem Severus den hierophantes und den dadouchos, die beiden obersten Priester in Eleusis, dazu auffordert, besondere Obsorge für die Einhaltung der Bestimmungen und den Erhalt des Kapitals walten zu lassen, verdient Aufmerksamkeit. Er begründet seinen Wunsch — wenn man den Ergänzungen Olivers folgt — mit der Gefahr, die die beiden zu tragen hätten, wenn sie etwas übersehen. Meines Erachtens wird in dieser durchaus höflichen, aber ebenso bestimmten Aussage des römischen Amtsträgers klar gestellt, dass die städtische Verwaltung selbst ihre Funktionen ausüben müsse und sich nicht darauf verlassen könne, mit allen Schwierigkeiten an den Statthalter oder gar den Kaiser herantreten zu können. Eine Parallele hat die Anweisung in einem Schreiben des Statthalters Sex. Subrius Dexter Cornelius Priscus auf eine Anfrage ephesischer epimeletai hinsichtlich des Schutzes der Wasserleitung, die Ti. Claudius Aristion hatte errichten lassen. Nachdem bereits einige Jahre zuvor der Statthalter A. Vicirius Martialis mit der Angelegenheit beschäftigt worden war und detaillierte Regelungen erlassen hatte, verfügte Cornelius Priscus, dass nicht nur dessen Edikt eingehalten werden müsse, sondern dass es Aufgabe der epimeletai sei, die Vorschriften in dieser Angelegenheit genau auszuführen. Sie müssten diese tun, ὡς τῆς [ἀ]μελί|ας καὶ πρὸς αὐτοὺς ἀνηκούσης, in der Überzeugung, dass eine Verschlechterung auch ihnen anzurechnen sei. [104] Ebenso antwortet Severus: Er verleiht der Stiftung in Eleusis Rückhalt und gibt seiner Freude über die Freigiebigkeit des Stifters Ausdruck, aber er distanziert sich von der praktischen Durchführung in allen Fragen doch deutlich.

Die Untersuchung der Bestandsklauseln und Abänderungsverbote, die zum Schutz von Stiftungen in späthellenistischen und kaiserzeitlichen Städten erlassen wurden, zeigt zunächst deutlich, dass die Poleis ihre Autonomie betonten und bewußt eigene Regelungen trafen und Beschlüsse darüber erließen. Die Vorschriften wurden dabei jeweils den Bedürfnissen der Stiftung angepasst und waren wohl in den meisten Fällen vom Stifter vorgeschlagen oder in Diskussionen mit ihm ausgearbeitet worden. Ein System der städtischen Kontrolle bestand also ebenso wie der Wunsch, durch Verbote und Sanktionen jedweden Missbrauch an Stiftungsgeldern zu verhindern. Auf der anderen Seite war man sich gerade in den ersten beiden Jahrhunderten nach der Zeitenwende durchaus bewußt, dass im Rahmen der Patronage, die der Kaiser und die Statthalter unumstritten auch über die civitates liberae ausübten, jede Unter­stützung von Seiten Roms nur von Vorteil für die beteiligten Parteien sein konnte.[105]

III. Sanktionen

Als Strafe für den Verstoß gegen die oben geschilderten Abänderungsverbote war üblicherweise eine hohe Geldbuße vorgesehen. Die überlieferten Beträge reichen von 100 Drachmen (Rhodos) bis hin zu 60.000 Drachmen (Eretria),[106] wobei eine konti­nuierliche Steigerung der Bußen vom späten Hellenismus bis in die Kaiserzeit nicht nachgewiesen werden kann. Eine Analyse der Empfänger der jeweiligen Strafgelder liefert erste Einsichten: Für die im ersten Teil vorgestellten Klauseln aus städtischen Dekreten ist festzuhalten, dass die Strafsummen nicht an die Stadt, sondern direkt an ein Heiligtum gerichtet wurden, oder zumindest für die Verwendung in einem Heiligtum zweckgebunden waren. So mussten etwa alle Gelder, die aus Strafen in Andania lukriert wurden, für die Restaurierungsarbeiten im Karneiasion aufgewendet werden. [107] Ebenso wenig gingen die Strafsummen in den vorgestellten Fällen von öffentlichen Stiftungen an die städtische Kasse.[108] Darin manifestiert sich meines Erachtens deutlich die Befürchtung der Stifter, dass diejenigen Personen, denen ein Missbrauch der Stiftungsgelder oder eine Abänderung der Bedingungen oder des Stiftungszwecks Vorteile bringen würde, gerade aus dem Bereich der städtischen Administration kommen könnten. Lediglich in der Satzung der Stiftung des Peplos in Ephesos findet sich die Vorschrift, dass neben einer Zahlung an die Göttin Artemis und die Augusti der gleiche Betrag von 10.000 Denaren auch für eine Verteilung unter den presbyteroi vorgesehen ist.[109] Möglicherweise wurde aber gerade durch diese Maßnahme die Aufmerksamkeit der Gerousiasten auf die Bewahrung der Stiftung des Peplos, die nicht dem öffentlichen Bereich zuzuordnen ist, und damit auf den Erhalt seines Heroons gelenkt.

Wie in den hellenistischen Stiftungen wurden auch in den Texten aus römischer Zeit vornehmlich Heiligtümer als Empfänger der Strafgelder und die Götter somit als Schutzherren der Stiftungen eingesetzt.[110] So bestimmt Salutaris in Ephesos, dass im Falle einer Abänderung 25.000 Denare an die Artemis von Ephesos gezahlt werden sollen, Demosthenes von Oinoanda sieht 2500 Denare für den Apollon Patroos vor und Theopompos aus Eretria 60.000 Drachmen für Artemis.[111] Auch der Stifter Peplos hatte der Artemis und den augusti neben den presbyteroi von Ephesos Straf­gelder in Aussicht gestellt. C.P. Jones betont, dass die Wahl eines oder mehrerer be­reits divinisierter Mitglieder des Kaiserhauses als bezugsberechtigte Gottheiten die ausgesprochene Drohung durchaus noch verschärfte. [112]

Eine Neuerung der römischen Zeit wiederum war die Einsetzung des fiscus als Begünstigten in Strafklauseln. Salutaris sieht als Strafe für einen Eingriff in seine Stiftungsbestimmungen neben der eben schon erwähnten Zahlung an Artemis eine Zahlung in gleicher Höhe von 25.000 Denaren an den Fiskus vor. Diese Zahlung wird vom Stifter selbst in der diataxis B Z.323–330 bestimmt, wobei er ausdrücklich auf die Genehmigung und Festsetzung der Strafe durch die Briefe des legatus pro prae­tore und des Prokonsul hinweist.[113] Entsprechend findet sich der Eintrag in verkürzter Form auch im Psephisma der Stadt A Z.111–116. Bemerkenswert ist andererseits, dass die beiden römischen Amtsträger in ihren Schreiben dezidiert auf die Beschlüsse der Stadt hinweisen, die der Stiftung und ihren Bedingungen, also natürlich auch den Strafvorschriften, Gültigkeit verleihen. Höflich haben damit beide Seiten auf die Bedeutung des Rechtsaktes durch die jeweils andere Seite hingewiesen. Eine Bestäti­gung römischer Amtsträger bei der Begünstigung des Fiskus wird — wie nicht zuletzt die Vorschriften aus den Grabinschriften zeigen — nicht notwendig gewesen sein.[114] Auch in dem Ehrendekret für C. Caninius Synallasson aus Iasos gibt es keinen Hin­weis auf eine Stellungnahme Roms zur neu eingerichteten Stiftung zugunsten des Gymnasions der neoi.[115] Als Strafzahlung für eine versuchte Abänderung der Vorschrif­ten sind 5000 Denare vorgesehen, die an den fiscus fallen sollen (Z.62–67). Weitere Zahlungen, etwa zugunsten eines anderen Heiligtums, werden nicht erwähnt. Attalos Adrastos in Aphrodisias setzt als Empfänger der hohen Strafzahlung bei Ver­stößen gegen die Vorschriften seiner Stiftung neben der Göttin Aphrodite den populus Romanus ein, wobei die anhaltende Rechtsgültigkeit der Vorschriften betont wird (b Z.12–19). Eine Bestätigung seiner Vorschriften durch den Statthalter findet sich nicht. [116]

Die Einsetzung des fiscus als Empfänger von Strafgeldern lässt sich nicht nur in den Abänderungsverboten der Stiftungen nachweisen, sondern findet sich auch in anderen Strafklauseln und sollte der Abschreckung möglicher Straftäter durch die Intervention der Provinzialverwaltung dienen. [117] Der gleiche Gedanke steht hinter der mannigfach belegten Begünstigung des fiscus auf den kaiserzeitlichen Grabin­schriften.[118] Für den Stifter in griechischen Städten hatte diese Bestimmung auch den Vorteil, dass damit — wie er hoffte — eine unbeteiligte Institution ein Auge auf die Stiftung und ihr Fortleben nach seinem Tod hatte. Der eigenen Stadt gegenüber hegten die Stifter dabei oftmals durchaus berechtigte Zweifel. Die Vorschriften für die Stiftung des L. Nassius auf Chios zeigen, dass diese Sicherungsmaßnahme bereits im 1. Jh. v. Chr. Anwendung fand.[119]

Eine Sonderstellung unter den bislang erwähnten Texten nimmt die Stiftung des Phainippos für das Gymnasion der presbyteroi in Iasos ein. [120] Der erhaltene Text setzt mit den Klauseln zur Sicherung der Stiftung zu Lebzeiten des Stifters ein, die durch das Verbot, den Ertrag für einen anderen Zweck zu verwenden, ein Abänderungs­verbot enthalten. In weiterer Folge wird die Vorgehensweise für die Zeit nach seinem Tod beschrieben (Z.1–12). Die Vorschriften richten sich an die Verwalter der Stiftung, die dioiketai.

Wenn sie aber die Opfer und das Mahl nicht so durchführen, wie es vorgeschrieben ist, oder die festgelegten Ehrengeschenke nicht dem geben, für den sie angeordnet sind, oder das Kapital für etwas anderes verwenden oder den Ertrag des Kapitals oder das ur­sprüngliche Kapital selbst aufteilen, soll jeder Schuldige dem Stifter des Kapitals 3000 Drachmen zahlen. Wenn ihm aber etwas zustößt und die dioketai das Vorgeschriebene nicht durchführen, sollen sie denselben Strafbetrag den Erben des Phainippos zahlen, wobei die Vollstreckung gegen sie zusteht wie aufgrund eines Urteils.

Die Bußgelder in der Höhe von 3000 Drachmen, die für Vergehen gegen die Stiftung vorgesehen sind, sind nicht etwa dem begünstigten Gymnasion, einem Heiligtum oder einer städtischen Institution zugedacht, sondern zunächst zu Lebzeiten des Stifters diesem selbst (Z.7), nach seinem Tod seinen Erben (Z.8–9).[121] Dabei ist nicht an eine Rückübertragung des Stiftungskapitals — wie etwa in der Stiftung der Phaenia Aromation in Gytheion — gedacht, sondern an eine Strafzahlung, wie sie auch in der hellenistischen Stiftung des Aristomenes und der Psylla in Korkyra vorge­sehen ist.[122] Das Kapital selbst bleibt unangetastet. Wenn wir auch nicht mit Sicher­heit sagen können, ob das erhaltene Textfragment dem Stiftungsversprechen oder dem Stiftungsdekret entstammt, müssen wir doch von einer Zustimmung der Stadt zu den vorgesehenen Sanktionen ausgehen. Das Zugeständnis einer Vollstreckung ohne Einspruchsmöglichkeit, das sich hinter der Formulierung καθάπερ ἐγ δίκης verbirgt, räumt den Erben des Stifters eine deutlich privilegierte Stellung gegenüber den Ver­waltern der Stiftung ein. Der übliche Rechtsweg, etwa eine Beschwerde gegen die Verhängung einer Strafe wegen unzulänglicher Durchführung der Stiftungsvor­schriften oder missbräuchlicher Verwendung des Kapitals, wird ausgeschlossen. Dieser Eingriff in die Rechte der Bürger von Iasos konnte nicht einseitig vom Stifter ausgesprochen worden sein, sondern bedurfte der Zustimmung der Polis.

Zusätzlich zur Geldstrafe wird in den meisten bislang erwähnten Stiftungen auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Beschlüsse, die entgegen den vorliegenden Bestimmungen zustande gekommen waren, keine Gültigkeit erlangen sollten, respek­tive die ursprünglichen Beschlüsse betreffend die Stiftung weiterhin gültig sein sollten.[123] Dies geschieht natürlich dort, wo die Stiftung auch nach einer versuchten Minderung oder missbräuchlichen Verwendung weiter bestehen sollte. Wo allerdings das Stiftungskapital selbst zurückgezahlt werden musste, ist ein derartiges Gebot nicht vorhanden.[124] Das deutlichste Beispiel für den letzten Fall bietet die Stiftung der Phaenia Aromation aus Gytheion. Im Falle eines Missbrauches (dazu zählen vor allem Darlehen entgegen den Vorschriften und eine schlechte Verwaltung der Stiftungsgelder, Z.19–24) ist eine Übertragung der 8000 Denare vorgesehen, von denen 6000 an die Polis der Lakedaimonier gehen, 2000 an den einschreitenden boulomenos. Die Lakedaimonier andererseits wiederum verlieren das Kapital ebenso, wenn sie die Stiftung der Phaenia geringschätzen; das Geld wird in diesem Fall schließlich dem Kaiserkult zuerkannt. [125] Auch der Volksbeschluss zu Ehren von L. Nassius, in dem vorgesehen ist, bei einer versuchten Abänderung alles Kapital dem Stifter oder seinen Erben zurückzuerstatten, kennt naturgemäß die andauernde Gültigkeit der ursprünglichen Vorschriften nicht. [126]

Die πρᾶξις, also die Einforderung der Strafsummen vom Schuldigen, stand wohl normalerweise dem Begünstigten zu und wird nur ausnahmsweise in den Dekreten erwähnt. Dies geschah zumeist dann, wenn die Vorschriften dazu von der üblichen Vorgehensweise abwichen, etwa im Fall der Stiftung des Phainippos für das Gym­nasion in Iasos, in dem den Erben eine privilegierte Eintreibung zugestanden wurde.[127] Die einzige Erwähnung städtischer Amtsträger, denen die praxis auferlegt wird, stammt aus dem Dekret über die Stiftung des Peplos aus Ephesos.

Diese (Gelder) sollen die jeweils im folgenden Jahr amtierenden archontes und der paraphylax eintreiben. Wenn sie aber nicht eintreiben, schulden sie selbst und unter­liegen der Eintreibung durch jeden, der dies möchte, sei er ein Bürger oder ein Fremder, wobei als Begünstigung die Hälfte des eingetriebenen Geldes demjenigen gehört, der es unternommen hat.

Die Inschrift enthält an dieser Stelle neben der Aufforderung an die archontes und den paraphylax, im Rahmen der praxis tätig zu werden, auch eine Strafklausel. Diese erläutert, welche Rechtsfolgen eintreten sollten, wenn die Amtsträger ihrer Pflicht zur Wahrung der Interessen des Stifters nicht nachkamen.[128] Erst wenn die offiziellen Vertreter der polis versagen, wird allen Bürgern und Fremden, die in Ephesos wohnen, die Möglichkeit gegeben, für den Stifter einzuschreiten und sein Anliegen zu vertreten. Die Prämie, die dafür ausgesetzt wird, ist die Hälfte der eingetriebenen Strafsumme und damit deutlich höher als die Belohnung für den boulomenos, der sich für den Erhalt der Stiftung des Demosthenes in Oinoanda einsetzt und lediglich ein Achtel der einzutreibenden Strafsumme erhält. Allerdings sind auch die Aufgaben unterschiedlich: Während der Freiwillige in Ephesos eine ausstehende Strafe ein­treiben muss, obliegt es dem Freiwilligen in Oinoanda lediglich, das Vergehen zur Anzeige zu bringen.[129]

Zusätzlich zu einer Geldstrafe konnte im Rahmen der Abänderungsverbote für Verstöße gegen die Vorschriften auch kumulativ ein Verfahren wegen anderer Tatbe­stände, etwa asebeia oder hierosylia, vorgesehen sein. Dies bedeutete wohl eine Strafverschärfung, da neben einer Geldstrafe auch Statusänderungen als Folge ein­traten. In der für das griechische Recht typischen Technik der Rechtsfolgenver­weisung wurde zumeist allerdings lediglich der Straftatbestand angegeben. Der Hin­weis genügte wohl für die Bürger der Stadt, um die materiellen und prozessualen Folgen zu kennen und richtig reagieren zu können. So wird eine Abänderung der Vorschriften etwa in Lindos als asebeia verfolgt, in Ephesos als asebeia und hiero­sylia.[130] Während die asebeia auf jeden Fall den Ausschluß aus der Kultgemeinschaft als Folge einer Verurteilung nach sich zog, werden auf die hierosylia noch strengere Strafen, etwa die Aberkennung aller Bürgerrechte oder sogar die Todesstrafe gestan­den haben.[131] Das Dekret über die Stiftung des A. Mussius Aper für ein Gymnasion in Iasos verweist auf einen besonderen Tatbestand, das Vergehen an Geldern, die den Augusti geweiht waren; ob und in welcher Art und Weise dies eine Verschärfung der üblichen Vorschriften für hierosylia darstellte, erschließt sich aus dem fragmentierten Text allerdings nicht.[132]

Zu den Strafen, die für eine versuchte Abänderung der Stiftungsvorschriften vor­gesehen sind, gehört schließlich auch die Verfluchung der Täter. Deutlich erhalten ist die Maßnahme in Lindos zum Schutz des neugeschaffenen Fonds zur Finanzierung des Kultes der Athena Lindia. Der Grund für den Einsatz dieses aus moderner Sicht ungewöhnlichen Mittels ist sicherlich, dass man in einer Angelegenheit, die für den Staat so wichtig war wie die korrekte Durchführung dieses Kultes, auch all die jenen Täter abgeschreckt und bestraft wissen wollte, derer man ansonsten nicht habhaft werden konnte. [133] Im Dekret der Gerousia von Ephesos aus dem 3. Jh. n. Chr. zur Wiedereinführung der alten Bräuche wird deutlich, dass der Fluch von der gesamten Vereinigung ausgesprochen wurde. [134] Dem Fluch entspricht auch der Einsatz des Eides, wie er in Milet zur Absicherung der Vorschriften über die jährlichen Steuern zu leisten war.[135] Ein Eid war immer mit einer Selbstverfluchung für den Fall des Eidbruches verbunden, sodass im Ergebnis wiederum die gleiche Strafandrohung ausgesprochen wurde.

Zum Abschluß dieses Beitrages sei noch eine weitere Stiftung vorgestellt, die in eigentümlicher Weise vor Abänderung gesichert wurde, und in der gleichzeitig auch Vorsorge für die Folgen einer derartigen Änderung getroffen wurde. Aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. stammen verschiedene Inschriften aus Kibyra, die Ehrungen für den Euergeten Q. Veranius Philagrus enthalten. Dieser hatte seiner Heimatstadt in vielen Situationen hilfreich zur Seite gestanden und namhafte Stiftungen errichtet, darunter eine Stiftung für die Durchführung der Kaisareia und eine weitere für die Einrichtung einer „ewigen Gymnasiarchie“. Für letztere hatte er 400.000 Drachmen zur Ver­fügung gestellt, aus deren Zinsen die Kosten für das Amt bestritten werden sollten. Vorgeschrieben war auch, dass für den Fall, dass ein Bürger von Kibyra dieses Amt doch auf eigene Kosten bekleiden wollte, die Zinsen trotzdem eingetrieben werden und davon Grundstücke angekauft werden sollten, die das Kapital der Stiftung dann entsprechend erhöhten. [136]

Wenn aber jemand die ewige Gymnasiarchie abschaffen und die Mittel für sie ver­ringern will, so sollen sie verflucht sein und als Frevler gegen die Augusti, den Senat, das Vaterland und seine Heiligtümer und Götter gelten, sowohl sie selbst als auch ihre Nachkommen. Schwören sollen jedes Jahr die Epheben im Gymnasion den von den Vätern überkommenen Eid, die Gymnasiarchie zu schützen und alle ihre Einkünfte. Schwören soll auch der demos am Tag der Gelübde durch die archontes und den grammateus des demos, auf die Gymnasiarchie und ihre Mittel achtzugeben, wie für eine dem Heil höchst dienliche Angelegenheit. Wenn aber jemals, auf welche Weise auch immer, die Gymnasiarchie aufgegeben wird, so soll der demos dem Kaiser und dem Senat für die Wiedereinrichtung der Gymnasiarchie durch ihn (den demos) selbst und die Einkünfte daraus für die Ehren der Augusti und des Senats verantwortlich sein, damit die Gymnasiarchie in der Stadt auf ewig erhalten bleibe, so wie es Q. Veranius Philagrus angeordnet hatte.

Die Sicherung der Stiftung erfolgte — wohl auf Anordnung des Stifters selbst — in zweifacher Weise. Zunächst wurden die Bürger der Stadt durch einen Fluch und einen Eid gebunden. Wer die Abschaffung der „ewigen Gymnasiarchie“, also wohl entweder die Beeinträchtigung der Stiftung oder aber vielleicht auch die Abschaffung des Amtes an und für sich, betrieb, sollte verflucht sein und als Frevler gegenüber den Augusti, dem Senat und den Heiligtümern und Göttern der Stadt gelten.[137] Bereits in diesem Abschnitt werden den Göttern der Stadt die vergöttlichten Kaiser und der Senat vorangestellt, deren Beleidigung somit in den Augen des Stifters höher zu werten war — zumindest sollte das Dekret diesen Eindruck erwecken. Ähnliche Ver­fluchungen sind seit dem 5. Jh. v. Chr. inschriftlich überliefert, wobei nicht nur Abänderungsverbote, sondern auch andere Vorschriften zum Schutz des Staates und seiner Verfassung durch derartige Maßnahmen gesichert werden. [138]

Zusätzlich zur Verfluchung, die wie üblich nicht nur den Täter selbst, sondern auch sein Geschlecht treffen sollte, wurden alle Bürger der Stadt regelmäßig in einem Eid zur Einhaltung der Vorschriften verpflichtet. Die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Eid der Epheben, deren Ausbildung durch die Einrichtung der Stiftung in weiten Teilen gesichert wurde, erscheint durchaus logisch. Ob dazu ein Zusatz zu dem als πάτριος ὅρκος bezeichneten traditionellen Eid formuliert oder ein neuer Eid eingeführt wurde, der programmatisch den Titel „von den Vätern überkommen“ erhält, ist nicht zu entscheiden. Die Tradition regelmäßiger „Bürgereide“ scheint in Kibyra jedenfalls schon bestanden zu haben, da für Veranius Philagrus der Verweis auf den „Tag der Gelübde“ ausreicht, um die Umstände der Eidesleistung des demos zu beschreiben. Möglicherweise wurden auch andere städtische Einrichtungen auf diese Weise nachdrücklich der besonderen Aufmerksamkeit aller Bürger anheim gestellt, wie die Formulierung ὡς ὑπὲρ σωτηριωδεστάτου πράγματος vermuten lässt.[139] Wie bereits oben angeführt, endete jeder Eid auch mit einer Selbstver­fluchung für den Fall, dass gegen die Bestimmungen verstoßen wurde. Damit sollte das Bewahren der Einrichtung, die Veranius Philagrus so großzügig ermöglicht hatte, jedermann zum persönlichen Anliegen gemacht werden. Jedenfalls ist hervorzuheben, dass es dem Stifter auf diese Art und Weise auch gelungen war, jährlich an einer der wichtigsten staatlichen Feiern erwähnt zu werden. Dies bedeutete zusätzlich zu den für ihn überlieferten zahlreichen Ehrungen sicherlich einen weiteren wichtigen Teil seiner Selbstdarstellung als euergetes der Stadt Kibyra. [140]

Dennoch vermochte Veranius Philagrus selbst wohl nicht recht daran zu glauben, dass diese Sicherungsmaßnahmen ausreichen würden. Im zweiten Teil des Textes verfügt er daher, dass der demos von Kibyra dem Kaiser und dem Senat selbst dafür verantwortlich sei, wenn es doch jemals zu einer Auflösung der Stiftung komme, diese aus eigenen Mitteln wieder einzurichten. Das gefürchtete καταλύειν (Z.1–2) wird wohl in einem Entzug der finanziellen Grundlage für die „ewige Gymnasiarchie“ bestanden haben. Ἀποκαθίστημι bedeutet dann „wiederherstellen“ in ganz prak­tischem Sinne: Das Kapital musste wieder aufgebracht und die Stiftung wieder einge­richtet werden, damit aus den Zinsen weiterhin die Aufwendungen für das Amt bestritten werden konnten. [141] Die Annahme der Stiftung unter diesen Bedingungen durch die Stadt Kibyra bedeutete wohl eine Verpflichtungserklärung des demos gegenüber dem Kaiser und dem Senat, die diese in die Lage versetzte, den Ersatz der Gelder einzufordern, wenn der entsprechende Anlassfall eintrat.

* * *

Einleitend wurde festgestellt, dass Beschlüsse einer Polis oder ihrer Gremien jederzeit durch nachfolgende Beschlüsse außer Kraft gesetzt werden konnten. Um diese Möglichkeiten der Abänderung in Einzelfällen verhindern zu können, wurden verschiedene Sicherungsmaßnahmen in die entsprechenden Dekrete aufgenommen. Diese reichten von Geldstrafen bis zu Anklagen wegen verschiedener schwerer, zu­meist sakraler Straftaten und engagierten somit die städtischen Autoritäten im Rahmen des Schutzes der Bestimmungen. Die Hilfe der Götter wurde durch Flüche und Eide angerufen, mittels derer die Täter und ihre Nachfahren gebunden wurden. Nicht zuletzt sollten auch der Kaiser und seine Statthalter einschreiten, um die Ein­haltung der jeweils getroffenen Vorschriften zu garantieren. So waren alle rechtlichen Möglichkeiten vorhanden und wurden auch ausgenutzt, um das ungestörte Funk­tionieren der städtischen Verwaltung öffentlicher Gelder oder Stiftungen zu gewähr­leisten. Über den Erfolg der einzelnen Maßnahmen und die tatsächliche Geltungs­dauer von derart gesicherten Beschlüssen sind wir aber nicht informiert.

 

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[1] P.J. Rhodes, The Decrees of the Greek States, Oxford 1997, 524–525; G. Busolt, Griechische Staatskunde I (HdAW 4,1,1), München 1920, 463.

[2] Ebenso IG IX 2, 517 (Larisa, 3. Jh. v. Chr.).

[3] Rhodes definiert das Abänderungsverbot (entrenchment clause) folgendermaßen: „An entrenchment clause is a clause which states explicitly that nobody is to propose or to facilitate a proposal that the decree should be annulled or modified, on pain of a worldly penalty and/or a curse“ Decrees (o. Anm. 1) 524. In dieser Art als früheste Texte IG IV 506 (Koerner Nr. 29) Z.1–4, Argos, M. 6. Jh. v. Chr.; IG IX 12 609 (Koerner, Nr. 47) Z.9–13, Naupaktos, ca. 500 v. Chr.; IG IX 12 718 (Koerner, Nr. 49), Z.38–44, Naupaktos, 5. Jh. v. Chr.; Syll.3 45 (Koerner Nr. 84) Z.32–41, Halikarnassos, 465–450 v. Chr. Weitere Beispiele aus dem 5. bis 2. Jh. v. Chr. bei Rubinstein,Response to James P. Sickinger, in: E. Harris, G. Thür (Hrsg.), Symposion 2007. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte (Durham, 2.–6. September 2007), Wien 2008, 116 Anm. 10. Die Zitate aus Koerner beziehen sich auf R. Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, Köln, Wien, Weimar 1993.

[4] Rubinstein, Response (o. Anm. 3), 116–119. Mit den Abänderungsverboten in attischen Dekreten beschäftigt sich D.M. Lewis, Entrenchment Clauses in Attic Decrees, in: D.W. Bradeen, M.F. McGregor (Hrsg.), ΦΟΡΟΣ. Tribute to Benjamin Dean Meritt, Locust Valley, N.Y. 1974, 81–89, der darin einen „experimental approach to the problem of reconciling the demands of certainty and popular sovereignty“ (81) sieht. Er unterscheidet zwischen Klauseln, die eine Abänderung des entsprechenden Dekrets gänzlich unmöglich machen, etwa durch die Androhung schwerster Strafen, und Klauseln, die eine Abänderung lediglich erschweren soll­ten, um damit die geplanten Veränderungen einer weiteren Kontrolle unterziehen zu können.

[5] Rubinstein, Response (o. Anm. 3), 117 Anm. 13 zitiert hierzu folgende Beispiele (wo vor­handen, habe ich die Referenz zu B. Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike I und II, Leipzig 1914, hinzugefügt): McCabe, Kolophon 4 (Kolophon, 4. Jh. v. Chr.); IG XII 4, 1, 348 (I. di Cos ED 149; Laum, Stiftungen II, Nr. 45, E. 4. Jh. v. Chr.); McCabe, Chios 27 (3. Jh. v. Chr.); SEG 50, 1195 (Kyme, 3. Jh. v. Chr.); IG XII 6, 172 (Samos, 3. Jh. v. Chr.); I. Milet I 3, 145 (3./2. Jh. v. Chr.); IG XII 7, 515 (Laum, Stiftungen II, Nr. 50; Aigiale, 2. Jh. v. Chr.); IG XII 2, 529 (Laum, Stiftungen II, Nr. 64; Eresos, 2. Jh. v. Chr.); I.Scyth.Min. II 58 (Histria, 2. Jh. v. Chr.); IG IX 1, 42 798 (Laum, Stiftungen II, Nr.1; Korkyra, 2. Jh. v. Chr.); IG XII 4, 1, 79–80 (I. di Cos ED 146; 2. Jh. v. Chr.); IG XII 4, 1, 81 (SEG 51, 1063, 2. Jh. v. Chr.); I. Didyma 488 (Milet, 2. Jh. v. Chr.); Dubois, IGDS Nr. 187 (Tauromenion, 2. Jh. v. Chr.); McCabe, Teos 41 (Laum, Stiftungen II, Nr. 90, Schulstiftung des Polythrous, 2. Jh. v. Chr.); IG XII Suppl. 330 C 61–67 (Laum, Stiftungen II, Nr. 43, Testament der Epikteta, Thera, 2. Jh. v. Chr.); IG XII 9, 236 (Laum, Stiftungen II, Nr. 61, Eretria, 2. Jh. v. Chr.); IC II v 35 (Axos, 1. Jh. v. Chr.).

[6] Die umfangreichsten Informationen stammen auch zu diesem Thema aus Athen, wo der μερισμός, ein Gesetz über die Zuteilung der Staatseinkünfte auf die verschiedenen Kollegien von Amtsträgern, literarisch und epigraphisch belegt ist. Vgl. M.H. Hansen,The Athenian Democracy in the Age of Demosthenes, Oxford, Cambridge MA 1991, 262–263 und P.J. Rhodes, A Commentary on the Aristotelian Athenaion Politeia, Oxford 1993, 557–560 zu Ath. Pol. 48,1–2.

[7] Allgemein dazu A. Andreades, Geschichte der griechischen Staatswirtschaft, München 1931 (Nachdruck Hildesheim 1965) 389–393. Interessante epigraphische Zeugnisse aus Erythrai und Smyrna präsentiert C. Schuler, Die διοίκησις τῆς πόλεως im öffentlichen Finanz­wesen der hellenistischen Polis, Chiron 35 (2005) 394–98; vgl. aber auch P.J. Rhodes, διοίκησις, Chiron 37 (2007) 356–362. Jüngst: L. Meier, Die Finanzierung öffentlicher Bauten in der hellenistischen Polis, Berlin 2012, 107–112.

[8] I.Lindos 419, siehe L. Migeotte, Les souscriptions publiques dans les cités grecques, Genf, Quebec 1992, Nr. 41, 121–126; G. Klaffenbach, Zu griechischen Inschriften, Mus.Helv. 6 (1949) 216–219; B. Dignas, Economy of the Sacred in Hellenistic and Roman Asia Minor, Oxford 2002, 94–95; B. Dignas, Rhodian Priests after the Synoecism, Ancient Society 33 (2003) 35–51, K. Harter-Uibopuu, Verbote und Strafen im Spannungsfeld zwischen Polis, Statthalter und Kaiser, in: H. Barta, R. Rollinger, M. Lang (Hrsg.), „Strafrecht und Strafen in den Antiken Welten: Unter Berücksichtigung von Todesstrafe, Hinrichtung und peinlicher Befragung“, Beiträge zur 5. Innsbrucker Tagung Lebend(ig)e Rechtsgeschichte, 17.–19.6.2009 , Wiesbaden 2012, 51–60. Wenn auch einschränkend gesagt werden muss, dass die vorliegende Konstruktion eines Fonds, der durch regelmäßige Einnahmen gespeist werden soll, eine Aus­nahme bildet, findet sich ein interessantes Vergleichsbeispiel doch in Beroia, wo auf Anwei­sung des Statthalters L. Memmius Rufus ein Fonds zur Aufrechterhaltung des Betriebes des Gymnasions gegründet wurde (I.Beroia 7), vgl. dazu unten bei Anm. 85.

[9] Dignas, Economy of the Sacred (o. Anm. 8), 95; F. Quaß, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens. Untersuchungen zur politischen und sozialen Entwicklung in hellenistischer und römischer Zeit , Stuttgart 1993, 306–307.

[10] Dignas, Rhodian Priests (o. Anm. 8), 44.

[11] I.Lindos 419 Z.21–30 zum Verkauf von Bronze und Eisen (jeweils mit Kommentar von Blinkenberg); Z.30–44 zum Verkauf der Inschriften auf alten Statuen, der allerdings daran gebunden ist, die Statue am selben Platz stehen zu lassen, vgl. dazu jüngst M. Kajava, Inscrip­tions at Auction, Arctos 37 (2003) 69–80; Z.44–58: Möglichkeiten einer Epangelie in der Volksversammlung von Lindos; Möglichkeit der Ausübung des Amtes des hierothytas (Z.58–75) oder des Priesteramtes (Z.75–92) auf eigene Kosten, das dafür im staatlichen Budget vorge­sehene Geld konnte dann auch in den neuen Fonds überwiesen werden und zu dessen Ver­größerung beitragen.

[12] Der grammateus ist auch in I.Lindos 233, Z.3–4 (129 v. Chr.) und I.Lindos 190, Z.7–8 (ca. 170 v. Chr.) belegt. Die mastroi sind seit dem Synoikismos der rhodischen Städte der lokale Rat, der unter Aufsicht der epistatai tagt (Rhodes, Decrees, o. Anm. 1, 273), dazu P. Fröhlich, Les Cités Grecques et le Contrôle des Magistrats (Hautes Études du Monde Gréco-Romain 33), Genf 2004, 181–192 mit gleichnamigen Institutionen in anderen Städten. Z.103–116 des Textes sind zu fragmentiert, um einen Zusammenhang ohne Zweifel erkennen zu lassen, allerdings deutet wohl die Erwähnung der Gelder in Z.108, einer Übergabe (?) in Z.110 und 114 und der hierotamiai in Z.112 auf Regulierungen zur Übergabe der Kasse oder der Verantwortlichkeit der Priester. Dazu passt auch die (besser erhaltene) Strafklausel, die den Schuldigen als asebes der Göttin gegenüber qualifiziert und den epistatai die Pflicht auferlegt, ihn mit einer Schuld von 10.000 Drachmen, die ihr geweiht sind, in die entsprechende Schuld­nerliste aufzunehmen.

[13] Der zweite Tatbestand, die ungenügende Erfüllung der Vorschriften, wird auch in I.Lindos 2, dem einleitenden Dekret zur Tempelchronik AZ.11–12 unter Strafe gestellt: ὅ τι δέ κά τις μὴ ποιήσηι [τ]ῶν [ἐν τῶιδε τῶι] ψαφίσματι γ[ε]γραμμένων, ἀποτεισάτω ἰερὰς Ἀθάνας Λινδίας δραχμὰς | πεντακοσίας (Derjenige, der etwas von dem, was in diesem psephisma vor­geschrieben ist, nicht ausführt, soll 500 Drachmen, der Athena Lindia geweiht, zahlen.), vgl. C. Higbie, The Lindian Chronicle and the Greek Creation of their Past, Oxford 2003, Text und Übersetzung 18–49.

[14] Dieses Kollegium ist in Lindos seit dem 2. Jh. v. Chr. drei Mal belegt, allerdings nennt nur die vorliegende Inschrift ihren Aufgabenbereich. Fröhlich, Contrôle (o. Anm. 11), 81–82 vergleicht sie mit den euthynai anderer griechischer Städte und nimmt an, dass sie auch für die Rechnungslegung anderer lindischer Amtsträger verantwortlich waren.

[15] Dazu zuletzt V. Gabrielsen, The Rhodian Associations Honouring Dionysodoros from Alexandria, Classica et Mediaevalia 45 (1994) 137–160, der eine detaillierte Studie der ver-

schiedenen Dokumente, die in diesem Dossier zusammengefasst sind, vorlegt (SEG 44, 686).

[16] Das Verb κινεῖν („abändern“) in Z.98 bezeichnet hier wohl verkürzt die Antragstellung mit dem Ziel der Abänderung des ursprünglichen Beschlusses. „Abändern“ ist wohl auch die Bedeutung des Verbs in IG V 2, 357 (IPArk 17), Z.197–200 und J. u. L. Robert, La Carie. Historie et Géographie Historique II, Paris 1954, Nr. 166, Z.17 (SEG 35, 1085, Apollonia Salbake, Anf. 2. Jh. v. Chr.). Der νόμος ἀκίνητος ist hier also als „unabänderbare Satzung“ zu interpretieren (wie es die Lektüre von Aristot. Pol. 1269a nahelegt). Der Verweis auf die Satzung des Koinon verdeutlicht, dass in dieser allgemeine Strafen und wohl auch prozessuale Fragen geregelt waren, wie wir es auch aus anderen Vereinssatzungen kennen. Ein gutes Bei­spiel dafür sind die Satzungen der Iobakchen aus Athen, IG II2 1368, Z.63–110. Vgl. allgemein immer noch F. Poland, Geschichte des griechischen Vereinswesens, Leipzig 1908 (unver­änderter Nachdruck Leipzig 1967), 446–452.

[17] Zunächst in der Einleitung zu I.Lindos 419 selbst (Z.4), dann auch unter anderem IG XII 1, 890, Z.32; I.Lindos 2, Z.2.

[18] Die Beschlussvorlage wird — ebenso wie der Antrag — oft in rhodischen Dekreten er­wähnt: I.Lindos 233, Z.8; I.Lindos 419, Z.121; IG XII 1, 1033 (I.Lindos add. S.1007, Z.2); Tit. Camirenses 112, Z.1. Zur Verantwortlichkeit der Amtsträger in klassischer und frühhelle­nistischer Zeit siehe nun vor allem L. Rubinstein, Individual and collective liabilities of boards of officials in the late classical and early hellenistic period, in: B. Legras, G. Thür (Hrsg.), Symposion 2011. Akten der Gesellschaft für griechische und hellenistische Rechtsgeschichte Nr.22, Wien 2012, 329–354 im Speziellen bei Anm. 13 und 14 zu den Abänderungsverboten.

[19] Vgl. A. Delli Pizzi, Impiety in Epigraphic Evidence, Kernos 24 (2011) 63. 65 und 75–76.

[20] Ein weiterer Strafsatz ist in I.Lindos 2, Z.11–12 (Tempelchronik, 99 v. Chr.) erhalten. Vorgesehen ist die Zahlung von 500 Dr. für den Fall, dass etwa Vorschriften aus dem Dekret nicht ausgeführt werden.

[21] I.Ephesos 26, Z.20a–23: [– – – οὐδενὸς ἔχοντος | ἐξ]ου̣σί̣αν ο[ὔτ]ε ἄρχον[τος οὔτε ἰ]διώτο[υ οὔ]τε ἐκδίκου ο̣[ὔτε – – – τὰ ἐψηφι|σμ]ένα. περὶ οὗ ἐπηρά[σατ]ο μὲ[ν κ]οινῇ π̣ᾶ<σ>α ἡ γερουσία τῷ [πειράσοντι – – –, ἐψηφίσατο δὲ καὶ ἀσεβείᾳ αὐτὸν] | ε̣ἶ̣ναι ὑπεύθυνον κα[ὶ ἱερο]συλίᾳ· ἔ̣[τι κ]αὶ ὑπεύθυνον αὐτὸν κατέσ[τησεν – – –]. (Niemand hat das Recht, weder ein Amtsträger noch ein Privatmann noch ein ekdikos noch ... die Beschlüsse (?). In diesem Zusammenhang hat die ganze Gerousia einen Fluch ausgesprochen über denjenigen, der es wagt (?), und hat beschlossen, dass er sich wegen asebeia (?) und hierosylia verantworten soll. Darüber hinaus soll er verantwortlich sein ... ). Vgl. zu diesem Text die Edition von R. Heberdey, FiE II 20, und J.H. Oliver, Sacred Gerousia (Hesperia Suppl. 6), Athen 1941, Nr. 12, 96–100; C. Picard, Ephèse et Claros, Paris 1922, 287–302 und 364–366; Dignas, Economy of the Sacred (o. Anm. 8), 199. Ich sehe keine Veranlassung dazu, wie die Herausgeber der I.Ephesos von einer Stiftung des Nikomedes auszugehen, da entsprechende Angaben fehlen. Sicher scheint zu sein, dass Nikomedes für die Gerousia von Ephesos eine neue Einkommens­quelle erschlossen hatte, das muss aber nicht unbedingt im Rahmen einer Stiftung geschehen sein.

[22] J. Fournier, Les syndikoi, représentants juridiques des cités grecques sous le Haut-Em­pire romain, CCG 18 (2007) 7–36; ders.,Entre tutelle romaine et autonomie civique : l’administration judiciaire dans les provinces hellénisées de l’Empire romain (145 av. J.-C. – 212 apr. J.-C.), BEFAR 341, Athen 2010, 215–219 (zu den ekdikoi in Mylasa) und 442–443.

[23] Zur Entwicklung des Amtes vgl. S. Dmitriev, City Government in Hellenistic and Roman Asia Minor, Oxford 2005, 213–216, L. Peppe,Sulla giurisdizione in populos liberos. Del governatore provinciale al tempo di Cicerone, Mailand 1988, 122–124 und Fournier, Administration judiciaire (o. Anm. 22), 441–443. Das Amt ist in Ephesos gut belegt, wenn auch erst ab dem 3. Jh. n. Chr., die Stiftung des Salutaris stellt mithin die früheste Erwähnung dar. Ἔκδικος τῆς βουλῆς: I.Ephesos 951, Z.15–16 (E. 2. / Anf. 3. Jh. n. Chr.); I.Ephesos 740, Z.15 (211/2 n. Chr.); ἔκδικος τῆς γερουσίας: I.Ephesos 892, Z.22–23 (3. Jh. n. Chr.); I.Ephesos 737, Z.12–13 (244–246 n. Chr.); I.Ephesos 1075 enthält eine Ehreninschrift des Synedrion der Kureten für M. Aurelius Menemachos, Prytane, Asiarch und ekdikos des Synedrions (E. 2. Jh. n. Chr.). Auch die Belege für ἔκδικοι ohne nähere Bestimmung, die möglicherweise Rechts­vertreter der ganzen Stadt gewesen waren, stammen erst aus dem 3. Jh. n. Chr. (I.Ephesos 614 c, Z.8–10 und SEG 37, 886, Z.15). Vgl. dazu auch unten bei Anm. 60.

[24] Dazu vor allem N. Deshours, Les Mystères d’Andania. Études d’épigraphie et d’Histoire Religieuse (Scripta Antiqua 16), Bordeaux 2006, 84–87, und K. Harter-Uibopuu, Strafklauseln und gerichtliche Kontrolle in der Mysterieninschrift von Andania, Dike 5 (2002) 137 und 140–141.

[25] Diese Aufhebung aller Konsequenzen, die ein verbotener Antrag gehabt haben könnte, findet sich auch in IG IX 12 2, 583, Z.72–75, einem Vertrag der Akarnanen mit der Stadt Anaktorion über das Heiligtum des Apollon von Aktion, oder Syll.3 672, Z.18–19, einer Ur­kunde über eine Stiftung Attalos II. an die Stadt Delphi. Jedenfalls war ein eventuell gefasster Beschluss ungültig, für den möglicherweise entstandenen Schaden wurde aber niemand persönlich haftbar gemacht.

[26] Harter-Uibopuu, Strafklauseln und gerichtliche Kontrolle (o. Anm. 24), 141–142.

[27] Die Fülle an Strafzahlungen und Schadenersatzleistungen im diagramma aus Andania ermöglicht einen Vergleich der Wertung der einzelnen Tatbestände. Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwendung der Einkünfte aus den Mysterien entgegen dem hier vorge­stellten Verbot wird dabei mit den strengsten Strafen bedroht und ist deutlich von den kleinen Delikten, die in die Kompetenz des agoranomos fallen, und den Verstößen gegen die Fest­ordnung abgesetzt. Lediglich den pente, dem Kollegium, das für die Finanzverwaltung der Mysterien zuständig ist, wird eine ähnliche Strafe für Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung angedroht, neben der Schadenersatzleistung in Höhe des duplums handelt es sich dabei um ein epitimion von 1000 Drachmen. Auch in diesem Fall ist den Richtern eine Minderung des Straf­satzes untersagt. Zu den Kompetenzen der pente siehe Deshours, Mystères (o. Anm. 24), 92–93 und Fröhlich, Contrôle (o. Anm. 11), 187–188.

[28] Allgemein zu den käuflichen Priestertümern aus Kos: H.-U. Wiemer, Käufliche Priester­tümer im hellenistischen Kos, Chiron 33 (2003) 263–310 und R. Parker, D. Obbink, Aus der Arbeit der „Inscriptiones Graecae“ VI. Sales of Priesthoods on Cos I, Chiron 30 (2000) 415–447, und dies., Aus der Arbeit der „Inscriptiones Graecae“ VII. Sales of Priesthoods on Cos II, Chiron 31 (2001) 229–251.

[29] IG XII 4, 1, 311, Z.56–61: 56[... μὴ | ἐξέστω δὲ] μ̣ήτε μετάγ[εν τὰς ἀπ’ αὐτῶν ποθόδους μήτε ἐς ἄλ|λο καταχρ]ήσασθαι ἢ [ἐς κατασκευὰν ἀργυρωμάτων – – – | – – – ἂ]ν δέ τις γρά[ψηι ἢ ἐπιψηφίξηι – – – , ἐνθύμιον ἔστω |60 αὐτῶι ὡς ἀ]σεβοῦντι̣ [ἐς τὸ θεῖον – – –· ἀποτεισάτω | δραχμὰ]ς χιλίας ἱε[ρὰς – – – ...] (Es sei nicht erlaubt, die Einnahmen hieraus wegzubringen oder zu etwas anderem zu verwenden außer zur Anschaffung des Silbergeräts ... Wenn jemand beantragt oder abstimmen lässt ..., soll Fluch ihm sein wie einem Frevler gegen das Göttliche ... und er soll als Strafgeld zahlen eintausend Drachmen, heilig der/dem ...; Übersetzung von K. Hallof in der digitalen Edition der IG http://pom.bbaw.de/ig/index.html). Ob in Z.57–58 wirk­lich eine Verfluchung des Übertretenden zu ergänzen ist, die für diesen Tatbestand in Kos sonst nicht belegt ist, oder lediglich ein Verweis auf die asebeia und ihre Verfolgung, ist nicht zu entscheiden.

[30] Zu dem von Segre edierten linken Teil des Textes, Fragment a (I. di Cos ED 237), konnte Hallof ein weiteres Fragment b hinzufügen (Paton-Hicks 33), IG XII 4, 1, 343.

[31] Nicht die Ausschreibung (diagraphe) selbst ist heilig, sondern sie „betrifft ἱερά“, daher übersetzt K. Hallof in der digitalen Edition der IG auch „sakral“.

[32] Möglicherweise richtet sich der erste Teil des Verbots gegen Privatpersonen, man könnte in der Lücke zwischen den beiden Fragmenten in Z.16 auch an eine Ergänzung μὴ ἐξέστω ὑπὲρ [τούτου μήτ’ ἰδιώται γνώ]μαν ἀγορεύεν … denken und hätte damit eine Ent­sprechung zu μήτε προστάται in Z.17.

[33] S. Sherwin-White, Ancient Kos (Hypomnemata 51), Göttingen 1978, 199–205 mit 201–202 zur Finanzverwaltung. Siehe unten Anm. 37 zur Verantwortung der einzelnen Amtsträger (Z.18–19), die wohl nicht als gesamtes Gremium bestraft wurden.

[34] Zum Verhältnis der beiden Texte zueinander und zur Forschungsgeschichte vgl. Parker, Obbink, Sales of Priesthoods I (o. Anm. 28), 429–432.

[35] Parker, Obbink, Sales of Priesthoods I (o. Anm. 28), 438–440.

[36] Normalerweise bedeutet ψαφίζομαι „zur Abstimmung bringen“. Zur unüblichen Verwen­dung des Begriffes als „den Antrag stellen“ siehe Parker, Obbink, Sales of Priesthoods I (o. Anm. 28), 440–41, die auf IG XII 4, 1, 284, Z.9–10 (Gesetz zum Schutz eines Haines, Mitte 3. Jh. v. Chr.) verweisen und weitere Parallelen zitieren. Vgl. auch M. Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Stiftung aus Oinoanda (Vestigia 39), München 1988, 165.

[37] Parker, Obbink, Sales of Priesthoods I (o. Anm. 28), 441 verweisen unter anderem auf IG XII 4, 1, 343a (oben bei Anm. 30) und G.Kokkorou-Aleura, Halasarna I, Athen 2004, Nr.5, Z.10–12 (SEG 54, 743). Siehe dazu auch L. Robert, Sur des inscriptions de Chios, BCH 57 (1933) 511 (OMS 1, 479) mit weiteren Beispielen.

[38] IG XII 4, 1, 294, Z.40–44: 40 [– – – μὴ ἐξέστωι δὲ μήτε] | ἄρχοντι μήτε ἰδιώιτᾳ μ[ηδενὶ ἐς ἄλλο καταχρήσασθαι τὰ τοῦ θεοῦ χρήματα] | ἢ μετάγεν τὰς ἀπ᾿ αὐτῶ[ιν ποθόδους – – –] | αὐτῶι ἔστωι περὶ πᾶν ὅ τι [κα γράψῃ ἢ ἐπιψαφίξῃ καὶ ἀποτινέτωι – – –] |44 καὶ ἁ γνώιμαι ἄκυρος ᾖ· (Es sei nicht erlaubt, weder einem Amtsträger noch einem Privatmann, das Geld des Gottes zu anderem Zweck zu missbrauchen oder einer anderen Verwendung zuzuführen die Einnahmen aus diesem; - - - soll ihm sein für alles, was beantragt oder beschlossen wurde, und er soll bestraft werden - - - und die Beschlussvorlage soll ungültig sein.). Die Lücke könnte in Z.44–45 eine Verfluchung oder Atimie-Erklärung enthalten haben.

[39] Dazu vgl. Rubinstein, Response (o. Anm. 3), 118 und Anm. 14. Zur Bedeutung der dia­graphe siehe zusammenfassend Wiemer, Käufliche Priestertümer (o. Anm. 28), 268–271.

[40] Vgl. allgemein dazu Wiemer, Käufliche Priestertümer (o. Anm. 28), 280–281.

[41] Deutliche Kontinuität hellenistischer Vorbilder lassen die Inschriften aus Kalchedon er­kennen, die hier zum Vergleich herangezogen werden sollen. I.Kalchedon 10, 11 und 12 bezie­hen sich jeweils auf den Verkauf von Priesterstellen, wobei Nr. 10 und 11 aus dem 3./2. Jh. v. Chr. stammen, Nr.12 aus dem 1. Jh. v. Chr. oder dem 1. Jh. n. Chr. In I.Kalchedon 10 wird zunächst verboten, dem Käufer des Priestertums dieses wieder abzunehmen (ἀφελέσθαι, Z.9). Darauf folgt die Strafklausel, die sich gegen denjenigen richtet, der dazu einen Antrag stellt oder zur Verhandlung zulässt, sei es vor dem Rat oder der Volksversammlung. Festgesetzt sind 1000 Drachmen, die dem Herakles geschuldet werden. Ein ähnlicher Text wird wohl bei dem wesentlich stärker fragmentierten Stein I.Kalchedon 11 (Z.1.8) zu ergänzen sein, wobei dort nicht nur auf das Priestertum selbst, sondern auch auf die Einkünfte daraus Bezug genommen wurde (Z.2). Interessant sind dann die Bestimmungen aus I.Kalchedon 12, Z.13–17: ὃς δέ κ[α] εἴπηι ἢ προαισιμνάσηι [ἢ ἐν βου|λᾶι] ἢ ἐν δάμωι ἢ ἄλλει χ’ ὁπειοῦν [ὡς δεῖ | ἀφε]λέσθαι τὸν πριάμενον τὰν ἱερω[τείαν, |16 χιλ]ίας δραχμὰς ἀποτεισάτω ἱερὰ[ς τοῦ | Ἀσ]κλαπιοῦ. (Wer aber einen Antrag stellt oder zur Verhandlung zulässt in der Boule oder der Volksversammlung oder wo auch immer, dass es notwendig sei, dem Käufer das Priestertum zu entziehen, soll 1000 Drachmen zahlen, die dem Asklepios geweiht sind.) Während der Tatbestand (Entzug des Priestertums) und die Strafe (1000 Drachmen an den Gott) gleich sind wie in I.Kalchedon 10, wird in dem spätesten Text eine weitere, nicht näher spezifizierte Möglichkeit der legalen Abänderung ausgeschlossen. „Wo auch immer“ (Z.14) könnte möglicherweise ein Hinweis auf die Einschaltung des Statthalters sein, die im vorliegenden Text ausgeschlossen werden sollte (siehe dazu auch unten bei Anm. 60).

[42] Unten bei Anm. 48 und 58.

[43] Dignas nimmt an, dass es sich bei diesem um einen Amtsträger gehandelt haben muss, der für sakrale und öffentliche Bauten zuständig war. Der Titel ist in Mylasa für das 2./1. Jh. v. Chr. in einem Dekret zu Ehren des Ratsherrn Antiochos belegt, der das Amt mehrfach innehatte (I.Mylasa I, 106, Z.5; 107, Z.6). Er war nicht nur für die Aufsicht über die Bauten verant­wortlich, sondern investierte darüber hinaus eigenes Geld. Ob er gleichzeitig auch die Aufsicht über die Finanzierung der Bautätigkeit hatte, geht aus dem Ehrendekret nicht eindeutig hervor, wie Dignas bemerkt,Economy of the Sacred (o. Anm. 8), 213 Anm. 489. Zu den prozessrecht­lichen Aspekten der interessanten Inschrift vgl. Fournier, Administration judiciaire (o. Anm. 22), 230–232.

[44] I.Labraunda II, 56, Z.9–13: τὰ δὲ ἐκ τῶν προσόδων | [τ]ο̣[ῦ θ]ε̣[ο]ῦ περισσεύοντα κατ’ ἐνιαυτὸν χρήματα ὑπὲρ τὰ̣ δαπα|[νήματα αὐτ]ῶ̣[ι] τῶι̣ θεῶι v εἴς τε τὰς μισθοφορὰς τῶν δημοσί|12[ων καὶ εἰς τὰ ἱερὰ ἔργα? δίδοσ]θ̣αι ὀφείλο̣ντα μηδενὶ ἐξέστωι | [εἰς μηδὲν ἄλλο ἀναλίσκειν?· ...] (Niemandem soll es erlaubt sein, die Gelder, die jährlich aus den Einkünften des Gottes verbleiben, nachdem die notwendigen Ausgaben für den Gott selbst, für die Miete der öffentlichen Sklaven und die heiligen Arbeiten bezahlt wurden, für etwas anderes zu verwenden (?) ...).

[45] Eine enge Parallele findet sich im Statut der Iobakchen, IG II2 1368, Z.30–31, wo eben­falls die Verpflichtung eingegangen wird, die Vorschriften aus den Satzungen einzuhalten. εὐτονήσουσι γὰρ οἱ προεστῶ|τες τοῦ μηδὲν αὐτῶν λυθῆναι (Es bekräftigen die Vorsteher, dass nichts davon aufgelöst werde). Zu ähnlichen Schwurformeln in den Bürgereiden der klassi­schen und hellenistischen Zeit vgl. unten bei Anm. 139.

[46] Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 179–182.

[47] Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 186–187.

[48] Zur Frage der Rechtsgültigkeit der Vorschriften aus Stiftungen siehe Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 2–8 und 211–212; vgl. auch die Ausführungen von H.-J. Wolff, Rez. A. Mannzmann, Griechische Stiftungsurkunden, Münster 1962, Iura 13 (1962) 269–272. K. Harter-Uibopuu, Stadt und Stifter – Rechtshistorische Einblicke in die Struktur und Verwaltung öffentlicher Stiftungen im Hellenismus und in der Kaiserzeit , in: S. von Reden (Hrsg.), Stiftungswesen zwischen Staat, sozialer Verantwortung und Selbstinteresse. Ein historischer Vergleich von der Antike bis zur Gegenwart, Freiburg (im Druck), ab Anm. 10.

[49] Die Inschrift enthält ein Ehrendekret für den Stifter Theopompos, Sohn des Arche­demos, der 40.000 Drachmen für die Bereitstellung von Öl im Gymnasion der Stadt übergab. IG XII 9, 236, Z.51–52: ὅπως δὲ μένῃ τὸ ἀνακείμενον ἀσφα|λῶς κατὰ τὴν τοῦ ἀναθέντος βούλησιν ... (Damit das Stiftungskapital sicher gemäß dem Willen des Stifters verbleibe, ...). Besonders deutlich tritt in diesem Text die Beteiligung der Öffentlichkeit am Schutz der Be­stimmungen zur Stiftung hervor. Eine hohe Geldstrafe steht auf jeden Versuch, das Kapital missbräuchlich zu verwenden oder einen entsprechenden Antrag zu stellen. Zur Einbringung der Strafe von 60.000 Drachmen, die Artemis geweiht werden, ist jedem, der dies will, eine ἀπαγωγή gestattet. Der Beschuldigte wird in diesem Verfahren, das in Athen detailliert be­schrieben ist, ergriffen und vor die zuständigen Amtsträger gebracht. Normalerweise wird es in Situationen vorgeschrieben, in denen die Gefahr besteht, dass sich der Täter der Verantwortung etwa durch Flucht entzieht. Vgl. M.H. Hansen, Apagoge, Endeixis and Ephegesis against Kakourgoi, Atimoi and Pheugontes, Odense 1976, 36–48.

[50] Auf den Willen des Stifters wird natürlich in besonderer Weise in den testamen­tarischen Stiftungen verwiesen, vgl. dazu etwa aus Aphrodisias die Stiftung des Aristokles Molossos, IAph 2007, 12.803 (Laum, Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr. 100) oder die Stiftungen des Attalos Adrastos, IAph 2007, 12.26 (Laum, Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr.102). Eine ausführliche Liste bei Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 116–118. Zum Text von Z.1–4 siehe unten Anm. 56; zum Text von Z.6–10 unten bei Anm. 78 mit weiterführender Literatur.

[51] Eine Ausnahme ist die eben zitierte Inschrift I.Kaunos 34, eine Stiftungsurkunde zur Finanzierung eines Wettkampfes, die allerdings nicht vollständig erhalten ist. I.Smyrna 709 enthält eine Stiftung für die Hieroniken, am Beginn des schlecht erhaltenen Steins könnte ebenfalls ein allgemeines Abänderungsverbot ohne Nennung der Adressaten gestanden haben. Auch für SEG 33, 946, die Stiftung des Peplos aus Ephesos, ist der Anfang des Abänderungs­verbotes nicht erhalten, sodass keine Aussage darüber getroffen werden kann, wer unter den Adressaten genannt wurde.

[52] Zur Verwendung des Begriffes ἄρχων und verwandter Termini siehe Dmitriev, City Government (o. Anm. 23), 109–112 mit zahlreichen Beispielen. Dass gerade von den Amts­trägern eine Gefahr für das Stiftungskapital ausgehen konnte, belegt eindrücklich eine Episode aus der Geschichte von Antiochia, die bei Johannes Malalas, Chronograph. 12,3, überliefert ist. Einige Bürger von Antiochia waren bei Kaiser Commodus vorstellig geworden, um eine Ab­sicherung der Stiftung des Sosibios anzusuchen, aus deren Einkünften die Olympieia finanziert wurden. Die Verwaltung der Einkünfte sollte nicht bei den jeweiligen Amtsträgern, sondern bei der städtischen Kasse liegen, wohl um Missbrauch zu verhindern. Vgl. dazu J.H. Oliver, The Ruling Power. A Study of the Roman Empire in the Second Century after Christ through the Roman Oration of Aelius Aristides (TAPhS N.S. 43,4), Philadelphia 21980, 969 (Case VII) und 971–72. Zur Sicherung von Stiftungen durch Kaiser und Statthalter unten ab Anm. 90. All­gemein Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 190–191.

[53] Dazu siehe unten bei Anm. 65.

[54] Als Beispiele seien hier die athenischen Inschriften IG II2 43, Z.51–56 (378/7 v. Chr., Abänderungsverbot) und 1629 (325/4 v. Chr., Strafklausel) angeführt. IG XII 8, 264 (Thasos, Anf. 4. Jh. v. Chr.); IG XII 9, 191 (Eretria, Ende 4. Jh. v. Chr.) und IG XII 7, 69 (Amorgos, Ende 4. / Anfang 3. Jh. v. Chr.) belegen die Verwendung der differenzierten Ansprache mög­licher Täter zu dieser Zeit auch außerhalb Athens. Aus dem 3. Jh. v. Chr. stammen etwa I.Priene 12 (300/290 v. Chr.); SEG 25, 447 (Alipheira, 273 v. Chr., IPArk 24) oder auch IG V 2, 344 (Orchomenos, ca. 235 v. Chr., IPArk 16). 2. Jh. v. Chr.: IG IV 752 (Troizen, 1. H. 2. Jh. v. Chr., Klagsausschluß Z.4–5); Syll.3 672 (Delphi, 160/59 v. Chr., Stiftung des Attalos II., Abänderungsverbot); McCabe, Teos 41 (Stiftung des Polythrous, 2. Jh. v. Chr., Abänderungs­verbot).

[55] C. Caninius Synallasson: I.Iasos 248 (hadrianisch, Laum, Stiftungen I, o. Anm. 5, Nr. 124), Z.54–57: ἐφ’ ᾧ οὐ|δενὶ ἐξέσται ἄρχοντι οὐδὲ ἑτέρῳ οὐδενὶ με|ταδιατάξαι ἕτερόν τι περὶ τούτων τῶν πεντα|κισχειλίων δηναρίων ἢ τῆς προσόδου αὐτῶν, ... (Unter diesen Bedingungen soll es keinem Amtsträger noch jemandem anderen erlaubt sein, etwas anderes anzuordnen bezüglich der 5000 Denare oder der Einkünfte daraus, ...). C. Iulius Demosthenes, Oinoanda: SEG 38, 1462, Z.36, vgl. unten bei Anm. 74. Zum interessanten Befund der Salutaris-Stiftung vgl. unten bei Anm. 60.

[56] Stiftung des Aristokles Molossos: IAph 2007, 12.803 (Laum, Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr. 100), Z.46–52: ὁμοίως δὲ μηδενὶ ἐξέστω μή|τε ἄρχοντι μήτε γραμματεῖ μήτε [ἰδι|48ώτ]ῃ μ[ετα]γαγεῖν εἰς ἕτερον [μήτε πᾶν | τὸ] τῶν δε δόσεων ἀργύριον̣ μή|[τ]ε μέρος, χωρεῖν δὲ αὐτὸ εἰς [τὰς | δόσ]εις, καθὼς ἡ Μολοσσοῦ διαθήκ̣[η περι]|52έχει· (In gleicher Weise ist es nieman­dem erlaubt, weder einem Amtsträger, noch einem grammateus, noch einem Privatmann, das Geld, das für die Verteilungen bestimmt ist, einem anderen Zweck zuzuführen, weder zur Gänze noch zu einem Teil. Man soll es für die Verteilungen aufwenden, sowie es das Testa­ment des Molossos vorsieht.). Stiftung des Attalos A: IAph 2007, 12.26 (Laum, Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr.102), b Z.1–4: [— μηδενὶ | ἐξέστω μήτε ἄρχοντι μήτε γραμ|ματε]ῖ μή[τε] ἰδιώτῃ μήτε μέ[ρος | μή]τ̣ε πᾶν μήτε ἀρχαίου μήτε [τό|4κο]υ μεταγαγεῖν ... (niemandem steht es zu, weder einem Amtsträger, noch einem grammateus, noch einem Privatmann, weder zum Teil noch zur Gänze, sei es das Kapital, sei es den Zins, einer anderen Verwendung zuzuführen, ...).

[57] Vgl. das früheste Zeugnis: IAph 2007, 8.3 (88 v. Chr., Dekret von Plarasa/Aphrodisias; J. Reynolds, Aphrodisias and Rome, London 1982, Doc. 2). Antragstellung des grammateus gemeinsam mit den archontes und einem oder zwei strategoi: IAph 2007, 12.207, Z.1–3: ἔδοξεν τῇ βουλῇ κα̣ὶ τῷ δήμῳ γνώμη ἀρχόντων καὶ Ὑψικλέους [τ]οῦ̣ Ὑ̣[ψικλέ]|ους τοῦ Μενάνδρου γραμματέως δήμου καὶ Μενίππου τοῦ Τειμοκλέους τοῦ Π̣[ο]|λεμάρχου τοῦ ἐπὶ τῆς χώρας στρατηγοῦ (Beschluss von Rat und Volk, Antrag der archontes und des Hypsikles, S.d. Hypsikles, S.d. Menandros, grammateus des Volkes, und des Menippos, S.d. Timokles, S.d. Polemarchos, des strategos für das Land, ...; Trostbeschluss für T. Antonius Lysimachos Grypos, 1. Jh. n. Chr.); IAph 2007, 12.205, Z.1–7 (Trostbeschluss für Tatia Attalis, 1.–2. Jh. n. Chr.). Ohne archontes: IAph 2007, 12.1015, Z.1–2 (Trostbeschluss, 2. Jh. n. Chr.); IAph 2007, 12.309 (Dekret des Rats, Trostbeschluss für Apphia, T.d. Timotheos, 1.–3. Jh. n. Chr.). Archontes, grammateus, und paraphylax: IAph 2007, 12.319 (Ehrendekret für Praxiteles, S.d. Aristeas, Anf. 2. Jh. n. Chr.). Auch das Präskript des Ehrendekrets für Aristokles Molossos, das die Stiftung enthält, nennt als Verantwortliche für die γνώμη namentlich zwei strategoi und den grammateus (der gleichzeitig Priester der Diva Augusta Iulia ist).

[58] Stiftungsurkunde für eine Exedra, Kos, 1. H. 2. Jh. n. Chr., IG XII 4, 1, 353, Z.18–27: [κ]αὶ μηδενὶ ἄλλ[ῳ ἐ]ξῆ|μεν μήτε ἰδιώτ[ᾳ μ]ήτε ἄρ| 20χοντι μήτε γυμ[να]σιάρχῳ | ἢ ἐπιμελητᾷ τᾶς [γ]ερουσί|ας καθόλου μήτε εἰκόνα | μήτε ἄγαλμα μήτε ἀνδρι|24άντα ἀναθέμεν ἐν ταύ|τᾳ τᾷ ἐξέδρᾳ τρόπῳ μηδε|νὶ μηδὲ παρευρέσι μηδε|μιᾷ, ... (und keinem anderen sei es erlaubt, weder einem Privatmann noch einem Amtsträger noch einem Gymnasiarchen oder dem epimeletes der Gerousia überhaupt weder ein Bild noch ein Götterbild noch eine Statue in dieser Exedra zu weihen auf keine Weise und unter keinem Vorwand, ...). Gauthier, BE 1995, 448.

[59] S. Sherwin-White, Ancient Cos (o. Anm. 33), 222–223; K. Buraselis, Kos between Hellenism and Rome (TAPhS 90, 4), Philadelphia 2000, 112–114 zur Gerousia von Kos.

[60] I.Ephesos 27 (Laum, Stiftungen II, Nr. 74; J.H. Oliver, The Sacred Gerousia [Hesperia Suppl. 6], Athen 1941, Nr. 3; G. MacLean Rogers, The Sacred Identity of Ephesos. Foundation Myths of a Roman City, London, New York 1991, 80–126 zu den einzelnen Statuen und der Route der Prozession). Die Abänderungsverbote sind erhalten im Volksbeschluss über die Stiftung (A Z.106–116), im Brief des C. Vibius Salutaris mit dem Stiftungsversprechen und den Details zur Ausführung (B Z.315–325), im Brief des Proconsuls C. Aquillius Proculus (C Z.385–386) und im Brief des legatus pro praetore P. Afranius Flavianus (D Z.399–413). Die Schreiben der römischen Amtsträger enthalten jeweils die Bestätigung der Stiftung und Aner­kennung der Freundschaft mit dem Stifter Salutaris.

[61] I.Ephesos 27, B Z.326–330: [ἡ δὲ προγεγραμμένη διάταξις ἔσ]τ̣ω κυρία εἰς τὸν ἅπαντα χρό|[νον —, καθάπερ Ἀκουίλλι]ος Πρόκλ[ος, ὁ ε]ὐ̣[ε]ρ̣[γ]έ̣της | 328 [καὶ ἀνθύπατο]ς, καὶ Ἀφράνιος Φλαουιανός, ὁ κράτιστος πρεσβευτὴς | κα̣[ὶ ἀντιστ]ρ̣άτηγος, διὰ ἐπιστολῶν περὶ ταύτης τῆς διατάξε|ως ἐπ̣εκύρωσα̣ν καὶ ὥρισαν τὸ προγεγραμμένον π[ρ]ό̣στειμ̣ον. (Die oben beschriebene diataxis soll Gültigkeit haben auf immer ... sowie Aquilius Proculus, der Wohl­täter und Proconsul, und Afranius Flavianus, der ehrenwerte legatus pro praetore, in Briefen diese diataxis bestätigt und die genannte Strafe festgelegt haben.)

[62] Während in der detaillierter ausgeführten ursprünglichen Version neben den Amts­trägern und Privatleuten auch dem ekdikos ein Einschreiten zur Veränderung der Stiftung ver­boten wird, erwähnt der Volksbeschluss nur die Amtsträger und Privatpersonen. Allerdings hat zweifelsfrei der Vorschlag des Stifters aus der diataxis in allen Details Geltung erlangt, da in dem Volksbeschluss immer wieder auf diese Anordnungen verwiesen wird, eine wortwörtliche Wiederholung also gar nicht notwendig war. Zum ekdikos siehe oben bei Anm. 23.

[63] I.Ephesos 26, 180–192 n. Chr., vgl. oben bei Anm. 21.

[64] R. Haensch, Capita Provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der römi­schen Kaiserzeit (Kölner Forschungen 7), Mainz 1997, 298–300.

[65] Oben bei Anm. 51.

[66] Vgl. oben bei Anm. 8. Da die Vorschriften für die Stiftungen sich in diesen Punkten nicht strukturell von den Vorschriften zum Schutz allgemeiner Beschlüsse unterscheiden, kann hier auf eine erneute detaillierte Diskussion verzichtet werden.

[67] In IG XII 4, 1, 352, Z.4 (Kos, 2. H. 1. Jh. n. Chr.): μηιδεὶς γνώμην ... ἀγορεύσῃ, IG XII 4, 1, 353, Z.30–31 (Kos, 1. H. 2. Jh. n. Chr.): μήτε τινὰ γνώμαν ἀγορεῦσαι; XII 9, 236, Z.56–57 (Eretria, Stiftung des Theopompos, Anf. 2. Jh. v. Chr.): ὅ τε γράψας ... ὀφειλέτω; IGR IV 1703, Z.2–4 (Chios, Stiftung des L. Nassius, 1. Jh. v. Chr.; Laum Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr.78; vgl. unten bei Anm. 69): μηδενὸς ἕξοντος ἐξουσίαν μηδ’ ἐκ | [π]ροστάγματος γράψαι ... ; SEG 38, 1462, Z.35 (Oinoanda, Stiftung des C. Iulius Demosthenes, 2. Jh. n. Chr.): Ἐὰν δέ τις ... εἰσηγήσηται; I.Ephesos 27, D Z.403–404: εἰ δέ τις πειραθείη ... εἰσηγήσασθαι.

[68] Üblicherweise wird das Vorlegen eines Antrages zur Abstimmung als ἐπιψηφίζειν be­zeichnet, so vor allem in Athen. Die Aufgabe, einen Antrag zur Abstimmung zu stellen, lag dort bei den proedroi, die sich ebenso wie der Antragsteller für ihr Auftreten in der Volks­versammlung verantworten mussten: Ath.Pol. 44, 2–3 und 59, 2 mit P. Rhodes, A Commentary on the Aristotelian Athenaion Politeia, Oxford 1993, 533–535 und 660. Vgl. zu kaiserzeitlichen Beispielen Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 165. Weiters: IG XII 4, 1, 352 (Kos, 2. H. 1. Jh. n. Chr.): In diesem Text wird im Detail ausgeführt, dass der Antrag weder in der Boule noch in der Volksversammlung gestellt und zur Abstimmung gebracht werden durfte: μηιδὲ ἐπιψηιφίσηται μήιτε ἐν βουλῆι μήιτε ἐν ἐκκλησίᾳ (Z.5), vgl. oben bei Anm. 48. IG XII 9, 236, Z.56 (Eretria, 2. Jh. v. Chr., Laum, Stiftungen II [o. Anm. 5], Nr. 61); I.Ephesos 27, A Z.108 (Stiftung des Salutaris).

[69] IGR IV 1703, Chios, Stiftung des L. Nassius, 1. Jh. v. Chr.; Laum, Stiftungen II (o. Anm. 5), Nr.78 nimmt noch an, dass es sich bei dem vorliegenden Text um eine Stiftung aus Erythrai handle. Zur neuen Lesung und Interpretation der Inschrift siehe A. Wilhelm,Die Beschlüsse der Chier zu Ehren des Leukios Nassios, Wiener Studien 59 (1941) 89–109 (Kleine Schriften II 5, 441–464) und J. Keil, Die Volksbeschlüsse der Chier für L. Nassius, ÖJh 35 (1943) Beibl. 121–126.

[70] Auch Wilhelm, Beschlüsse der Chier (o. Anm. 69), 101–103, der die Inschrift aufgrund der familiären Verhältnisse, die im zweiten Teil des Textes angesprochen werden, in die Zeit knapp nach dem Einfall der pontischen Truppen datiert, geht davon aus, dass ein Antrag ver­boten werden sollte, der durch einen Befehl etwa eines römischen Machthabers veranlaßt wurde.

[71] I.Manisa 20, Z.59–63a: μηδενὸς ἔχοντος ἐξουσίαν τὴν ἐπι|60βάλλουσαν αὐτῷ πρόσοδον ἐκ τῶν καθωσιωμένων τῷ μνημείῳ καὶ τῷ ἥ|ρωι μήτε ἀλλάξαι μήτε μεταδιατάξαι ἢ μισθῶσαι ἢ ὑποθέσθαι ἢ ἀνθ’ ἑαυ|τοῦ ἕτερον κακοτέχνως εἰσαγαγεῖν εἰς τὸ δίκαιον τῆς προσόδου ἢ τῆς κυ|ριήας τῶν συνκαθωσιωμένων τῷ μνημείῳ. (Dabei soll es niemandem gestattet sein, die Einkünfte, die ihm aus den zugunsten des Grabmals und des Heros gestifteten Grundstücken zufallen, zu verändern, noch einem anderen Zweck zuzuführen, oder in Pacht oder als Pfand zu geben, oder statt seiner in betrügerischer Weise jemanden anderen in das Recht und den An­spruch auf die Einkünfte und die Verwaltung der zugunsten des Grabmals vorgenommenen Stiftung einzusetzen.); P. Herrmann, K. Polatkan, Das Testament des Epikrates und andere neue Inschriften aus dem Museum von Manisa, Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl., SB 265,1, Wien 1969, 31.

[72] SEG 4, 598, Z.24–25: [ ... μή]τε τρ<ό>πῳ | [μή]τε παρευ[ρέσει μηδεμιᾷ· …] (Teos, 1. Jh. v. / n. Chr.). Im Referat über die Leistungen der Priesterin Hediste in einer Ehreninschrift der Dionysiasten findet auch eine Geldstiftung Erwähnung. Jede missbräuchliche Verwendung der Gelder durch die Thiasotai wird mit Strafe bedroht. Ebenso (wenn auch stark fragmentiert) IG XII 4, 1, 81, Z.29–30 (Kos, Stiftung des Teleutias für die Asklepieia, 1. H. 2. Jh. v. Chr.); SEG 38, 1462, Z.35 (Oinoanda, Stiftung des C. Iulius Demosthenes, siehe sogleich). Vgl. Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 190.

[73] I.Ephesos 27 D Z.403–406: εἰ δέ τις πειραθείη ὁπωσοῦν ἢ συν|βουλεῦσαί τι τοιοῦτον ἢ εἰσηγήσασθαι π̣ερὶ τῆς μεταθέ<σε>|ως καὶ μεταδιοικήσεως τῶν νῦν ὑπό τε αὐτοῦ καὶ ὑφ’ ὑ|μῶν κυρωθησομένων, ... (Wenn aber jemand — auf welche Weise auch — versucht, etwas Der­artiges zu planen oder einen Antrag einführt über die Abänderung oder andere Verwendung der nun von ihm und von Euch in Kraft gesetzten Stiftung, ...).

[74] SEG 38, 1462: Hierzu vor allem Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36) mit einem detail­lierten Kommentar unter anderem zum Rechtsschutz der Stiftung (164–172).

[75] Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 164–172. Plut. praec. 814E–815C: Ποιοῦντα μέντοι καὶ παρέχοντα τοῖς κρατοῦσιν εὐπειθῆ τὴν πατρίδα δεῖ μὴ προσεκταπεινοῦν, μηδὲ τοῦ σκέλους δεδεμένου προσυποβάλλειν καὶ τὸν τράχηλον, ὥσπερ ἔνιοι, καὶ μικρὰ καὶ μείζω φέροντες ἐπὶ τοὺς ἡγεμόνας ἐξονειδίζουσι τὴν δουλείαν, μᾶλλον δ’ ὅλως τὴν πολιτείαν ἀναιροῦσι, καταπλῆγα καὶ περιδεᾶ καὶ πάντων ἄκυρον ποιοῦντες. ... ἐκ τούτου δὲ καὶ βουλὴ καὶ δῆμος καὶ δικαστήρια καὶ ἀρχὴ πᾶσα τὴν ἐξουσίαν ἀπόλλυσι. D. Nörr, Imperium und Polis in der hohen Kaiserzeit (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechts­geschichte 50), München 1969, 38 äußert sich ähnlich zur lokalen Autonomie im Stiftungsrecht und verweist darauf, dass Stifter, die um Mitwirkung des Statthalters nachsuchten, ihre Stiftung unter den besonderen Schutz Roms stellen und gleichzeitig die römische Obrigkeit auf sich aufmerksam machen wollten. Die Kehrseite dieser Kontakte stellt nun eben die Möglichkeit dar, sich auch zur Abänderung an den Statthalter zu wenden.

[76] Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 168 am Beispiel von I.Kourion 111, Z.10–14: τῆς δαπάνης | γενομένης ἐκ τῶν βουλευτικῶν διαδομάτων | καθὼς ἡ Κουριέων βουλὴ ἐδογμάτισεν· καὶ | Κοίντος Σέππιος Κέλ<ε>ρ ἀνθύπατος | συνεχώρησεν (... wobei der Aufwand aus den Geldern für die Verteilung unter den Ratsherren stammt, sowie es der Rat der Kourieer be­schlossen hatte. Quintus Seppius Celer, Proconsul, hat es gestattet.). R.S. Bagnall, T. Drew-Bear, Notes on the History of Kourion, Cd’É 49 (1974) 190–195 vermuten in den Geldern umgewidmete Stiftungsgelder, dieser These stimmt Wörrle zu.

[77] Hierzu siehe exemplarisch die Texte aus Aphrodisias, aus der zwei Schreiben des M. Ulpius Appuleius Eurycles, curator rei publicae, aus der Zeit zwischen 180 und 190 n. Chr. Misswirtschaft in der Stadt und schlechte Verwaltung verschiedener Stiftungen belegen. Reynolds, Aphrodisias and Rome (o. Anm. 57), Nr. 57 und 59.

[78] IAph 2007 12.26: T. Reinach, Inscriptions d’Aphrodisias, REG 19 (1906) 231–248,
Nr. 138–142; MAMA VIII 413; Laum, Stiftungen II (o. Anm. 5), Nr. 102; J. u. L. Robert, La Carie II. Le Plateau de Tabai et ses environs, Paris 1954, 232–234, Nr. 148. Fünf zusammenge­hörende Texte sind auf einem weißen Marmorblock mit Vorsprüngen auf beiden Seiten ange­bracht (Skizze bei Reinach, Inscriptions, 231) und datieren in hadrianische Zeit. Die Texte enthalten neben Ausführungen zum Stiftungskapital und seiner Administration sowie dem ausführlichen Abänderungsverbot auch Angaben zur Anlage des Stiftungskapitals, jeweils unter Nennung des Darlehensgebers, des Empfängers, der Höhe der Summe, der Zinsen, der Hypothek und der Bürgschaft. Damit sind sie wertvolle Zeugnisse für einen ansonsten nur sehr schlecht belegten Aspekt des Stiftungswesens.

[79] Zu Z.1–4 siehe o. Anm. 56.

[80] A. Chaniotis, Macht und Volk in den kaiserzeitlichen Inschriften von Aphrodisias, in: G. Urso, Popolo e potere nel mondo antico, Pisa 2005, 56–57; ders., The Perception of Impe­rial Power in Aphrodisias. The Epigraphic Evidence, in: L. de Blois et al. (Hrsg.), The Repre­sentation and Perception of Roman Imperial Power. Proceedings of the Third Workshop of the International Network „Impact of Empire (Roman Empire, c. 200 B. C. – A. D. 476)“, Rome, March 20–23, 2002 , Amsterdam 2003, 256.

[81] Chaniotis, Perception of Imperial Power (o. Anm. 81), 256–258; Reynolds, Aphro­disias and Rome (o. Anm. 57), 107–110.

[82] A. Chaniotis, New Inscriptions from Aphrodisias (1995–2001), AJA 108 (2004) 400–402 (SEG 54, 1056), Z.3–9: ἕτερος δὲ οὐδεὶς ἕξει ἐξουσίαν ἐνθά|4ψαι τινα ἢ ἐκθάψαι τῶν προγεγραμμένων, μήτε διὰ ἄκτου βουλῆς μήτε διὰ [ἡγεμο]|νικῆς ἐντεύξεως, ἐπεὶ ἔστω ἀσεβής τε καὶ ἐπάρατος καὶ τυμβωρύχος καὶ προσαποτεισάτω τῷ | ἱερωτάτῳ ταμείῳ ἀρ|γυρίου x ͵γ, ὧν |8 τὸ τρίτον ἔστω τοῦ ἐγδικήσαν|τος· (Niemand anderer soll das Recht haben, jemanden zu bestatten oder einen der zuvor Genannten herauszunehmen, auch nicht durch einen Beschluss der boule, noch durch Eingabe an den Statthalter, da er (ansonsten) asebes und verflucht und tymborychos sein soll und zusätzlich dem hierotaton tameion 3000 Silber(denare) zahlen muss, von denen ein Drittel dem Kläger gehören soll.).

[83] Dass Eingriffe der Statthalter in das lokale Bestattungswesen aber grundsätzlich mög­lich waren, zeigen Texte aus Lykien, in denen von einer Errichtung des Grabes nach Geneh­migung durch den Statthalter gesprochen wird. Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 168–169 unter Verweis auf TAM II 856 und TAM II 122. T. Ritti, Iura sepulcrorum a Hierapolis di Frigia nel quadro dell’epigrafia sepolcrale microasiatica. Iscrizioni edite e inedite, in: S. Panciera (Hrsg.), Libitina e dintorni. Atti dell’XI Rencontre franco-italienne sur l’epigraphie, Rom 2004, 480 geht davon aus, dass der Statthalter nicht von vorneherein um seine Zustim­mung zur Errichtung eines Grabes gebeten worden war, sondern die Entscheidung in einem Streit um die Grabstätte treffen musste.

[84] Reynolds, Aphrodisias and Rome (o. Anm. 57), 184–197; Chaniotis, Perception of Impe­rial Power (o. Anm. 81), 258.

[85] I.Beroia 7 (SEG 48, 742). P.M. Nigdelis, G.A. Souris, Ἀνθύπατος λέγει“. Ἐνα διάταγμα των αυτοκρατορικών χρόνων για το γυμνάσιο της Βέροιας, Thessaloniki 2005, dazu die Rezension von N.M. Kennell, Bryn Mawr Classical Review 2007.08.31 (http://bmcr.brynmawr.edu/2007/2007-08-31.html). Vgl. zu dem stark fragmentierten Text Chaniotis,Perception of Imperial Power (o. Anm. 80), 258–259 und C. Kokkinia, Ruling, inducing, arguing. How to govern (and survive) a Greek city, in: L. De Ligt et al. (Hrsg.), Roman Rule and Civic Life: Local and Regional Perspectives. Proceedings of the Fourth Workshop of the International Network „Impact of Empire (Roman Empire, c. 200 B. C. – A. D. 476)“, Leiden, June 25 – 28, 2003 , Amsterdam 2004, 39–45.

[86] Vgl. oben bei Anm. 8.

[87] I.Beroia 7, AB Z.17–39 enthält die Aufzählung der Finanzquellen, die Memmius Rufus für den Fonds heranzieht. Ob es sich dabei ursprünglich um Stiftungen oder Schenkungen handelte, und ob diese zu Lebzeiten oder testamentarisch erfolgt waren, lässt sich aufgrund des Erhaltungszustandes des Textes nicht mehr in jedem Fall eruieren. Ein gewisser Iulianos hatte Geld für das Gymnasium bereit gestellt, aus dem Öl angekauft werden sollte (Z.17: αἱ ὑπὸ Ἰουλιανοῦ εἰς αὐτὸ τὸ ἀλειπτικὸν ἀπολελειμμέναι [μυριάδες – – – ]), diese Gelder werden wohl ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend weiterverwendet worden sein. Die Finanzierung eines Phallos (wohl bei einem Dionysos-Fest), die auf Plautianos Alexandros zurückgeht (Z.29–30: ἔτι καὶ παρὰ Πλαυτιανῷ Ἀλε[ξάνδρῳ – – –] | ἀκοπίατον, δηνάρια χείλια τὰ ὑπὲρ τοῦ φαλλοῦ ὑμεῖν ὑπ’ αὐτοῦ χα[ρισθέντα – – – ]) und die des Eulaios für Getreide (Z.33: καὶ τὰ ἐκ τοῦ ὑπὸ Εὐλαίου δοθέντος σείτο̣[υ λογευθέντα(?) δηνάρια – – –] dienten aber sicher einem anderen Zweck. Chaniotis, Perception of Imperial Power (o. Anm. 80), 259. Möglicherweise bezieht sich die Zustimmung des Statthalters Qu. Seppius Celer auf Finanzierung einer Straßenpflasterung mit Geldern der Boule in Kourion auch auf eine derartige Umwidmung von Stiftungsgeldern, I.Kourion 111, Z.10–14, vgl. o. Anm. 76.

[88] I.Beroia 7, AB Z.9: συναγωνισαμένων οὖν μοι καὶ τῶν κ[ρατίστων(?) . . . c.29 . . . ] τ̣ῆς βουλῆς, ... und Z.11: συνέπνευσαν οἵ τε πρῶτοι τῆς πατρίδος καὶ ἡ βουλ[ὴ ...]. A. Chaniotis, Macht und Volk (o. Anm. 80), 58; ders., Perception of Imperial Power (o. Anm. 80), 259.

[89] I.Beroia 7, AB Z.95: [. . . c.8–9 . . .] μ̣ετατεθείη ἢ ἄρχων ἢ ΠΟ̣[. . . c.12 . . .]Λ[– – –].

[90] Eine erste Sammlung relevanter Inschriften enthält J.H. Oliver, The Ruling Power (o. Anm. 52), 963–976. Wenn auch der Kommentar zu den einzelnen Texten in einigen Punkten noch Gültigkeit hat, vermag ich den Ausführungen Olivers, Rom habe die Rolle der pyläisch-delphischen Amphiktyonie übernommen, indem es wie die Regierung eines Bundes internatio­nales und supranationales Recht zur Verfügung stellte, ebensowenig zu folgen, wie seinen Überlegungen, dass Klagen aus der Stiftungsverwaltung vor ein statthalterliches oder kaiser­liches Gericht gelangen sollten (976–980). In diesem Sinne bereits Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 33), 179–182. Vgl. auch Fournier, Administration judiciaire (o. Anm. 22), 553–556.

[91] I.Ephesos 27, C Z.358–365 und D Z.399–413, vgl. oben bei Anm. 60.

[92] I.Ephesos 27, C Z.360–362: εἰ δ[έ τις ἐπι]χειρήσ̣ει ἢ λῦσ[αι ἢ παραλλάξαι τι τῶν | ὑ]φ’ ὑμῶ[ν διὰ το]ύτου το̣[ῦ ψηφίσματος κυρωθησομένων | ἢ] εἰσ[ηγ]ή̣σασθαί τι τοιοῦ̣τ̣ο̣ν̣ [πειράσει, ... (Wenn jemand versucht, eine von den durch diesen Beschluß von Euch in Kraft gesetzten (Bestimmungen) aufzulösen oder zu verändern, oder es unternimmt, dass etwas Der­artiges eingebracht wird, ...); D Z.403–406: εἰ δέ τις πειραθείη ὁπωσοῦν ἢ συν|βουλεῦσαί τι τοιοῦτον ἢ εἰσηγήσασθαι π̣ερὶ τῆς μεταθέ<σε>|ως καὶ μεταδιοικήσεως τῶν νῦν ὑπὸ τε αὐτοῦ καὶ ὑφ’ ὑ|μῶν κυρωθησομένων, ... (Wenn aber jemand — auf welche Weise auch immer — versucht, etwas Derartiges zu raten oder einen Antrag einführt über die Abänderung oder an­dere Verwendung der von ihm und von Euch in Kraft gesetzten (Stiftung), ...). Der Verweis des Legaten auf die Erklärung des Proconsuls verdeutlicht, dass die Unterschiede lediglich in der Formulierung, nicht aber im Inhalt der Bestimmungen zu suchen sind. In den schlecht erhal­tenen Zeilen D 409–410 aus der Erklärung des Legaten ergänzte R. Heberdey noch die Angabe einer weiteren Strafzahlung von 25.000 Denaren an die ephesische Gerousia. Da aber in den anderen erhaltenen Bestimmungen über die Strafzahlungen kein Hinweis darauf erhalten ist, nahm er überzeugend einen „Konzeptfehler“ an. Die Ergänzung wurde von Oliver, Sacred Gerousia (o. Anm. 21) und Wankel (I.Ephesos) nicht mehr aufgenommen.

[93] Gegen Oliver, The Ruling Power (o. Anm. 52), 973. Eine Analyse und Würdigung des Vorgehens der beiden römischen Amtsträger findet sich bei Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 175–176. Vgl. Fournier, Administration judiciaire (o. Anm. 22), 554–555.

[94] Siehe dazu vor allem L. Rubinstein, Summary fines in Greek Inscriptions and the Ques­tion of ‘Greek Law’, in: M. Gagarin, P. Perlman (Hrsg.), Greek Law in the Twenty-First Century (im Druck).

[95] Gytheion, IG V 1, 1147: Die Inschrift enthält ein Dossier von drei Texten: den Schluss eines Schreibens Hadrians, das wohl die Stiftung des Tib. Claudius Atticus betraf (Z.1–7), den Brief eines Proconsul Teneius Sacerdos, der das kaiserliche Schreiben den Gytheaten über­mittelte (Z.8–17), und schließlich ein Edikt desselben Proconsuls, der seinerseits die Stiftung unterstützte und absicherte (Z.18–25). Da allerdings die Bedingungen der Stiftung selbst nicht erhalten sind, lässt sich die Frage, ob der Proconsul lediglich den vorgeschriebenen Strafen Nachdruck verlieh oder selbst Strafen festsetzte, in diesem Fall nicht beantworten. Rhodiapolis, TAM II 905, V E Z.9–13: τὴν οὖν προδηλουμέ|νην αὐτοῦ δωρεὰν βεβαιῶ ἐπί τε τῷ ἀσάλευ|τον καὶ ἀμετάθετον εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον εἶ|ναι, καὶ ἐπὶ ταῖς ἄλλαις αἱρέσεσιν, αἷς ἐπην|γ̣[ε]ί̣λ̣ατο (Ich bestätige also die besagte Schenkung, sodass sie unerschüttert und unveränderlich für immer bleibt, auch in Bezug auf die anderen Vorhaben, die er ankündigt.) Der lykische Euerget Opramoas hatte dem Koinon eine Stiftung versprochen, zu deren Absicherung der Lykiarch sich an den kaiserlichen Legat wandte. Vgl. C. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift von Rhodia­polis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien, Bonn 2000, 29 (Text), 83 (Übersetzung). Siehe auch IGR IV 1168, Z.8–17, Laum, Stiftungen II (o. Anm. 5), Nr. 72, dazu Oliver, The Ruling Power (o. Anm. 52), 968–969.

[96] Oinoanda, SEG 38, 1462, Z.1–6 und 106–107; Balboura: IGR III 467 (und SEG 29, 1437), Z.11–22. Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 172–174.

[97] I.Eleusis 489 (IG II2 1092). Zur Forschungsgeschichte und der Person des Stifters siehe K. Clinton, Eleusis. The Inscriptions on Stone. Documents of the Sanctuary of the two God­desses and Public Documents of the Deme II: Commentary, Athen 2008, 366–369. Der Text ist wie folgt aufgebaut: Überschrift (Z.1–2) — Haupttext: Z.1–26 sind stark fragmentiert, ein Zusammenhang ist schwer zu erschließen. Es handelt sich dabei wohl um Bestimmungen zu einer Stiftung, im Speziellen zu den anfallenden Zinsen und ihrer Verwendung. Zweck der Stiftung war die Verteilung einer Geldsumme an alle Ratsherren von Athen, wobei auch Vor­kehrungen dafür getroffen worden zu sein scheinen, den Empfängerkreis erweitern zu können. — Z.25–27: Möglichkeit für den hierophantes und den dadouchos, einen Überschuss zum Ankauf von Thymiaterien zu verwenden; Sicherung der Stiftung durch den hierophantes und den dadouchos, die auf die Einhaltung des Abänderungsverbotes achten müssen. — Z.31–42: Bescheid des Präfekten Severus. — Z.43–65: Katalog der möglichen Empfänger einer Spende zusätzlich zu den Ratsherren; Frg. c und d sind zu klein, um einen Zusammenhang erkennen zu lassen. Das eigentliche Abänderungsverbot wird in einem Nebensatz zu den Befugnissen des hierophantes und des dadouchos referiert, was deutlich darauf hinweist, dass in der Inschrift nicht das ursprüngliche Stiftungsdekret, sondern wohl eine Neuregelung dazu zu sehen ist. Z.27–31: ... οἷς | καὶ ἡ πᾶσα τῶν χρημάτων τούτων σωτηρία τε καὶ [ἀσφάλεια ἐ]π̣ετρά|πη πρὸς τὸ μηδενὶ μηδαμῶς ἐξεῖναι μ[ετα]κεινῆ̣[σαί τι τῶν ἐγ]κριθέν|των ἅπαξ καὶ θεοῖς καθιερωμένων, ὅπ[ως καὶ ἐ]πε̣[κύρωσεν ὁ ἔπαρχος οὗ ἡ ἀπό]φ[α]|σις ἐξηνέχθη πρὸς τὴν ἁπάντω[ν γνῶσιν – – – ]. (... denen auch die gesamte Bewahrung und Sicherung dieser Gelder übertragen ist, vor allem damit es niemandem möglich sei, auf irgendeine Art und Weise etwas abzuändern von dem, was einmal beschlossen und den Göttern geweiht wurde, so wie es auch die Erklärung des Praefekten bekräftigte, die zur Kenntnis aller gebracht wurde).

[98] Zum Symbol an dieser Stelle überzeugend J.H. Oliver, The Eleusinian Endowment, Hesperia 21 (1952) 388–389.

[99] Welches Amt sich hinter der Bezeichnung ἔπαρχος (Z.32) genau verbirgt, ist in der Forschung umstritten. Oliver vermutete zunächst einen praefectus aerarii, möglicherweise C. Iulius Severus, der um 135 n. Chr. proconsul Achaeae war und um 137 n. Chr. jenes Amt aus­übte, s. The Ruling Power (o. Anm. 52), 966–967, war aber auch für andere Deutungs­möglichkeiten offen. Er erwog die Möglichkeit, dass es sich um einen praefectus iure dicundo handeln könnte (Augustan, Flavian, and Hadrianic Praefecti Iure Dicundo in Asia and Greece, in AJP 84 [1963] 165) oder um einen λογιστής (The Ruling Power, 967). S. Follet schlug eine Identifikation mit Cn. Claudius Severus (PIR2 C 1024) vor, s. S. Follet, Athènes au IIe et au IIIe siècle, Paris 1976, 127–128. In der „Erklärung“ des ἔπαρχος, dass er die Freigiebigkeit aner­kenne, vermag ich allerdings — gegen Oliver — nicht zu erkennen, dass die Stiftung im weiteren nach römischem Recht behandelt werden solle und unter dessen Schutz stehe. Oliver sieht den Vorgang folgendermaßen: „Some person or persons other than the donor ... asked the Roman government to declare the endowment res divini iuris in Roman Law and to protect it. The petition was addressed to the praefectus [aerarii ?], who making the administrative decision on his own authority without reference to the emperor, issued the desired declaration“. Vgl. zu ἀποδέχομαι auch Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 166–167 Anm. 83, der dieser Art der Anerkennung keine rechtliche Bedeutung beimisst, zur allgemeinen Kritik an Olivers Auffassung dort 179–181.

[100] IAph 2007, 12.921, 180–190 n. Chr.: Z.1 [- - ? - -] ὁ δὲ παρακεινήσας εἴτε ἄρχω[ν εἴτε - - ? - - ], der genaue Zusammenhang der Phrase ist nicht klar, es scheint sich wohl um eine Strafandrohung für diejenigen zu handeln, welche für die Verwendung der Gelder „jenseits“ des ursprünglichen Zwecks verantwortlich waren.

[101] Vgl. LSJ s.v. παρακινέω I 3: raise a question about, Plu. 2, 656c. Zur Erklärung des Lega­ten siehe oben Anm. 92.

[102] Siehe unten bei Anm. 107 zu den Empfängern der Strafzahlungen sowie zur Höhe der Bußen. An eine Identifikation des ταμιεῖον mit einer nicht näher definierten athenischen Kasse vermag ich ebensowenig wie die Herausgeber des Textes Oliver und Clinton zu glauben, zumal die Strafklausel deutlich in einem Schreiben eines römischen Amtsträgers zu finden ist. In diesem Zusammenhang ist wohl zunächst an den fiscus zu denken, hätte Severus eine athe­nische Kasse im Auge gehabt, hätte er diese wohl deutlicher benannt.

[103] Der Terminus ἐπιτίμιον, der von Oliver in Z.37 im Rahmen des Rechtsfolgenverweises ergänzt wird, ist in Athen auch in anderen Texten aus dem 2. Jh. n. Chr. erhalten. Sowohl im Ölgesetz Hadrians (IG II2 1100, Z.57) als auch in der Iobakchen-Inschrift (IG II2 1368, Z.90–95) und der lediglich fragmentiert erhaltenen Vorschrift aus Eleusis (SEG 21, 494, Z.41–42) wird deutlich, dass nicht nur eine Zahlung gemeint ist, sondern auch darüber hinausgehende Rechtsfolgen. Vgl. unten bei Anm. 131. Welche Strafen auf hierosylia im kaiserzeitlichen Athen standen, ist allerdings ebenso wenig bekannt wie die prozessualen Vorschriften, etwa die Anzeigemöglichkeiten oder die zuständigen Behörden und Richter.

[104] I.Ephesos 3217 b Z.45–46, zum Schutz der Wasserleitung und zu den Anfragen an die Statthalter siehe K. Harter-Uibopuu, Verbote und Strafen (o. Anm. 8), 63–66.

[105] Hierzu kritisch und überzeugend Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 181–182.

[106] Rhodos: Koinon der Haliadai und Haliastai, IG XII 1, 155 III Z.101–102; Eretria: Stiftung des Theopompos (o. bei Anm. 49), die 60.000 Drachmen sind als hemiolion der Stiftungs­summe aufzufassen. Eine Zusammenfassung findet sich bei Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 193–198.

[107] Die Strafsummen sind: 10.000 Dr. im Fonds zur Finanzierung des Kults der Athena Lindia, I.Lindos II 419, Z.124–125, zugunsten der Athena, zusätzlich Verfluchung und Er­klärung zum asebes (o. bei Anm. 8); 2000 Dr. im Dekret über die Mysterienfeier von Andania, IG V 1, 1390, Z.61–62, zweckgebunden für die Verwendung für Ausbesserungen im Karneiasion (o. bei Anm. 20); 1000 Dr. in der diagraphe des Priestertums der Aphrodite Pandemos und Pontia, IG XII 4, 1, 319, Z.23–24, zugunsten der Aphrodite (o. bei Anm. 34); 100 Dr. im Ehrendekret der Haliadai und Haliastai für Dionysodoros, IG XII 1, 155 III Z.101–102, die Zuweisung der Strafsumme wird nicht im Detail ausgeführt, das Geld ging demnach wohl an die Kasse des Kultvereins. Die Tatsache, dass es sich bei diesem letzten Text nicht um ein städtisches Dekret, sondern um einen Beschluss eines Kultvereines handelt, mag die geringe Höhe der ausgesetzten Strafe erklären (vgl. o. bei Anm. 15).

[108] In der Stiftung des Aurelius Hermes aus Aphrodisias (IAph 2007, 12.526, Z.11–13) werden dem Rat zwar Einkünfte aus einer Strafzahlung in Aussicht gestellt, wenn er die ekdikia im Falle der Missachtung der Vorschriften des Grablegers übernimmt. Dieses Geld (die Höhe der Summe ist nicht erhalten) wird mit einer Stiftung verbunden. Allerdings scheint es so zu sein, dass Aurelius Hermes eine Stiftung errichtete, aus der den Ratsherren eine regelmäßige Verteilung zugesprochen wurde, um sie dazu zu ermuntern, die Aufsicht über sein Grab zu übernehmen. Keinesfalls ist die Strafsumme, die eingetrieben werden soll, in Zusammenhang mit einer Missachtung der Stiftungsvorschriften zu setzen.

[109] C.P. Jones, A Deed of Foundation from the Territory of Ephesos, JRS 73 (1983) 119–120 zum Abänderungsverbot.

[110] Beispiele aus hellenistischer Zeit sind etwa SEG 39, 1426, Z.42–45 (Nagidos, Kilikien, 3. Jh. v. Chr.), Zahlung von 1000/10.000 Dr. an Arsinoe; McCabe, Teos 41, Z.57–60 (Laum, Stiftungen II, o. Anm. 5, Nr. 90, Schulstiftung des Polythrous, 2. Jh. v. Chr.), Zahlung der Strafsumme zur Hälfte an Hermes und Herakles, zur Hälfte an den erfolgreichen Ankläger; I.Didyma 488, Z.45–49 (Stiftung aus Milet, 2. Jh. v. Chr.), Zahlung von 2000 Stateren zu­gunsten des Apollon Didymeus.

[111] C. Vibius Salutaris: I.Ephesos 27 A Z.111–112; B Z.323–325; C Z.362–363 und D

Z.407–408 (o. bei Anm. 60); Demosthenes von Oinoanda: SEG 38, 1462, Z.36 (o. bei Anm. 74); Theopompos von Eretria: IG XII 9, 236, Z.57–58 (o. bei Anm. 49). Aristokles Molossos sah für die schlechte Verwaltung seiner Stiftung eine Strafe von 3000 Denaren vor, die der Aphrodite geweiht sind, während für die versuchte Abänderung 10.000 Denare als Strafe aus­gesetzt waren. Allerdings entzieht sich der Empfänger dieser Strafgelder unserer Kenntnis, da in der Inschrift lediglich auf die Vorschriften zur Strafe im Testament des Molossos verwiesen wird, das uns nicht erhalten ist: IAph2007 12.26, Z.52–55.

[112] SEG 33, 946, Z.1–4, vgl. Jones, A Deed of Foundation (o. Anm. 109), 120–121. Als Vergleich führt Jones etwa die Stiftung der Phaenia Aromation aus Gytheion an, in deren Satzung vorgesehen ist, dass das gesamte Stiftungskapital bei schlechter Verwaltung oder Missachtung der Bestimmungen zunächst der ursprünglich begünstigten Polis Gytheion zu entziehen und Sparta zuzuweisen sei, in weiterer Folge, bei erneuten Verstößen, schließlich an die σεβαστοί. SEG 13, 258, Z.34–38 (IG V 1, 1208, Laum, Stiftungen II [o. Anm. 5], Nr. 9).

[113] Vgl. oben bei Anm. 60.

[114] Vgl. dazu Wörrle, Stadt und Fest (o. Anm. 36), 169–171.

[115] I.Iasos 248 (vgl. o. bei Anm. 55 und 69).

[116] IAph2007 12.26 b Z.12–19 (Laum, Stiftungen II [o. Anm. 5], Nr.102): ἐπὶ ὁ ἐπιχιρήσας

πα̣[ρὰ ταῦ|τ]ά τι ποιῆσαι ἔνοχος ἔστω τῇ [εἰς] | τὴν θεὸν ἀσεβείᾳ καὶ ἀποτισά[τω] | θεᾷ Ἀφροδίτῃ καὶ τῷ δήμῳ τῷ [Ῥω]|16μαίῳ δεκαπλοῦν ὃ ἐπεχείρησ[ε] | μ̣εταθεῖναι καὶ μηδὲν ἔλασσο[ν]. | κύρια ἔστω τὰ ἐπὶ τοῖς ὑπ' ἐμοῦ ἀ|νατεθειμένοις διατεταγμέν[α]. (Wer aber ver­sucht, etwas entgegen diesen Vorschriften zu unternehmen, soll schuldig sein der asebeia gegenüber der Göttin und er soll der Göttin Aphrodite und dem römischen Volk das Zehnfache dessen bezahlen, was er versucht hat, einer anderen Verwendung zuzuführen. Um nichts weniger sollen meine Anweisungen für die Stiftungen gültig sein.) Stark fragmentiert ist die Inschrift I.Smyrna 709, die möglicherweise eine Stiftung für ein athletisches systema enthält. Auch hier ist von einer Strafzahlung bei Abänderung die Rede, deren Eintreibung durch den procurator Augusti vorgenommen werden sollte: die Strafe fiel also wohl an den fiscus.

[117] Laum, Stiftungen I, 202–203.

[118] Dazu u.a. Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 202–203. K. Latte, Heiliges Recht . Unter­suchungen zur Geschichte der sakralen Rechtsformen in Griechenland, Tübingen 1920, 95–96; T. Ritti, Iura sepulcrorum (o. Anm. 83), 542–548. Zur Bedeutung des fiscus bei der Verfolgung von Straftaten über die Grenzen der jeweiligen Polis hinaus siehe M. Zimmermann, Unter­suchungen zur historischen Landeskunde Zentrallykiens, Bonn 1992, 162.

[119] IGR IV 1703, Z.7–8: ἐὰν δὲ μὴ πράξωνται οἱ κληρονόμοι, ἔστω τοῦ δήμο̣[υ |8 τοῦ Ῥω]μαίων, ... (Wenn die Erben es nicht eintreiben, soll es dem populus Romanus gehören). Vgl. oben bei Anm. 69.

[120] I.Iasos 245, nach Ziebarth in das 1. Jh. v. Chr. zu datieren (Zeitschrift für Ver­gleichende Rechtswissenschaften 16 [1903] 278–279, Nr. 39), nach Laum in die Kaiserzeit (Stiftungen II, Nr.120).

[121] Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 203.

[122] Korkyra: Die Inschrift (IG IX 12 4, 798 39–51) enthält sowohl den Vorschlag, den die beiden Stifter der Stadt unterbreiteten (Z.1–38), als auch das Dekret, mit dem die Stadt die Stiftung annahm (Z.39–146). Laum, Stiftungen II (o. Anm. 5), Nr. 1; Mannzmann, Griechische Stiftungsurkunden (o. Anm. 48), 39–51. Entgegen Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 206–207 und Mannzmann, a.O., 67 meine ich, dass das Abänderungsverbot keine Rückerstattung des Stiftungskapitals an die Stifter vorsah. Dieser Vorschlag war zwar von ihnen selbst in ihrem Stiftungsversprechen gemacht worden (Z.29–37), das rechtskräftige Stiftungsdekret sieht aber lediglich eine Strafzahlung an die Stifter vor (Z.105–113). Siehe K. Harter-Uibopuu, Money for the Polis – Public Administration of Private Donations in Hellenistic Greece, in: O.M. van Nijf, R. Alston (Hrsg.), Political culture in the Greek City after the Classical Age (Groningen-Royal Holloway Studies on the Greek City after the Classical Age 2), Louvain 2011, 133–134. Zur Stiftung der Phaenia Aromation (SEG 13, 258) siehe sogleich bei Anm. 125.

[123] Vgl. die Stiftung des Peplos, SEG 33, 946 Z.1–2 (oben bei Anm. 109); die Stiftung des

Salutaris (oben bei Anm. 60) I.Ephesos 27 A Z.110; B Z.320; C Z.365 (der Passus B Z.217–219, in dem gefordert wird, dass bei Entwendung oder Beschädigung der gestifteten Statuen und Bildnisse das Gewicht der vorher genannten Statuen als 111 Pfund nachzuweisen sei, entspricht dieser Klausel inhaltlich); die Stiftung des Synallasson, I.Iasos 248 Z.65 (oben bei Anm. 69); die Stiftung des Theopompos, IG XII 9, 236 Z.60 (oben bei Anm. 49); die Stiftung des Demosthenes, SEG 38, 1462 II Z.37–38 (oben bei Anm. 74).

[124] Neben den hier angeführten öffentlichen Stiftungen sei auch auf den entsprechenden Passus in der Ehreninschrift für Hediste durch die Dionysiasten von Teos, SEG 4, 598 hinge­wiesen. In diesem Fall agiert der Verein als Stiftungsempfänger in der gleichen Art und Weise wie die Polis im Fall einer öffentlichen Stiftung. Er ist es, dem für missbräuchliche Verwen­dung des Geldes oder jedwede Abänderung der Verlust des Stiftungskapitals und aller daraus entstehenden Einkünfte droht (Z.22–25 und 43–47). Vgl. Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 206–209.

[125] Vgl. Harter-Uibopuu, The Trust Fund of Phaenia Aromation (IG V,1 1208) and Impe­rial Gytheion, Studia Humaniora Tartuenses 5 (2004), http://www.ut.ee/klassik/sht/2004/
harter-uibopuu1.pdf, 10–12.

[126] IGR IV 1703, oben bei Anm. 69.

[127] Dazu oben nach Anm. 122.

[128] Vgl. Jones, A Deed of Foundation (o. Anm. 109), 121–122 zur Verpflichtung der Amtsträger des Folgejahres, die Amtsführung ihrer Vorgänger zu überprüfen. Der paraphylax ist in Ephesos unter anderem auch in I.Ephesos 20, Z.32–34; 1034, Z.10 oder 1579 a, Z.8 be­legt.

[129] SEG 38, 1462, Z.37–38. Auch Aristokles Molossos sieht den Einsatz eines boulomenos zum Schutz seiner Stiftung vor: IAph 2007 12.803, Z.43–46 beschreiben die notwendige praxis eines Strafgeldes von 3000 Denaren, das von jedem Freiwilligen eingetrieben werden kann, wenn die zuständigen Verwalter der Stiftung nicht für die Einbringung der Zinsen und für die ausgelobte Verteilung sorgen. Auch die Stifterin Phaenia Aromation aus Gytheion ersucht um Mithilfe durch die Bürger und Anwohner ihrer Heimatstadt bei der Anzeige von Vergehen gegen ihre Ölstiftung (SEG 13, 258, Z.25–34). Vgl. Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 200–201 und zu den hellenistischen Texten L. Rubinstein, Volunteer Prosecutors in the Greek World, Dike 6 (2003), 87–113 mit einer ausführlichen Diskussion der modernen Forschung und einem Überblick über die Quellen von der Klassik bis in die Mitte des 2. Jh. v. Chr. Auch in den Strafklauseln in kaiserzeitlichen Grabinschriften wird der boulomenos des öfteren bei der praxis tätig, vgl. Harter-Uibopuu, Tote soll man ruhen lassen ... Verbote und Strafen zur Siche­rung von Gräbern am Beispiel von Inschriften aus Ephesos, in: J. Fischer (Hrsg.), Der Beitrag Kleinasiens zur Kultur- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Antike, Wien (im Druck), bei Anm. 86–94.

[130] I.Lindos 419, Z.125, vgl. oben bei Anm. 11; I.Ephesos 26, Z.22–23, vgl. oben bei Anm. 21.

[131] Delli Pizzi, Impiety (o. Anm. 19), 75–76. Latte, Heiliges Recht (o. Anm. 118), 83–86 mit einer Liste von vergleichbaren Texten, in denen der Begriff der hierosylia auf andere Ver­gehen ausgedehnt wurde. Ein Verweis auf Verfahren wegen hierosylia und asebeia ist auch der diataxis des Salutaris in Ephesos zu entnehmen (I.Ephesos 27, B Z.214–219, oben bei Anm. 60). Während für die Abänderung der Vorschriften der Stiftung — wie oben erläutert — Geldstrafen vorgesehen waren, wurde die missbräuchliche Verwendung der Statuen der Göttin oder der gestifteten Bildnisse, die an anderer Stelle im Detail beschrieben wurden, mit Tempel­raub und Gottlosigkeit gleichgesetzt und sollte wie diese verfolgt werden. Leider bricht der Text an der Stelle, die das Anklagerecht in diesem Fall erläutern könnte, ab.

[132] I.Iasos 247: [ἀνάγ]κη ἐνέχεσθαι δὲ | [τὸν] παρὰ ταῦτα ποιήσον|τα ὥσπερ τὸν ἰς τὰ καθω|4σιωμένα τοῖς Σεβαστοῖς | πλημμελοῦντα, ἐξέσ|τω δὲ μόνῳ Αὔλῳ Μουσ|σίῳ Ἄπρῳ τὴν χρῆσιν ἐ|κ̣ίνων ἀνα[....] (der Strafe? ... soll derjenige notwendigerweise unterworfen sein, der dagegen verstößt, gleich wie derjenige, der sich an den (Geldern) vergeht, die den augusti geweiht sind. Es steht ausschließlich Aulus Mussius Aper die Verwendung jener ...).

[133] I.Lindos 419, Z.125 (oben Anm. 11). Siehe zu diesen Aspekten v.a. L. Rubinstein, „ΑΡΑΙ“ in Greek Laws in the Classical and Hellenistic Periods: Deterrence or Concession to Tradition?, in: E. Cantarella (Hrsg.), Symposion 2005. Vorträge zur griechischen und helleni­stischen Rechtsgeschichte (Salerno, 14.–18. September 2005), Wien 2007, 269–286. Vgl. auch Laum, Stiftungen I (o. Anm. 5), 205–206.

[134] I.Ephesos 26, Z.22, o. bei Anm. 21. Weitere Flüche finden sich in SEG 51, 1063, Z.30–31, der Stiftung des Teleutias für die Asklepieia in Kos; IG XII 4,1,311, Z.59–61, dem Regle­ment für die Ausschreibung des Priestertums des Asklepios, der Hygieia und Epione aus Kos (o. Anm. 29); beide Texte sind allerdings fragmentiert und an den entsprechenden Stellen zum Teil ergänzt.

[135] I.Milet VI 3, 1044, Z.6–8, oben bei Anm. 44.

[136] I.Kibyra 42 enthält ein Ehrendekret des demos der Kibyreer, das die Verdienste des Geehrten aufzählt und damit einen unschätzbaren Einblick in das Leben in der frühkaiserzeit­lichen Stadt gewährt. Vgl. dazu den Kommentar des Herausgebers Th. Corsten mit weiter­führender Literatur (I.Kibyra 42, S. 55–62) und C. Kokkinia, Grain for Cibyra. Veranius Philagros and the ‛Great Conspiracy’, in: R. Alston, O.M. van Nijf (Hrsg.), Feeding the Ancient Greek City (Groningen-Royal Holloway Studies on the Greek City after the Classical Age 1), Louvain 2008, 149–156. Auf der Rückwand des Diazoma des großen Theaters finden sich zudem fünf Ehrungen durch die Phylen der Stadt (I.Kibyra 42A–E) und eine Verfügung zur Sicherung der Gymnasiarchie (I.Kibyra 43). Der Text von I.Kibyra 43 ist auf zwei Blöcke verteilt und beginnt mit den Klauseln zur Sicherung der Stiftung. Anzunehmenderweise haben wir hier entweder nur einen Auszug aus einem städtischen Dekret vor uns, oder der Rest des Textes stand auf einem anderen Block, der nicht erhalten ist.

[137] Corsten weist darauf hin, dass die verwendeten Begriffe ἐναγής und ἀλιτήριος in dieser Kombination bereits in Thukydides’ Schilderung des Endes der kylonischen Verschwörung vorkommen (Thuk. I 126, 11); die sakrale Konnotation betont auch Lysias, der bildhaft die Behandlung eines Mannes beschreibt, der als ἀλιτήριος gilt. Niemand spricht mit dem in dieser Art Ausgestossenen, niemand teilt Zelt oder Tisch mit ihm, und der Kommandant weist ihm keinen Platz in der Abteilung zu. Lys. 13 (gegen Agoratos), 79. Ἐναγής ist epigraphisch belegt, u.a. in I.Lindos 487, Z.4 (Vorschriften zur kultischen Reinheit, 3. Jh. n. Chr.), IG XII 5, 654, Z.10 (Syros, Dekret über den Fackellauf für Demeter, 3. Jh. n. Chr.); TAM II 218, Z.2 (?), (Grabinschrift aus Sidyma, kaiserzeitlich).

[138] Hierzu ausführlich Rubinstein, ΑΡΑΙ (o. Anm. 133) mit einer Liste der entsprechenden Texte. Rubinstein setzt sich vor allem mit Lattes Theorien zur Verweltlichung der Rechtspflege in der griechischen Polis auseinander und weist nach, dass der umfangreiche Einsatz von Flüchen und Eiden in hellenistischer Zeit in die entgegengesetzte Richtung deutet. Vgl. auch im selben Band (287–290) A.C. Scafuro, A Response to Lene Rubinstein.

[139] Auch aus anderen Städten sind regelmäßige Bürgereide epigraphisch überliefert. Aus den Beispielen, die Rubinstein, ΑΡΑΙ (o. Anm. 133), 284–285 aufzählt, seien exemplarisch einige wenige Texte hervorgehoben. IG XII 4,1,132, Z.125–137 (Telos, 4. Jh. v. Chr.) enthält einen Eid der Bürger von Telos, sich an die Bedingungen der Amnestie-Vereinbarung zu halten, dazu G. Thür, Amnestie in Telos, ZRG 128 (2011) 349–350. In Dreros schwören die Bürger unter anderem, keinen Umsturz in der Stadt herbeiführen zu wollen (IC I ix 1, Z.60–70, 3./2. Jh. v. Chr.). Der Bürgereid von Itanos (IC III iv 8, 3. Jh. v. Chr.) enthält eine Bindung an die Verfassung (Z.36–38) und das Versprechen, weder einen γῆς ἀναδασμός noch eine χρεῶν ἀποκοπή zu veranlassen (Z.21–24). Καταλύειν wird im Bürgereid von Mylasa (I.Labraunda 47, 2. Jh. v. Chr.) in Z.4 überzeugend ergänzt, in Z.5 ist der Text erhalten und verpflichtet den Schwörenden, es zu verhindern. Allgemein P.J. Rhodes, Oaths in political Life, in: A.H. Sommerstein, J. Fletcher (Hrsg.), Horkos. The Oath in Greek Society, Exeter 2007, 21.

[140] Zur Durchführung der Bürgereide, dem gewählten Ort und den Rahmenbedingungen siehe jüngst C. Williamson, As God is my witness. Civic oaths in ritual space as a means towards rational cooperation in the Hellenistic polis, in: R. Alston, O.M. van Nijf, C.G. Williamson (Hrsg.), Cults, Creeds and Contests. Religion in the Post-Classical City (Groningen-Royal Holloway Studies on the Greek City after the Classical Age 3), Leuven (im Druck).

[141] Vgl. zu ἀποκαθίστημι in dieser Bedeutung unter anderem IG II2 1035, zwei Volksbe­schlüsse zur Wiederherstellung von etwa 80 Heiligtümern in Attika, (10/9–3/2 v. Chr.); IG XII 3, 325, Z.37–39 (Thera, 149 n. Chr.); IG VII 3073, Z.29–40; 3074, Z.9–18; IG V 2, 6A, Z.37–42: In den Bauordnungen von Lebadeia und Tegea war vorgesehen, dass Unternehmer Bau­teile, die sie etwa beschädigten, in natura wiederherzustellen oder zumindest die Kosten für die entsprechenden Maßnahmen zu tragen hatten (vgl. IPArk Nr. 3, Anm. 22).