Kerstin Sänger-Böhm


Der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς und
der procurator rationis chartariae
Zwei Prokuratoren im Dienste der Papyrusversorgung Roms




1. Einleitung

Die Kenntnis eines in Alexandria tätigen Prokurators mit der Bezeichnung ἐπίτροπος χαρτηρᾶς beruht bis heute auf lediglich zwei inschriftlichen Erwähnungen aus dem 2. Jh. bzw. dem ersten Drittel des 3. Jh. n. Chr. Das erste Zeugnis, die Ehreninschrift 1 (Laodicea Combusta, 2. Jh. n. Chr.), dokumentiert die Karriere eines kaiserlichen Freigelassenen, der als ἐπίτροπος Καλενδαρίου Οὐηλιανοῦ, ἐπίτροπος χαρτηρᾶς Ἀλεξανδρείας und zuletzt als ἐπίτροπος Καππαδοκίας im kaiserlichen Dienst stand[1]. Beim zweiten und späteren Beleg (2) handelt es sich ebenfalls um eine Ehreninschrift, die den cursus des kaiserlichen Freigelassenen Saturninus (Pergamon, 212–217/235 n. Chr.) festhält und seine zahlreichen prokuratorischen Stellungen, unter anderem die als ἐπίτροπος χαρταρέας ἐν Ἀλεξανδρείᾳ ( 2, 8–9), anführt[2]. Demnach ist der Träger dieser Prokuratur in beiden Inschriften ein kaiserlicher Freigelassener. Der Sitz der Amtsstelle ist aufgrund der Angaben Ἀλεξανδρείας (1, 7–8) sowie ἐν Ἀλεξανδρείᾳ (2, 9) klar zu lokalisieren[3]. Genauere Aussagen über sein Büro bzw. sein Personal lassen sich nicht treffen. Was die Stellung des Amtes innerhalb der Prokuratorenlaufbahn betrifft, so lässt sich angesichts der beiden Zeugnisse vermuten, dass die ἐπιτροπὴ χαρτηρᾶς wohl keinen Spitzenposten darstellte und von der Wertigkeit her eher auf mittlerer Stufe rangierte. Die Bekleidung des Amtes dürfte aber eine weitere Karriere innerhalb der kaiserlichen Finanzverwaltung begünstigt und die Übernahme höherer Posten in Aussicht gestellt haben[4]. Seine Amtsbezeichnung legt zudem nahe, dass seine Tätigkeit in irgendeiner Weise mit der Administration des Beschreibstoffes χάρτης (charta) in Zusammenhang stehen dürfte. Nähere Angaben zum Amt des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς lassen sich angesichts der beiden Inschriften jedoch nicht machen. Zudem verfügen wir bislang über keine weitere dokumentarische oder literarische Quelle, die uns Aufschluss über die Funktion dieses Prokurators geben könnte. Diesem Mangel an einschlägigen Quellen ist es letztlich zuzuschreiben, dass dem ἐπίτροπος χαρτηρᾶς bis heute keine gesonderte Studie gewidmet worden ist. Nach einer kritischen Betrachtung der vorliegenden Forschungsliteratur soll im folgenden die Funktion des „Papyrusprokurators“ erneut hinterfragt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auch einem weiteren Beamten mit dem Titel procurator rationis chartariae geschenkt, der ebenfalls — das deutet zumindest sein Name an — mit der Verwaltung von Papyrusmaterial zu verbinden sein dürfte und daher mögli­cherweise zum besseren Verständnis des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς beitragen kann.

2. Forschungsstand

Am ausführlichsten äußerte sich Friedrich Zucker im Jahr 1911 zum ἐπίτροπος χαρτηρᾶς. Damals berichtigte er die Lesung von William M. Calder von χάρτη[ς ἱε]ρᾶς[5] zu χαρτηρᾶς (1, 6–7) [6]. Er vermutete, dass dieser ein Beamter der alexandrinischen Zentraladministration war, der als Verwalter der χαρτηρά-Steuer fungierte. Zugleich wollte Zucker aber auch eine Zuständigkeit für die Verpachtung der Papyruspflanzungen der γῆ οὐσιακή, die Verwaltung des Papyrusmonopols — falls es ein solches gab — sowie die der erst unter Aurelian sicher bezeugten Naturalabgabe in Papyrus (vectigal chartae) nicht ausschließen. Danach folgten nur noch sporadische Bemerkungen wie etwa von Ulrich Wilcken, der bezugnehmend auf1 vorbrachte, dass es sich wohl um „einen Prokurator an der Spitze des (erg. Papyrus-)Monopols“ handelte[7]. Auch Gérard Boulvert interpretierte die in 1 und2 dokumentierte Prokuratur als Verwaltung des Monopols der chartae in Alexandria [8]. Dieser Meinung waren auch Hans-Georg Pflaum und Patrick Le Roux, die speziell den in 2 genannten Saturninus als Verantwortlichen des kaiserlichen Papyrusmonopols in Alexandria interpretierten [9]. Naphtali Lewis deutete den ἐπίτροπος χαρτηρᾶς dagegen als einen für die Erhebung der χαρτηρά-Steuer zuständigen Beamten[10]. In der Neuedition von 2 aus dem Jahre 1990 folgten Michel Christol und Ségolène Demougin einer der bereits zuvor mehrfach genannten Interpretationen und bezeichneten den ἐπίτροπος χαρτηρᾶς ohne weiteren Kommentar als „directeur du monopole du papyrus à Alexandrie“ [11]. Zuletzt befasste sich Alexander Puk, der eine Masterarbeit zu den ägyptischen Prokuratoren verfasste, mit diesem Amt. Den Zuständigkeitsbereich des ἐπίτροπος χαρ­τηρᾶς, der seiner Meinung nach dem dioiketes unterstand, sieht er ähnlich wie Zucker und Lewis in der „collection of the χαρτηρά-tax in Egypt“ [12].

Die Auffassung, wonach der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς für die Verwaltung eines einzelnen Steuertitels zuständig gewesen sei, erscheint aus zweierlei Gründen unwahrscheinlich. Zum einen kennen wir bislang keinen alexandrinischen Prokurator, der ausschließlich für die Einkünfte eines einzigen Steuertitels verantwortlich zeichnete. Zum anderen dürfte die Papyrussteuer selbst[13], deren Erhebung von ptolemäischer Zeit bis zur Mitte des 2. Jh. n. Chr. dokumentiert ist, eher unbedeutend gewesen sein [14], was wiederum die Existenz eines eigens dafür abgestellten Prokurators stark in Frage stellt.

Der im Titel des Prokurators enthaltene Begriff χαρτηρά führt schließlich zur Diskussion um das Papyrusmonopol selbst. Das Ausmaß der staatlichen Kontrolle auf dem Gebiet der Papyrusindustrie, das von der Verpachtung einzelner Teilbereiche — wie etwa Anbau oder Verkauf — bis hin zur Regulierung aller mit der Papyrusproduktion in Verbindung stehenden Verarbeitungsprozesse gereicht haben könnte, lässt sich bislang nicht genauer ausmachen [15]. In ptolemäischer Zeit dürfte zumindest eine staatliche Einflussnahme beim Vertrieb des königlichen Papyrus, dem Schreibmaterial höchster Güte, vorgelegen sein [16]. In römischer Zeit lässt sich jedoch bislang kein Papyrusmonopol in Ägypten sicher nachweisen. Vor diesem Hintergrund wäre daher die Bezeichnung des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς als ‚Monopolverwalter‘ kaum mehr als Spekulation.

3. Der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς und die Versorgung mit Papyrus

Die Versorgung mit ägyptischem Schreibmaterial stellt einen Bereich dar, der im Zusammenhang mit dem ἐπίτροπος χαρτηρᾶς in der Forschung bislang nur am Rande diskutiert worden ist. Einen flüchtigen Blick auf die prekäre Versorgungslage mit ägyptischem Papyrus bieten Strabon und Plinius, die sich auf das frühe Prinzipat beziehen. Beiden Autoren war es anscheinend ein Anliegen, in diesem Kontext auftretende Missstände aufzuzeigen, um damit die Signifikanz der Papyrusversorgung und ihrer Sicherstellung zu betonen. Während Strabon eine Reduzierung des Papyrusanbaus in Ägypten mit einer parallel dazu verlaufenden Erhöhung des Preises an vorrätigem Papyrus schildert[17], beschreibt Plinius den Engpass an Papyrusvorräten, zu dem es in Rom während der Regierungszeit des Tiberius gekommen war, mit der Folge, dass der Kaiser sich sogar veranlasst sah, eine eigene Sonderkommission des Senats zur Regelung dieser misslichen Lage einzusetzen [18]. Besonders der Passus bei Plinius erweckt den Anschein, dass bis in tiberische Zeit weder der ägyptische Papyrus unter kaiserlicher Kontrolle stand[19] noch der Papyrusankauf für Rom und möglicherweise auch die weitere Versorgung der Provinzen von einer kaiserlichen Institution zentral geregelt wurden [20]. Erst aus den Regierungsjahren Aurelians erfahren wir unter anderem von der Einführung einer Naturalabgabe (vectigal chartae), die in Papyrus zu entrichten war und die zumindest den Bestand an Papyrusvorräten in der Hauptstadt sicherstellen sollte[21].

Die Lücke für die Zeitpanne zwischen der Regierungszeit des Tiberius und des Aurelian könnte der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς schließen. Die Schaffung eines Amtes in Ägypten in Folge der bei Plinius beschriebenen Notlage in Rom unter Kaiser Tiberius wäre kaum verwunderlich gewesen. Über den genauen Zeitpunkt der Einführung des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς lässt sich zwar nur mutmaßen, sie dürfte aber frühestens unter Kaiser Tiberius[22] und spätestens unter den Flaviern erfolgt sein[23]. Ein ähnlicher Ressourcenmanager war der in flavischer Zeit geschaffene procurator Neas poleos (et Mausolei), der für die Beschaffung von Getreide aus der Chora verantwortlich zeichnete und im alexandrinischen Stadtteil Neapolis eine eigene Speicheranlage (θησαυροὶ τῆς Νέας πόλεως) verwaltete[24]. In Analogie zur Tätigkeit des procurator Neas poleos (et Mausolei) wäre es vorstellbar, dass der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς für die Beschaffung von Papyrusmaterial verantwortlich war und einem eigenen Papyrusspeicher in Alexandria vorstand[25].


4. Der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς und der procurator rationis chartariae

Außerhalb von Ägypten findet man ferner die Erwähnung einer ratio chartaria sowie eines procurator rationis chartariae, dessen Bezeichnung entfernt an den ägyptischen ἐπίτροπος χαρτηρᾶς erinnert. Die ratio chartaria ist anhand epigraphischer Zeugnisse bislang vom späten 1. Jh. bis zur 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. nachzuweisen. Die Einführung könnte etwa zeitgleich mit der des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς erfolgt sein [26].

Der procurator rationis chartariae ist in zwei Inschriften dokumentiert (sicher in 3 und ergänzt in 4), zwei weitere Testimonien nennen tabularii rationis chartariae (5 und 6), also Buchhalter aus seinem Büro. In der fragmentarischen Inschrift 7 (Rom, 1.–2. Jh. n. Chr.) begegnet lediglich der Ausdruck ratio chartaria, so dass sich nicht mehr rekonstruieren lässt, ob hier der Prokurator oder ein Mitarbeiter seines officium genannt war [27]. 3 (Rom, spätes 1. / Anfang 2. Jh. n. Chr.) stellt wohl den chronologisch frühesten Beleg für einen procurator rationis chartariae dar[28]: Optatus, ein kaiserlicher Freigelassener, bekleidete die Ämter einesprocurator anabolici in Alexandria sowie eines procurator provinciae Cilic(iae) und eines procurator rationis chartar(iae) [29]. Ségolène Demougin lokalisierte die Amtsstelle des Prokurators — sie löste in 3, 6–7 chartar( ) noch zu chartar(eam) auf [30] — in Alexandria und hielt ihn in erster Linie für den Zuständigen für die Verwaltung der χαρτηρά-Steuer[31]. Folglich interpretierte sie den in Frage stehenden Prokurator als gleichbedeutend mit dem aus den griechischen Inschriften bekannten ἐπίτροπος χαρτηρᾶς [32]. Die Grabinschrift 4 (Rom, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) bezeugt einen weiteren kaiserlichen Freigelassenen, der möglicherweise ebenfalls als Prokurator bei der ratio chartaria tätig war [33]. Antonio Ferrua nahm wie Demougin an, dass mit ratio chartaria die Verwaltung der χαρτηρά-Steuer gemeint sei[34]. Das Amt des tabularius, des Rechnungsführers der ratio chartaria, wird in zwei Grabinschriften erwähnt[35]: Während in 5 (Bovillae, 1.–2. Jh. n. Chr.) einlibertus Augusti als tabularius bezeugt ist, begegnet in 6 (Rom, 2. Jh. n. Chr.) ein s(ervus) Caesaris n(ostri) [36].

Aus den inschriftlichen Zeugnissen geht klar hervor, dass das Amt des procurator rationis chartariae ebenfalls von kaiserlichen Freigelassenen bekleidet wurde. Auch das Büropersonal der Amtsstelle — bezeugt sind tabularii — dürfte sich aus kaiserlichen liberti und servi aus der familia Caesaris zusammengesetzt haben. Zur Stellung des Postens innerhalb der Laufbahn der kaiserlichen liberti lässt sich basierend auf 3, wo ein absteigender cursus dokumentiert wird [37], nur so viel sagen, dass der hier genannte Optatus seine Karriere in der kaiserlichen Verwaltung mit dem Amt des procurator rationis chartariae begonnen hat. Demzufolge dürfte dieser Posten kaum zu den Spitzenämtern gezählt haben.

Einen ersten Vorschlag zur Interpretation des in Frage stehenden Prokurators machte Friedrich Zucker, der 7 als ein Zeugnis für einen „rationis chart[ariae] betrachtete: Der Prokurator habe die Papyrusvorräte in den horrea chartaria in Rom verwaltet [38]. Giovanni Battista De Rossi sah die ratio chartaria als ein Büro der staatlichen Verwaltung an, das sich speziell mit dem Handel von Papyrus („ufficio preposto al commercio della carta“) beschäftigte [39]. Seine Auffassung geht auf Boulvert zurück, der von papyrusverarbeitenden Werkstätten in Rom ausging, die im Besitz des Kaisers standen und sogenannte kaiserliche chartae produzierten. Die Aufgabe derratio chartaria sei daher gewesen, alle finanziellen Angelegenheiten, die bei der Fabrikation sowie dem Handel anfielen, abzuwickeln [40].

Bei der Frage nach dem Tätigkeitsbereich des procurator rationis chartariae begegnet man schließlich auch mehrmals der Auffassung, dass dieser für die in Ägypten bezeugte χαρτηρά-Steuer verantwortlich gewesen sein soll. Diese Interpretation beruht jedoch auf einem Irrtum: Einerseits auf der abzulehnenden Auflösung von chartar( ) zu chartarea in 3 sowie andererseits auf der irrtümlichen Gleichsetzung des Adjektivs chartaria mit besagtem Steuertitel in 4 [41]. Demgegenüber zeigt aber generell der Terminus ratio, der im vorliegenden admi­nistrativen Kontext die Rechnungsführung einer Abteilung innerhalb der umfangreichen kaiserlichen Finanzverwaltung bezeichnet [42], dass es bei der ratio chartaria keinesfalls um die Verwaltung einer einzelnen Steuer gehen kann, zumal sich die Erhebung der χαρτηρά auch bislang ausschließlich für Ägypten nachweisen lässt. Vielmehr dürfte es sich um ein eigenes Ressort gehandelt haben, das zur Zentralverwaltung Roms gehörte und sich speziell mit der Administration des Schreibmaterials charta befasste[43]. So wäre es etwa naheliegend, dass die ratio chartaria die Versorgung (Transport, Lagerung, Zuteilung) der stadtrömischen kaiserlichen Kanzleien oder gar der ganzen Hauptstadt mit ägyptischem Papyrus koordinierte [44].

5. Fazit

Der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς und der procurator rationis chartariae zählen zu den Freigelassenenprokuratoren aus der familia Caesaris. Zur Bedeutung beider Ämter innerhalb der Laufbahn von Freigelassenen lassen sich nur punktuelle Aussagen treffen. Während die Stellung als ἐπίτροπος χαρτηρᾶς — wie 1 und 2 zeigen — auf mittlerer Stufe rangiert haben dürfte, ist die Prokuratur der ratio chartaria in 3 am Beginn einer Karriere bezeugt. Sicher sind beide prokuratorischen Ämter nur für das 2. Jh. n. Chr. belegt. Die Einführung beider Ämter dürfte aber bereits in das 1. Jh. n. Chr. zurückreichen. Als ein möglicher terminus post quem kommt die Regierungszeit von Kaiser Tiberius in Betracht, als ad hoc eine Kommission gebildet werden musste, um die Versorgung der Stadt Rom mit Schreibmaterial sicherzustellen. Als Teil eines umfangreichen, die Papyrusversorgung betreffenden Reformprogrammes könnte zu dieser Zeit oder vielleicht etwas später unter den Flaviern ein eigenes Ressort zusammen mit einer Prokuratur in Rom sowie einer weiteren Prokuratur in Alexandria eingerichtet worden sein.

Das Büro des procurator rationis chartariae regelte vermutlich die Versorgung der kaiserlichen Zentralverwaltung. Die ratio chartaria dürfte sich jedoch nicht auf die Verwaltung und Erhebung der χαρτηρά-Steuer erstreckt haben, da diese Abgabe auf Ägypten beschränkt war. Spätestens seit der Einrichtung der ratio chartaria dürfte wohl auch in der statthalterlichen Verwaltung in Alexandria ein eigener Beamter installiert worden sein, dessen Aufgabe es war, sich vor Ort um die Anschaffung, Verwaltung und Auslieferung des Schreibmaterials zu kümmern. Seine Funktion ausschließlich in der Administration der Einkünfte der χαρτηρά-Steuer oder der eines bislang nicht nachgewiesenen Papyrusmonopols in römischer Zeit zu sehen, ist kaum glaubhaft. Ob zuvor bereits ein ptolemäischer Beamter in Alexandria existierte, der für das Amt des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς eventuell als Vorbild diente, kann angesichts der fehlenden Quellen zwar nicht geklärt werden, die Existenz eines derartigen ptolemä­ischen Administrativorganes sollte aber aus praktischen und wirtschaftlichen Überlegungen a priori nicht ausgeschlossen werden. Genauso ist das Vorhandensein einer Speicheranlage für Papyrus in Alexandria vor der Schaffung des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς mehr als wahrscheinlich. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem in Rom befindlichen procurator rationis chartariae und dem alexandrinischen ἐπίτροπος χαρτηρᾶς, zumindest was die Versorgung der Zentralverwaltung Roms mit ägyptischen Papyrus anbelangt, ist wohl vorauszusetzen. Wie jedoch die reichsweite Versorgung mit Schreibmaterial organisiert wurde und welche Rolle dabei die beiden Prokuratoren wahrnahmen, muss gänzlich offen bleiben[45].

Im Laufe des 3. Jh. n. Chr. verschwinden beide Prokuratoren wieder aus der dokumentarischen Evidenz. Dies könnte entweder Folge der severischen Verwaltungsreformen gewesen sein, die dem dualen prokuratorischen System von Rittern und Freigelassenen ein Ende setzten, oder in Zusammenhang mit der ab Aurelian belegten Naturalabgabe vectigal chartae stehen, die fortan die Versorgung Roms mit Schreibmaterial sicherstellen sollte [46].

6. Prosopographie

a) ἐπίτροπος χαρτηρᾶς Ἀλεξανδρείας

Nr. 1: [Diadum(?)]enos

Ikonion / Laodicea Comb., Regierungszeit Marcus Aurelius oder später, vgl. Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 277.

ed. pr .: Calder, Journey (o. Anm. 5) 235–237, Nr. 5 = AE 1910, 169 (Z. 6–7 χάρτη[ς ἱε]ρᾶς)

ed. sec .: Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς (o. Anm. 1) 80 = SB I 5636 = ILS 9470

… [Διαδούμ(?)]ενον Σ[ε]|βαστοῦ ἀπελεύ|θερον, ... ἐπ[ί]|τροπον χαρτη|ρᾶς Ἀλεξανδρεί|ας …

Lit.: Zucker, op. cit. 79–105; Mahaffy, Decay (o. Anm. 17) 237–241; Calder, Colonia (o. Anm. 1) 100 mit Anm. 8 (mit dem Vorschlag von Adolf Wilhelm zu Z. 1: [Διαδούμ]ενον); Zucker, Papyrusmonopol (o. Anm. 17) 184–186; Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139 Anm. 314; 163 Anm. 473; 227; 304; 319–320; Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 277 (19); Puk, Administration (o. Anm. 12) 22 mit Anm. 129.


Nr. 2: [Aur(elius)(?) S]aturninus

Pergamon, 212–217/235 n. Chr.

ed. pr .: T. Wiegand, Bericht über die Ausgrabungen in Pergamon. Das Asklepieion, 1928–1932 (Abhandlungen der preussischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 5), Berlin 1932, 46–47, Nr. 8 = AE 1933, 273

ed. sec. : Ch. Habicht, IvP III 44, cf. BÉ 1969, 483; 1970, 479; 1971, 544

ed. ter. : Christol, Demougin, Saturninus (o. Anm. 2) 176–177 = SEG XL 1133, cf. Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 125 (Z. 6: χαρταρέας)

[Αὐρ.(?) Σ]ατορνῖνον … ἐπίτροπον χαρταρέας | ἐν Ἀλεξανδρείᾳ …

Lit.: Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139 Anm. 314; 163, Anm. 473; 219, Anm. 109; 227; 304; 319–320; Pflaum, Carrière (o. Anm. 9) 297–310; Le Roux, Procurateur affranchi (o. Anm. 9) 224–227, pl. 46; Christol, Demougin, Saturninus (o. Anm. 2) 159–211; Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 125; Puk, Administration (o. Anm. 12) 21–22 mit Anm. 124.

b) procurator rationis chartariae

Nr. 3: Optatus

Rom, spätes 1. / Anfang 2. Jh. n. Chr nach Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 382 (Freilassung entweder unter Vespasian, Titus oder Domitian) oder Regierungszeit Marcus Aurelius oder später nach Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 277.

ed. pr .: AE 1977, 23 = Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 381

Optati Aug(usti) l(iberti) | qui pr(ocuravit) ad ana|bolicum Alex(andriae) | item in pro| vincia Cilic(ia) et ad r|ationem char|tar(iam)

Lit.: M. Vitucci, Libertus, in: E. De Ruggiero, Dizionario epigrafico di Antichità romane, vol. IV, fasc. 29, Roma 1958, 943; G. Molisani, La collezione epigrafica dei Musei Capitolini. Le iscrizioni greche e latine (Studi e materiali del Museo del­l’Impero Romano 8), Roma 1973, 153, pl. XVI; Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 273; 277 (20); Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 381–384; Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 124–125 (ad r|ationem char|tar(iam)); Puk, Administration (o. Anm. 12) 20 mit Anm. 120.

Nr. 4: [---] Daphnus

Rom, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr. (unter der Samtherrschaft des Marcus Aurelius und Lucius Verus 161–169 freigelassen)

ed. pr. : AE 1975, 79 = Ferrua, Lavori (o. Anm. 34) 50, n.° 33

[- - - Augu]storum [li]b(ertus) Daphnus [proc(urator) rat]ionis ch[ar]tariae …

Lit.: Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 124.


c) tabularius rationis chartariae

Nr. 5: Festus

Bovillae (regio I), 1.–2. Jh. n. Chr. (?)

ed. pr. : De Rossi, Bovillae (o. Anm. 39) 48, n.° 64 = AE 1979, 98

Festus | Aug(usti) lib(ertus) | tabularius | rationis | chartariae …

Lit.: Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 125.

Nr. 6: Iudex

Rom, Ende 2. Jh. n. Chr. (Datierung nach der Schriftform)

ed. pr .: AE 2000, 423 = SupplIt 18, n.° 25

Iudici Caesar[is n(ostri) s(ervo)] | tabulario ra[tionis] | charta[riae]

Lit.: AE 2001, 892 adn. = M. Buonocore, Il capitolo delle inscriptiones falsae vel alienae nel CIL.Problemi generali e particolari: Lʼesempio della regio IV Augustea, in: G. Angeli Bertinelli, A. Donati (Hrsg.), Varia epigraphica. Atti del Colloquio Internazionale di Epigrafia. Bertinori, 8–10 giugno 2000 (Epigrafia e antichità 17), Faenza 2001, 85–86, fig. 12 (zur Herkunft).

d) procurator oder tabularius?

Nr. 7: [---]

Rom, 1.–2. Jh. n. Chr. (?)

ed. pr. : CIL VI 8567 + p. 3459

, conlib[erto ---] | rationis chart[ariae], ... libertis libertabusqu[e],

Lit.: Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς (o. Anm. 1) 101 (rationis chart[ariae]); Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139 Anm. 314 (… conlib[ertus] rationis chart[ariae] …); Demougin, Optatus, 383 (… [proc(uratori)(?)] | rationis chart­[ariae] …); Puk, Administration (o. Anm. 12) 21 mit Anm. 120.

 

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Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde,
Papyrologie und Epigraphik
Universität Wien
Dr. Karl-Lueger Ring 1
A-1010 Wien
kerstin.boehm@univie.ac.at

Kerstin Sänger-Böhm

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[1] Die Ergänzung seines Namens in Z. 1 [Διαδούμ(?)]ενον basiert auf einem Vorschlag von Adolf Wilhelm, siehe W. M. Calder, Colonia Caesareia Antiocheia, JRS 2 (1912) 100 Anm. 8. Da nur ein Teil des Inschriftensteines geborgen werden konnte, lässt sich auch der genauere Kontext nicht mehr feststellen. Friedrich Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς Ἀλεξανδρείας, Philologus 70 (1911) 79–80 plädierte für eine Stele mit dem Bildnis des Geehrten. Eine detaillierte Besprechung der Inschrift ebenfalls bei Zucker, op. cit. 79–105. Zu seiner letzten Stellung als procurator Cappadocias vgl. allg. zu den procuratores provinciae P. R. C. Weaver, Familia Caesaris. A Social Study of the Emperor’s Freedmen and Slaves, Cambridge 1972, 276–729.

[2] Ausführlich zu dieser Inschrift, der Karriere des Saturninus und seiner prokuratorischen Stellungen im Speziellen — mit Ausnahme des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς — vgl. M. Christol, S. Demougin, La carrière de l’affranchi Saturninus, MEFRA 102 (1990) 159–211, bes. 209–211 zur Datierung; ferner siehe auch N. Lewis, Notationes Legentis, BASP 30 (1993) 125.

[3] Die Ortsangaben sollten vielleicht nicht nur den Sitz seiner Amtsstelle anzeigen, sondern dienten möglicherweise auch dazu, ihn klar vom procurator rationis chartariae in Rom unterscheiden zu können. Zum procurator rationis chartariae siehe unten.

[4] Siehe zum einen den cursus in 1, der mit dem Posten des procurator provinciae in der Provinz Cappadocia endete, und zum anderen die Karriere des Saturninus in 2, der vom ἐπίτροπος χαρτηρᾶς in Ägypten zuma cognitionibus et procurator summarum rationum — nach Christol und Demougin, Saturninus (o. Anm. 2) 210 zum a cognitionibus excellentissimorum rationalium — aufstieg.

[5] Siehe Calder, A Journey round the Proseilemmene, Klio 10 (1910) 235–237, Nr. 5 = AE 1910, 169.

[6] Ἐπίτροπος (o. Anm. 1) 85–86.

[7] Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Erster Band: Historischer Teil, Erste Hälfte: Grundzüge , Leipzig, Berlin 1912, ND Hildesheim 1963, 256.

[8] Esclaves et affranchis imperiaux sous le Haut-Empire romain. Rôle politique et admi­nistratif (Biblioteca di Labeo 4), Napoli 1970, 139 Anm. 314 und 227 mit Anm. 146.

[9] La carrière de l’affranchi impérial Saturninus. Sous-procurateurs provinciaux équestres et procurateurs d’extraction affranchie , REL 47 bis (1970) 298–303 und Procurateur affranchi in Hispania. Saturninus et l’activité minière, MDAI(M) 26 (1985) 224.

[10] Papyrus in Classical Antiquity , Oxford 1974, 138–139.

[11] Saturninus (o. Anm. 2) 184 mit Anm. 129.

[12] Procuratorial Administration in Roman Alexandria , unpubl. Masterarbeit Oxford 2008, 18–22 mit Anm. 129. An dieser Stelle sei Alexander Puk herzlichst gedankt, der mir Einsicht in seine unveröffentlichte Masterarbeit gestattete.

[13] Zur Papyrussteuer und ihren vielfältigen Deutungen vgl. zuletzt ausführlich K. Sänger-Böhm, Überlegungen zum Steuertitel χαρτηρά, Tyche 24 (2009) 103–113, bes. 104–105.

[14] Sowohl in ptolemäischer als auch in römischer Zeit werden relativ niedrige Steuerbe­träge zur χαρτηρά überliefert; vgl. Sänger-Böhm, Überlegungen (o. Anm. 13) 106–108 mit Anm. 20.

[15] Zur Debatte um die Monopolfrage der Papyrusindustrie siehe Wilcken, Grundzüge (o. Anm. 7) 255–256; T. Reil, Beiträge zur Kenntnis des Gewerbes im hellenistischen Ägypten, Leipzig 1913, 7; F. Heichelheim, Monopole, RE 16,1 (1933) 185–186; C. Préaux, Lʼéconomie royale des Lagides, Bruxelles 1939, 187–196; N. Lewis, The Text of SB VI 9629 Reconsidered, CdÉ 48 (1973) 134 mit Anm. 1 u. 2; dens., Papyrus (o. Anm. 10) 119–128; dens., Notationes (o. Anm. 2) 124–125; C. Römer, Papyrusmonopol, in: S. Corsten, St. Füssel, G. Pflug (Hrsg.), Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 5, Stuttgart 21999, 541; J. M. S. Cowey, Zur ptolemäischen Dermatera, in: P.Phrur.Diosk. (= Pap.Colon. XXX), S. 130 und zuletzt Sänger-Böhm, Überlegungen (o. Anm. 13) 103 mit Anm. 2. — Falls etwa im Nildelta, wo man den größten Anteil an Papyrusplantagen in Ägypten annehmen darf, besondere Regelungen hinsichtlich der Papyruspflanzungen und deren Verpachtung existiert haben, so sind uns diese aufgrund der dürftigen Überlieferungslage nicht bekannt. Was die Verpachtung von Papyruspflanzungen der γῆ οὐσιακή betrifft, vgl. Lewis, Papyrus (o. Anm. 10) 107–108 mit Anm. 9 u. 10 und G. M. Parassoglou, Imperial Estates in Roman Egypt (ASP 18), Amsterdam 1978, 57 mit Anm. 44. Beide schließen ein Monopol hinsichtlich Kultivierung und Produktion aus.

[16] Vgl. Sänger-Böhm, Überlegungen (o. Anm. 13) 103–104.

[17] Strab. 17,1,15 p. 800C, 7–13: ἡ δὲ βύβλος ἐνταῦθα μὲν οὐ πολλὴ φύεται — οὐ γὰρ ἀσκεῖται — ἐν δὲ τοῖς κάτω μέρεσι τοῦ Δέλτα πολλή, ἡ μὲν χείρων, ἡ δὲ βελτίων ἡ ἱερατική· κἀνταῦθα δέ τινες τῶν τὰς προσόδους ἐπεκτείνειν βουλομένων μετήνεγκαν τὴν Ἰουδαϊκὴν ἐντρέχειαν, ἣν ἐκεῖνοι παρεῦρον ἐπὶ τοῦ φοίνικος, καὶ μάλιστα τοῦ καρυωτοῦ, καὶ τοῦ βαλσάμου· οὐ γὰρ ἐῶσι πολλαχοῦ φύεσθαι, τῇ δὲ σπάνει τιμὴν ἐπιτιθέντες τὴν πρόσοδον οὕτως αὔξουσι, τὴν δὲ κοινὴν χρείαν διαλυμαίνονται. — Victor E. Gardthausen sieht diese Klage allgemein im Kontext einer „Teuerung des Papiers unter dem Kaiser Tiberius“, siehe Griechische Paläographie 1. Das Buchwesen im Altertum und im byzantinischen Mittelalter, Leipzig 2 1911, 56; so auch zuletzt Stefan Radt (Hrsg.), Strabons Geographika, Buch XIV–XVII: Kommentar, Bd. 8, Göttingen 2009, 437. Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς (o. Anm. 1) 91–93 nahm vorerst an, dass es sich hier um private Papyrusbauern handle, die angeblich mit Absicht den Anbau reduzierten, um damit den Preis für Papyrus in die Höhe zu treiben. Nach dem Erscheinen eines Artikels von J. P. Mahaffy, The Decay of Papyrus Culture in Egypt, Hermathena 26 (1911) 237–241, der sich für die Existenz eines ptolemäischen Papyrusmonopols aussprach und darauf verwies, dass es sich bei den προσόδους nicht um Einkünfte von Privaten, sondern um Staatseinkünfte handele, revidierte auch Zucker, Zur Frage des Papyrusmonopols, Philologus 74 (1917) 184 seine Meinung zur Strabon-Stelle.

[18] Plin. nat. 13,89: Sterilitatem sentit hoc quoque, factumque iam Tiberio principe inopia chartae, ut e senatu darentur arbitri dispensandis; alias in tumultu vita erat .

[19] Ein mögliches weiteres Argument gegen die Existenz eines Papyrusmonopols in
Ägypten.

[20] Vgl. Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς (o. Anm. 1) 91–92 sowie dens., Papyrusmonopol (o. Anm. 17) 185, der mit Verweis auf Plinius die Möglichkeit ausschließt, „daß am Anfang der Kaiserzeit ein Monopol bestand“.

[21] SHA Aurelian. 45,1: Vectigal ex Aegypto urbi Romae Aurelianus vitrei, chartae, lini, stuppae atque anabolicas species aeternas constituit. — Über die genaue Erhebung des vectigal chartae sind wir nicht unterrichtet. Die nach Rom gelangten Lieferungen wurden vermutlich in denhorrea chartaria — den öffentlichen Speichern oder Lagerhäusern privater Unternehmer — gelagert, die in der konstantinischen Notitia urbis Romae (= Reg. Urb. 4,8) verzeichnet sind. Vgl. Zucker, Ἐπίτροπος χαρτηρᾶς (o. Anm. 1) 101 sowie Puk, Administration (o. Anm. 12) 21.

[22] Vgl. Plin. nat. 13,89.

[23] Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 261 spricht sich für die flavische Zeit aus.

[24] Zur Tätigkeit des procurator Neaspoleos (et Mausolei) siehe zuletzt A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti (Historia Einzelschriften 175), Stuttgart 2009, 201–202 u. 205; ferner F. Beutler-Kränzl, Procurator ad Mercurium, in: B. Palme (Hrsg.), Akten des 23. Internationalen Papyrologenkongresses, Wien, 22.–28. Juli 2001 (Pap.Vind. 1), Wien 2007, 54. Zu seinen provinzinternen Aufgaben siehe ausführlich Th. Kruse, Der königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (30 v. Chr. – 245 n. Chr.) (APF Beih. 11), München 2002, 340–343.

[25] Zur möglichen Rolle des ἐπίτροπος χαρτηρᾶς bei der Heeresversorgung sowie speziell dem Eintrag ad chartam conficiendam (Z. 16) in Rom.Mil.Rec.10 (80–87 n. Chr.), einem Verzeichnis von Außenmissionen von Soldaten der legio III Cyrenaica, siehe demnächst P. Sänger, K. Sänger-Böhm, Ad chartam comficiendam. Zu diesen und anderen Sonderdiensten römischer Soldaten in Rom.Mil.Rec. 10, CdÉ 86 (2011) (im Druck).

[26] Siehe oben mit Anm. 22 und 23.

[27] Während Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139 Anm. 314 die Funktion in 7, 4–5 offen lässt (…conlib[ertus] rationis chart[ariae] …), bietet S. Demougin, Optatus Augustus libertus, Historia 26 (1977) 383 die Auflösung [proc(uratori)?] | rationis chart[ariae] an.

[28] Zur Datierung vgl. Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 382, die seine Freilassung einem der flavischen Kaiser — „Vespasien, Titus ou Domitien“ — zuschreibt; seine Karriere begann dementsprechend im späten 1. Jh. und dauerte möglicherweise bis Anfang des 2. Jh. n. Chr. Anders Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 273, der 3 frühestens in die Regierungszeit des Marcus Aurelius datieren möchte.

[29] Ausführlicher Kommentar mit besonderer Berücksichtigung der prokuratorischen Ämter bei Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 381–384.

[30] Da sich im Lateinischen jedoch weder ein Substantiv chartarea noch ein Adjektiv chartareus nachweisen lässt, ist die Auflösungchartar(iam) zu bevorzugen. Das Adjektiv chartarius bezieht sich etymologisch auf charta, siehe ThLL s.v. chartarius, -a, -um; vgl. ferner auch Lewis, Notationes (o. Anm. 2) 124–125.

[31] Siehe Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 382.

[32] Op. cit. 382–383.

[33] Vgl. Z. 2: [proc(urator) rat]ionis ch[ar]tariae. Die Amtsbezeichnung Prokurator ist zwar ergänzt, scheint jedoch aufgrund der Platzverhältnisse überzeugend.

[34] Lavori a San Callisto , RAC 51 (1975) 50.

[35] Zum tabularius siehe ausführlich Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 244–266, bes. 241–243 mit der angegebenen Literatur in Anm. 1 sowie Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) bes. 419–425.

[36] Zur Herkunft von 6 vgl. AE 2001, 892 adn.

[37] Zu Optatus, der ausschließlich eine Karriere in der Finanzadministration durchlief und dessen Amt als procurator provinciae in Kilikien den Schlusspunkt seiner Laufbahn darstellte, vgl. Demougin, Optatus (o. Anm. 27) 382 sowie Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 273.

[38] Vgl. Ἐπίτροπος (o. Anm. 1) 101. Zu diesem Zeitpunkt stellte die fragmentarische Inschrift 7 noch den einzigen Beleg zurratio chartaria dar. Daher vermutete er auch das Amt eines rationis chartariae; ein procurator oder tabularius rationis chartariae schien in der Evidenz noch nicht auf.

[39] Bovillae (Forma Italiae, Regio I, vol. 15), Firenze 1979, 48 Komm. zu n. 64/1 mit Verweis auf Boulvert, Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139.

[40] Esclaves et affranchis (o. Anm. 8) 139; wobei auch hier anzumerken ist, dass De Rossi hinsichtlich der Interpretation der ratio chartaria — wie Zucker — nur 7 vorlag. Daher ließ er die genaue Amtsbezeichnung dieses kaiserlichen Freigelassenen offen und bezeichnete ihn lediglich als „un affranchi attaché à cette ratio“.

[41] Siehe oben die gebotenen Interpretationen bezüglich 3 und 4.

[42] Vgl. z.B. W. Liebenam, Ratio, RE 1A, 1 (1914) 261–262, bes. 262 zur ratio chartaria.

[43] Zur unumstrittenen Etymologie des Adjektivs chartarius von charta siehe o. Anm. 30.

[44] Zur Deutung der ratio chartaria siehe auch im Folgenden.

[45] So könnte man vielleicht daran denken, dass der ἐπίτροπος χαρτηρᾶς für die Beschaffung des Papyrusmaterials in Ägypten und der procurator rationis chartariae als übergeordnete Stelle für die Distribution in der kaiserlichen Verwaltung (und weiter) verantwortlich zeichnete. Dagegen spricht jedoch der Rang der beiden Prokuratoren.

[46] Zum Übergang vom dualen prokuratorischen zum ausschließlich ritterlichen Verwaltungssystem unter den Severern vgl. etwa Weaver, Familia Caesaris (o. Anm. 1) 265–266.