Ortolf Harl


Polybios bereist um 150 v. Chr. die östliche Cisalpina
und besucht die norischen Taurisker


Tafel 13–16



Einleitung

Den Hintergrund zu dieser Studie bildet ein keltisch-römischer Fundplatz, den der Verfasser im Jahre 1993 in einer Meereshöhe von 2.570 Metern auf dem Hochtor, an der Landesgrenze zwischen Kärnten und Salzburg, entdeckte. Bei einer archäologischen Untersuchung des Jahres 1995 (Abb. 1) entpuppte er sich als ein Passheiligtum, das den höchstgelegenen Punkt einnahm, an dem eine zumindest bis in die mittlere Latènezeit zurück zu verfolgende Handelsroute den Alpenhauptkamm überschritt. Da der Südanstieg zum Hochtor vom Großglockner, dem höchsten und bekanntesten Gipfel der Ostalpen (3.797 m), beherrscht wird und da das Hochtor mit der welt­berühmten Großglockner-Hochalpenstraße heute wiederum ein wichtiger Übergang in der Glocknergruppe ist, lag es nahe, der neu entdeckten Handelsverbindung den Namen „Glocknerroute“ zu verleihen.[1] Auch wenn keine Funde gemacht wurden, die das Heiligtum einer bestimmten Gottheit zuweisen würden, ist wegen der dominierenden Stellung des Großglockners und wegen der extremen Höhenlage am ehesten an Iupiter zu denken, vergleichbar dem Iupiterheiligtum auf dem Großen St. Bernhard an der Grenze zwischen Italien und der Schweiz (2.469 m).[2]

Bei der Analyse der topographischen und archäologischen Situation stellte sich heraus, dass die Glocknerroute auf kürzestem Wege die prähistorischen Salzberg­werke von Hallein und Dürrnberg beziehungsweise nach deren Niedergang die Salzsiedereien von Bad Reichenhall (Bayern) mit dem Caput Adriae verband und in vor- und frührömischer Zeit offensichtlich die wichtigste Nord-Südroute über die Ostalpen war. Auf ihr wurden nicht nur Salz, sondern auch weitere alpine Bodenschätze wie Gold, Silber, Bergkristalle etc. nach Süden transportiert, und im Gegenzug gelangten auf ihr mediterrane Kulturgüter nach Norden. Man darf davon ausgehen, dass sich diese Route noch weit nach Norden fortsetzte, die Donau überschritt und den Transfer mediterraner Kultur ins östliche Mitteleuropa ermöglicht hat (Karte 1 und 2).





Karte 1: Die Glocknerroute, deren Verlängerung nach Norden und die von Polybios genannten Stämme.

Erläuterungen:

Nach dem rekonstruierten Reisebericht des Polybios (Mitte 2. Jh. v. Chr.)

Concordia: Östlichste Siedlung der Veneti (aus Strab. 5.1.8 erschließbar)

Aquileia: Außerhalb des Siedlungsgebietes der Veneti (Strab. 5.1.8)

Iulium Carnicum: Wahrscheinlich der südlichste Punkt des Machtbereiches der norischen Taurisker (Ptol. 2.13.3 „zwischen Italien und Norikum“)

Ocra: Südöstliches Ende der Alpen und Beginn des Siedlungsgebietes der Carni (Strab. 4.6.10)

Magistrikes: Bewohner der nördlich der Alpen liegenden und zum tauriskischen Machtbereich gehörenden Magistrike Chora, genaue Lage und Ausdehnung ihre Siedlungs­gebietes unbekannt. Die diesbezügliche Karteineintragung referiert ausschließlich den vagen Informationsstand des Polybios (Steph. Byz. s.v. Magistrikes).

Germani: Die auf Polybios zurückführbare Mitteilung „ ... die Nachbarn der Magistrikes sind Germanen... “ (Steph. Byz. s.v. Magistrike) trifft geographisch am ehesten auf den böhmischen Kessel zu. Die diesbezügliche Karteineintragung referiert ausschließlich den vagen Informationsstand des Polybios und soll z.B. keinesfalls das keltische Oppidum Zavist zu einer Germanensiedlung machen.

Die Fortsetzung der Glocknerroute von Ad Salinas/Reichenhall an die Donau wird markiert durch:

- die auf der Tabula Peutingeriana genannte und bei Schwanenstadt (Oberösterreich) lokalisierbare Straßenstation Tergolape mit der venetischen Namenswurzel *terg/trg (= Markt)

- die keltische Flachlandsiedlung von Hörsching-Neubau

- das keltische Oppidum von Linz-Freinberg

Nach dem Übergang über die Donau bei Linz findet die Glocknerroute ihre Fortsetzung im „Goldenen Steig“ (Bezeichnung des späten Mittelalters) über den Kerschbaumer Sattel an die Moldau und weiter in den böhmischen Kessel.

Kartenlegende

Entwurf: Ortolf Harl

Technische Umsetzung: Kurt Schaller, CHC – Research Group for Archaeometry and Cultural Heritage Computing, Universität Salzburg.

Kartengrundlage: FRE – Frontiers of the Roman Empire auf Basis einer Creative Commons Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/ mit freundlicher Genehmigung)

Karte 2: Verkehrsverbindungen, Siedlungen und Pässe in der östlichen Cisalpina und im zentralen Ostalpenraum nach dem rekonstruierten Reisebericht des Polybios (Mitte 2. Jh. v. Chr. )

Die Pfeile geben die Richtung an, in der Polybios gereist sein dürfte.

Iulium Carnicum und die Missoria-Inschriften werden von Polybios nicht genannt, lassen sich aber mit seiner Reise verbinden

Gurina, Römersiedlung Stribach, Aguntum (Lienz-Patriasdorf) sind der topographischen Information wegen hinzugefügt

Das Passheiligtum selbst ist der Erosion zum Opfer gefallen, seine Weihgaben jedoch sind in zwei Geröllhalden nach Süden abgerutscht und dort, soweit sie unvergänglich waren, im Verwitterungsschutt erhalten geblieben. Die Masse der Funde besteht aus römischen Münzen, deren Prägezeit zwischen dem ausgehenden 3. Jh. v. und dem 4. Jh. n. Chr. liegt, und einer Vielzahl von keltischen Silberobolen, die in das Jahrhundert zwischen Sulla und Claudius gehören. Dazu wurden 30 Fragmente von Bronzestatuetten gefunden, von denen die zwei größten im aufwendigen Hohlgussverfahren hergestellt sind und jeweils eine Höhe von rund 35 cm erreicht haben dürften (Abb. 2). Soweit es aus ihrer Herstellungsart zu erschließen ist, datiert Kurt Gschwantler die Statuettenreste überwiegend in die mittel- und spätrepublikanische Zeit.[3]

Die Analyse der topographischen und archäologischen Situation hat weiters ergeben, dass schon in prähistorischer Zeit neben dem Hochtor vorwiegend solche Ost­alpenpässe genutzt wurden, auf denen der Alpenhauptkamm in einem Tage über­schritten werden konnte. Im oberen Drautal vereinigten sich die verschiedenen Passrouten wieder und verliefen über den Gailbergsattel ins Gailtal. Für die römische Kaiserzeit führte das unter anderem zu der Erkenntnis, dass der Vorort des Munizipiums Aguntum nicht, wie bisher angenommen, bei Dölsach in Osttirol lag, sondern unter dem heutigen Lienz-Patriasdorf, wo eine über den Felbertauern herunter kommende Passroute die römische Drautalstraße erreichte. Die Siedlung hingegen, die bisher als Aguntum betrachtet wurde, ist jener Talort gewesen, in dem die Glocknerroute in die Drautalstraße mündete.[4]

Beim Anstieg aus dem Gailtal auf den Plöckenpass berührte die Glocknerroute auf der Missoria-Alm (= Würmlacher Wiesen bei Kötschach-Mauthen) eine Art von prähistorischem Merk- oder Verewigungsfelsen. Auf diesem haben Vorüberreisende in venetisch-nordetruskischer Schrift ihre Namen eingeritzt — sieben Männer mit venetisch beziehungsweise keltisch klingenden Namen und einer, der im Verdacht steht, einen germanischen Namen zu tragen (siehe unten). [5]

Vom Plöckenpass stieg die Glocknerroute nach Iulium Carnicum ab, das nun in Übereinstimmung mit den jüngsten Ausgrabungsergebnissen vor Ort schon für die vorrömische Zeit eine Schlüsselfunktion zwischen dem oberitalischen und dem inner­alpinen Wirtschaftsgebiet erhält. Nach dem Austritt aus den Südalpen gabelte sich die Glocknerroute in zwei Äste, von denen der eine nach Westen in Richtung Patavium und der andere an das Caput Adriae nach Aquileia beziehungsweise Tergeste führte. Hier dürfte das sog. Timavon in irgendeiner Weise mit der Glocknerroute in Zusammenhang stehen, weil dort ein kaiserzeitlicher IIvir i.d. aus Aguntum (Lienz-Patriasdorf/Osttirol) einen Weihaltar errichtete (Abb. 3). [6]

Diese archäologischen Erkenntnisse ließen eine neuerliche und vor allem gesamtheitliche Sichtung der literarischen Nachrichten zum Ostalpenraum sinnvoll erscheinen, und hier gab es einige Überraschungen. An vorderster Stelle steht die Tatsache, dass von den Forschern, die aus den antiken Schriftstellern die Fragmenta und Testimonia zu Polybios zusammentrugen, dessen Beschreibung des Timavon übersehen wurde, obwohl sie sich in den Geographikai des Strabo erhalten hat.[7] Das Timavon gehört zu den Gewässern, die bei den antiken Schriftstellern am häufigsten erwähnt werden, weil sich dort auf engstem Raum viele Karstquellen ins Meer ergossen.[8] Heute noch sind es drei Quellen, die bei der Kirche S. Giovanni in Duino (zwischen Monfalcone und Sistiana, Provincia di Trieste) auf eindrucksvolle Weise aus den Felsen sprudeln, aber wegen der inzwischen eingetretenen Verlandung erst nach 1.5 km in den Golf von Panzano münden (Abb. 4).

Wenn, wie eingangs gesagt wurde, den Hintergrund zu dieser Studie das Pass­heiligtum auf dem Hochtor bietet, so ist ihr Auslöser die Tatsache, dass der Besuch des Polybios beim Timavon von der Forschung übersehen worden ist. Die Anwesenheit des Polybios am Timavon lässt seine übrigen Mitteilungen zur östlichen Cis­alpina, zum Alpenraum, den Tauriskern und ihrem Gold etc. in völlig neuem Licht erscheinen. 1938 hat Guy E. F. Chilver die erstaunliche Wahrnehmung zu Papier gebracht, dass Strabos Kapitel über die Cisalpina bereits veraltet war, als es geschrieben wurde, [9] aber erst die Forschungen der allerjüngsten Zeit haben die Ursache dafür sichtbar werden lassen. Daniela Dueck hat, soweit ich sehe, als erste festgestellt, dass Strabo selbst dann nur griechische Quellen verwendet, wenn er römische Gebiete behandelt, wie z.B. im Falle Italiens.[10] Bei der Beschreibung Galliens konnte er Caesar nicht ausweichen, und so klingt bei Strabo die caesarische Dreiteilung nach. Doch ist nicht zu entscheiden, ob er den Gallischen Krieg wirklich gelesen hat oder sich lediglich auf mündliche Informationen dazu stützt. Da Strabo nicht einmal für die römisch-keltischen Auseinandersetzungen eine lateinischsprachige Quelle, allen voran Livius, benützt, nimmt Johannes Engels an, dass er trotz seines langen Aufenthalts in Rom mit dem Latein Schwierigkeiten hatte. [11] Die Sprachbarriere zum Lateinischen hin mag also eine Ursache sein, dass Strabo gerade bei der Beschreibung der Cis­alpina, die er nicht bereist hat,[12] so intensiv auf Polybios zurückgreift. Für seine Qualität als Schriftsteller spricht, dass er mit der geschickten Anwendung des Gegensatzpaares „Damals — Heute“ aus seiner sprachlichen Not eine historiographische Tugend macht.

Die Probleme, um die es im Folgenden geht, werden beim Timavon geradezu exemplarisch sichtbar, weshalb dieses in der Studie immer wieder auftauchen wird: Was Polybios um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. beim Timavon wahrnahm, ist zu einem Teil von Strabo unmittelbar übernommen worden und zum anderen über das Werk Peri Okeanu des Poseidonios (Abfassung ca. 95 v. Chr.) wiederum in Strabo eingeflossen. Beide Überlieferungsstränge ergänzen einander [13] und zeigen die Schärfe, mit der Polybios beobachtet, sowie die Genauigkeit, mit der er Erkundigungen eingeholt hat. An Hand der bei Strabo erhaltenen Zitate ist es daher möglich, eine Reise des Polybios durch die östliche Cisalpina, über das Timavon bis nach Tergeste sowie einen Abstecher zu den norischen Tauriskern, in deren Hauptstadt Noreia er die Goldverarbeitung studierte, zu rekonstruieren und mit Befunden aus Archäologie, antiker Topographie und Onomastik abzusichern und zu ergänzen.

Die auf Polybios zurückführbaren Nachrichten zur östlichen Cisalpina und zum Ostalpenraum


Polybios wird damit die Ehre zuteil, der älteste Autor zu sein, der über den Ost­alpenraum berichtet und vielen Autoren nach ihm Informationen geliefert zu haben. Weil er fast der einzig erhaltene Autor ist, der dies aus Autopsie tut, bedauert man besonders, dass sein Originaltext verloren ist. Die Studie setzt sich daher das Ziel, aus den Exzerpten und Zitaten des Strabo — und anderer antiker Autoren — die Informationen des Polybios zur Cisalpina wieder zu gewinnen. Es geht also nicht um literarische Aspekte oder Diskursanalysen, unter denen antike Historiker wie Polybios und Strabo auch betrachtet werden können, sondern um die handfesten Realinformationen, die sie liefern, und um die Frage, wie diese zustande kommen konnten.

Nicht immer stellt Strabo seine Quelle so deutlich in den Vordergrund wie in 4.6.12, dem sog. Alpenexkurs, wo er unentwegt und ausschließlich Polybios zitiert, um dann unter die von Polybios übernommenen Themen „Gold der Taurisker“ und „Gipfel, Pässe und Seen der Alpen“ mit den Worten „Das ist es, was wir (= ich) über die Alpen zu sagen habe(n)“ quasi seine eigene Unterschrift zu setzen. Da eine Vor­lage allein aus stilistischen Gründen nicht unentwegt genannt werden kann, muss man damit rechnen, dass Strabo auch dann auf Polybios zurückgegriffen hat, wenn er ihn nicht zitiert. Eine große Hilfe bei dieser Art von Spurensuche bieten Gegensatzpaare, die Strabo gerne verwendet, um die zivilisatorischen Leistungen des Augustus ins richtige Licht zu setzen. Nach Johannes Engels hat Strabo seine Geographikai so angelegt, dass nach dem ersten weltgeschichtlichen Höhepunkt, der Eroberung des Weltreiches durch Alexander, und nach dem historischen Wellental unter den Diadochen die Errichtung der römischen Weltherrschaft durch Augustus den zweiten weltgeschichtlichen Höhepunkt darstellt.[14] Man darf daher annehmen, dass Strabo, wenn er in der östlichen Cisalpina das Gegensatzpaar „Damals — Heute“ verwendet, mit dem „Damals“ auf Polybios zurückgreift.[15]

Erleichtert wird das Aufspüren von nicht gekennzeichneten Polybioszitaten dadurch, dass Strabo offensichtlich gestorben ist, bevor er seine Geographikai einer Endredaktion unterziehen konnte.[16] So findet sich eine nicht geringe Zahl grammatikalischer Inkonsequenzen, und mitunter macht der Gang der Erzählung absurde Sprünge. Auch das schärft den Blick für die Verwendung älterer Informationen.

Zur Rekonstruktion der Reise des Polybios durch die östliche Cisalpina gibt es also direkte sowie indirekte literarische Zeugnisse, die nicht nur bei Strabo, sondern auch bei anderen antiken Autoren bis hinunter zu Stephanos Byzantios erhalten geblieben sind. Um dem Leser die Übersicht zu erleichtern, seien die diesbezügliche Beleg­stellen zuerst im vermutbaren Ablauf der Reise des Polybios durch die Cisalpina, zu den östlichen Tauriskern, nach Noreia, ans Timavon und nach Tergeste vorgestellt und erst dann einzeln behandelt. Hinzugefügt sind einige anonyme Berichte, die sich inhaltlich anschließen lassen und eine Reihenfolge ergeben, die ebenfalls dem Reisebericht des Polybios entsprochen haben dürfte. Möglicherweise lassen sich noch weitere Belegstellen finden. Die persönlichen Stellungnahmen beziehungsweise Ein­schübe des Strabo sind unterstrichen und die Nennungen seiner Quellen durch Fettdruck gekennzeichnet.

Strabo 5.1.8 — Erster Teil

Ὀπιτέργιον δὲ καὶ [Κωνκ]ορδία καὶ Ἀτρία καὶ Οὐικετία καὶ ἄλλα τοιαῦτα πολισμάτια ἧττον μὲν ὑπὸ τῶν ἑλῶν ἐνοχλεῖται͵ μικροῖς δ᾽ ἀνάπλοις πρὸς τὴν θάλατταν συνῆπται. τὴν δ᾽ Ἀτρίαν ἐπιφανῆ γενέσθαι πόλιν φασίν͵ ἀφ᾽ ἧς καὶ τοὔνομα τῷ κόλπῷ γενέσθαι τῷ Ἀδρίᾳ μικρὰν μετάθεσιν λαβόν. (ἔξω δ᾽ ἐστὶ τῶν Ἑνετικῶν ὅρων ἡ Ἀκυληία.)[17] Ἀκυληία δ᾽͵ ἥπερ μάλιστα τῷ μυχῷ πλησιάζει͵ κτίσμα μέν ἐστι Ῥωμαίων ἐπιτειχισθὲν τοῖς ὑπερκειμένοις βαρβάροις͵ ἀναπλεῖται δὲ ὁλκάσι κατὰ τὸν Νατίσωνα ποταμὸν ἐπὶ πλείστους ἑξήκοντα σταδίους. ἀνεῖται δ᾽ ἐμπόριον [τοῖς τε Ἑνετοῖς καὶ] τοῖς περὶ τὸν Ἴστρον τῶν Ἰλλυριῶν ἔθνεσι· κομίζουσι δ᾽ οὗτοι μὲν τὰ ἐκ θαλάττης͵ καὶ οἶνον ἐπὶ ξυλίνων πίθων ἁρμαμάξαις ἀναθέντες καὶ ἔλαιον͵ ἐκεῖνοι δ᾽ ἀνδράποδα καὶ βοσκήματα καὶ δέρματα. ξω δ στ τν νετικ ν ρων κυληία. διορίζονται δὲ ποταμῷ ῥέοντι ἀπὸ τῶν Ἀλπείων ὀρῶν͵ ἀνάπλουν ἔχοντι καὶ διακοσίων σταδίων ἐπὶ τοῖς χιλίοις εἰς Νωρηίαν πόλιν͵ περ ν Γναος Κάρβων συμβαλ ν Κίμβροις οδν πραξεν. ἔχει δὲ ὁ τόπος οὗτος χρυσιοπλύσια εὐφυῆ καὶ σιδηρουργεῖα.

Strabo 4.6.12

Ἔτι φησὶ Πολύβιος ἐφ’ ἑαυτοῦ κατ’ κυλη ί αν μάλιστ’ ἐν τοῖς Ταυρίσκοις τοῖς Νωρικοῖς εὑρεθῆναι χρυσεῖον οὕτως εὐφυὲς ὥστ’ ἐπὶ δύο πόδας ἀποσύραντι τὴν ἐπιπολῆς γῆν εὐθὺς ὀρυκτὸν εὑρίσκεσθαι χρυσόν͵ τὸ δ’ ὄρυγμα μὴ πλειόνων ὑπάρχειν ἢ πεντεκαίδεκα ποδῶν͵ εἶναι δὲ τοῦ χρυσοῦ τὸν μὲν αὐτόθεν καθαρὸν κυάμου μέγεθος ἢ θέρμου͵ τοῦ ὀγδόου μέρους μόνον ἀφεψηθέντος͵ τὸν δὲ δεῖσθαι μὲν χωνείας πλείονος σφόδρα δὲ λυσιτελοῦς. συνεργασαμένων δὲ τοῖς βαρβάροις τῶν Ἰταλιωτῶν ἐν διμήνωι͵ παραχρῆμα τὸ χρυσίον εὐωνότερον γενέσθαι τῷ τρίτῷ μέρει καθ’ ὅλην τὴν Ἰταλίαν͵ αἰσθομένους δὲ τοὺς Ταυρίσκους μονοπωλεῖν ἐκβαλόντας τοὺς συνεργαζομένους λλ νν παντα τ χρυσεα π ‛Ρωμαίοις στί. κνταθα δ’͵ σπερ κατ τν βηρίαν͵ φέρουσιν ο ποταμο χρυσο ψγμα πρς τῷ ρυκτῷ͵ ο μέντοι τοσοτον. (Gedankensprung) ὁ δ’ αὐτὸς ἀνὴρ (= Polybios) περὶ τοῦ μεγέθους τῶν Ἄλπεων καὶ τοῦ ὕψους λέγων παραβάλλει τὰ ἐν τοῖς Ἕλλησιν ὄρη τὰ μέγιστα͵ τὸ Ταΰγετον τὸ Λύκαιον Παρνασσὸν Ὄλυμπον Πήλιον Ὄσσαν͵ ἐν δὲ Θράικηι Αἷμον ‘Ροδόπην Δούνακα· καί φησιν ὅτι τούτων μὲν ἕκαστον μικροῦ δεῖν αὐθημερὸν εὐζώνοις ἀναβῆναι δυνατόν͵ αὐθημερὸν δὲ καὶ περιελθεῖν͵ τὰς δ’ Ἄλπεις οὐδ’ ἂν πεμπταῖος ἀναβαίη τίς· τὸ δὲ μῆκός ἐστι δισχιλίων καὶ διακοσίων σταδίων τὸ παρῆκον παρὰ τὰ πεδία. τέτταρας δ’ ὑπερβάσεις ὀνομάζει μόνον· διὰ Λιγύων μὲν τὴν ἔγγιστα τῷ Τυρρηνικῷ πελάγει͵ εἶτα τὴν διὰ Ταυρίνων ἣν Ἀννίβας διῆλθεν͵ εἶτα τὴν διὰ Σαλασσῶν͵ τετάρτην δὲ τὴν διὰ ‘Ραιτῶν͵ ἁπάσας κρημνώδεις. λίμνας δὲ εἶναί φησιν ἐν τοῖς ὄρεσι πλείους μέν͵ τρεῖς δὲ μεγάλας· ὧν ἡ μὲν Βήνακος ἔχει μῆκος πεντακοσίων σταδίων͵ πλάτος δὲ [ἑκατὸν] τριάκοντα͵ ἐκρεῖ δὲ ποταμὸς Μίγκιος· ἡ δ’ ἑξῆς Λάριος τετρακοσίων͵ πλάτος δὲ στενωτέρα τῆς πρότερον͵ ἐξίησι δὲ ποταμὸν τὸν Ἀδούαν· τρίτη δὲ Oὐερβανὸς μῆκος ἐγγὺς τριακοσίων σταδίων͵ πλάτος δὲ τριάκοντα͵ ποταμὸν δὲ ἐξίησι μέγαν Τικῖνον· πάντες δ’ εἰς τὸν Πάδον συρρέουσι. τοσατα κα περ τν ρν χομεν λέγειν τν λπεινν.

Strabo 5.1.8 — Zweiter Teil und Ende des Paragraphen

ἐν αὐτῶι δὲ τῷ μυχῷ τοῦ Ἀδρίου καὶ ἱερὸν τοῦ Διομήδους ἐστὶν ἄξιον μνήμης͵ τὸ Τίμαυον· λιμένα γὰρ ἔχει καὶ ἄλσος ἐκπρεπὲς καὶ πηγὰς ἑπτὰ ποταμίου ὕδατος εὐθὺς εἰς τὴν θάλατταν ἐκπίπτοντος͵ πλατεῖ καὶ βαθεῖ ποταμῷ. Πολύβιος δ᾽ εἴρηκε πλὴν μιᾶς τὰς ἄλλας ἁλμυροῦ ὕδατος͵ καὶ δὴ καὶ τοὺς ἐπιχωρίους πηγὴν καὶ μητέρα τῆς θαλάττης ὀνομάζειν τὸν τόπον. Ποσειδώνιος δέ φησι ποταμὸν τὸν Τίμαυον ἐκ τῶν ὀρῶν φερόμενον καταπίπτειν εἰς βέρεθρον͵ εἶθ᾽ ὑπὸ γῆς ἐνεχθέντα περὶ ἑκατὸν καὶ τριάκοντα σταδίους ἐπὶ τῇ θαλάττῃ τὴν ἐκβολὴν ποιεῖσθαι.

Strabo 5.1.9 — Beginn des Paragraphen und inhaltlicher Anschluss an 5.1.8

μετὰ δὲ τὸ Τίμαυον ἡ τῶν Ἰστρίων ἐστὶ παραλία μέχρι Πόλας͵ ἣ πρόσκειται τῇ Ἰταλίᾳ. μεταξὺ δὲ φρούριον Τεργέστε Ἀκυληίας διέχον ἑκατὸν καὶ ὀγδοήκοντα σταδίους· ἡ δὲ Πόλα ... Kurzexkurs: Gründungssage von Pola, Berufung auf Kalli­machos (wohl die verschollenen Aitia) ... τὰ μὲν δὴ πέραν τοῦ Πάδου χωρία οἵ τε Ἑνετοὶ νέμονται καὶ οἱ [Ἴστριοι] μέχρι Πόλας. ὑπὲρ δὲ τῶν Ἑνετῶν Κάρνοι καὶ Κενόμανοι καὶ ... Rückkehr zum Hauptstrang der Erzählung: Koalitionen oberitalischer Keltenstämme während Hannibals Alpenübergang (nach Polybios?)

Strab. 4.6.10

φησὶ δὲ Πολύβιος καὶ ἰδιόμορφόν τι γεννᾶσθαι ζῶιον ἐν αὐταῖς ἐλαφοειδὲς τὸ σχῆμα πλὴν αὐχένος καὶ τριχώματος͵ ταῦτα δ’ ἐοικέναι κάπρῳ͵ ὑπὸ δὲ τῷ γενείῳ πυρῆνα ἴσχειν ὅσον σπιθαμιαῖον ἀκρόκομον͵ πωλικῆς κέρκου τὸ πάχος.

Verg. Georg. 3.474–477

tum sciat, aërias Alpis et Norica si quis / castella in tumulis et Iapydis arva Timavi.

Schol. ad Verg. Georg. 3.474 = Sempron. Asellio, lib. 5 frg. 9

Norica castella dixit (sc. Vergilius) ab urbe Noreia, quae est in Gallia, ut Asellio historiarum non ignarus docet.

Ptol. 3.1.1

Ἡ Ἰταλία περιορίζεται ... καὶ τῷ Καρουσαδίῳ ὄρει ...

Steph. Byz. s.v. Magistrike

Μαγιστρική, χώρα τῶν Ταυρίσκων πρὸς τὰ Ἄλπεια ὄρη. oἱ οἰκήτορες Μαγίστρικες, οἳ τοῖς Γερμανοῖς ὁμοροῦσιν.

Vibius Sequester, De fluminibus, fontibus ... etc.

Timavus — Aquileiae — Galliae

Da ich im weiteren Verlauf dieser Studie immer wieder auf die für Polybios charakteristischen Interessen und Arbeitsprinzipien verweisen muss, halte ich es für nötig, mit einer knappen und auf mein Thema abgestimmten Charakteristik dieses Mannes zu beginnen. Davor ist noch eine allgemeine Bemerkung nötig: Als dieser Text verfasst wurde, gingen die Manuskripte zum Passheiligtum auf dem Hochtor und zur Glocknerroute, die von einer stattlichen Zahl von Fachkollegen ausgearbeitet wurden, in Druck.[18] Für Einzelfragen kann ich daher auf die für 2012 vorgesehene Publikation verweisen.

Polybios als Emissär des Scipio Aemilianus bei den norischen Tauriskern
(Karte 1)



Zusammen mit Herodot und Thukydides bildet Polybios das Dreigestirn der bedeutendsten Historiker Griechenlands. Er muss vor 200 v. Chr. in Megalopolis geboren worden sein, war im Jahre 170/69 v. Chr. Hipparch des Achäischen Bundes, also Oberkommandierender der Reitertruppen, [19] und ist nach der makedonischen Nieder­lage von Pydna durch L. Aemilius Paullus (168 v. Chr.) als eine der eintausend griechischen Geiseln nach Rom gebracht worden. Dort ist er schon bald in Kontakt mit P. Cornelius Scipio Aemilianus (ca.185–129 v. Chr.), dem leiblichen Sohn des L. Aemilius Paullus und Adoptivenkel des Hannibalbezwingers P. Cornelius Scipio, gekommen. Sein Leben lang blieb er mit ihm in enger Freundschaft verbunden und gelangte über ihn in die führenden Kreise Roms.[20] An Scipios Seite machte Polybios auch militärische Unternehmungen mit, so z.B. den Krieg in Spanien oder den afrikanischen Feldzug, und sicher war es die Unterstützung Scipios, die ihm seine Reisen in Afrika, Spanien und Gallien ermöglichte.[21] Von den vierzig Büchern seiner Historiai sind nur Teile vorhanden, und man bedauert, dass vom 34. Buch, einer chorographia, das heißt einer Beschreibung der Kontinente, nur bekannt ist, was vor allem durch Strabo erhalten blieb.

Einem modernen Gelehrten gleich reflektiert Polybios die eigene Arbeitsweise, setzt sich mit jener seiner Vorgänger auseinander, und hier wird er für unser Thema ganz besonders wichtig:[22] Denn in Erfüllung seines Konzepts einer πραγματικὴ ἱστορία, das heißt einer realitätsorientierten, praxisbezogenen Geschichtsauffassung,[23] scheute er keine Anstrengung, um die Orte des Geschehens aufzusuchen und Informationen aus erster Hand zu erhalten.[24] Die sich daraus ergebende Kenntnis der Topographie ist für ihn die wichtigste Voraussetzung zum militärischen Erfolg eines Heerführers. [25] Heftig kritisiert er Bücherwürmer wie z.B. Timaios von Tauromenion (ca. 350 – nach 260 v. Chr.) oder Ephoros von Kyme (ca. 400 – ca. 330 v. Chr.), die nie ihre Gelehrtenstuben verlassen oder gar Mühen und Gefahren auf sich genommen hätten.[26] Großen Wert legt Polybios auf die Befragung von Zeitzeugen,[27] doch äußert er sich kritisch, ja ablehnend über Informationen, die von Händlern stammen. [28] Daher ist nicht anzunehmen, dass er sich z.B. für die Detailinformationen über die gleich zu besprechenden Goldfunde bei den Tauriskern auf die Berichte von merkatores transalpini[29] verlassen haben könnte. Da unbekannte, in weit entfernten Gebieten liegende Orte keinen Bezug zu historischen Ereignissen herstellen, müsse ein guter Historiker Orientierungshilfen geben — ein Grundsatz, den wir im Folgenden mehrmals erfüllt sehen werden. [30]

Es ist durchaus möglich, dass der junge Scipio auf die griechische Geisel Polybios aufmerksam geworden war, weil letzterer eine Schrift über Kriegstaktik verfasst hatte, die von der Forschung noch in dessen Zeit als Hipparch des Achäischen Bundes datiert wird. Für das gemeinsame Interesse an militärischen Themen sei ein Bericht angeführt, den Strabo von Polybios übernommen hat:[31] Scipio befragte die Massalioten über Britannien, weil diese seiner Meinung nach einiges über die Zinninsel wissen müssten. Hatte doch ihr Mitbürger Pytheas um 325 v. Chr. eine Erkundungsreise bis nach Thule unternommen und einen Bericht darüber verfasst. Dass weder die Massalioten noch die von Scipio ebenfalls befragten Einwohner von Narbo und Corbilo (an der Mündung der Loire in den Atlantik!) irgendetwas von Belang über Britannien zu berichten hatten, war für Polybios die Bestätigung dafür, dass Pytheas von Massilia ein Lügner sei.[32] Die Geschichte ist wichtig, weil sie das Vorurteil des Polybios gegen den Zivilisten und Kauffahrer Pytheas bestätigt (siehe Anm. 28), vor allem aber, weil sie ein Interesse der Militärs an Informationen zu weit entfernten und an Boden­schätzen reichen Gebieten sichtbar macht, das auch hinter der Reise des Polybios zu den Tauriskern stehen dürfte.

Damit bin ich bei der Frage angelangt, wie Polybios gereist ist. Leider geben seine eigenen Schriften darüber keine Auskunft, doch hat sich glücklicherweise in der Naturgeschichte des älteren Plinius ein Testimonium erhalten, das in dieser Hinsicht aufschlussreich ist: [33]

Polybios, „Begründer“ der römischen Geschichtsschreibung, habe von Scipio Aemilianus eine Begleittruppe — classis — erhalten, um Nordafrika zu erkunden. Da es sich wegen des Bezugs auf Berge und Schluchten und wegen der Angabe von terrestrischen (und eindeutig nicht nautischen) Entfernungen um ein Unternehmen handelt, das auf dem Festland durchgeführt wurde, istclassis im ursprünglichen Wortsinn als Abteilung, am ehesten wohl als berittene Eskorte, zu verstehen. [34] Wie Polybios selbst sagt, war er im Jahre 170/69 Hipparch des Achäischen Bundes. Daher muss er ein tüchtiger Reiter gewesen sein, was seiner Jagdleidenschaft zugute kam,[35] die er mit Scipio teilte und die auch in dieser Studie noch zu Worte kommen wird (siehe unten).[36] Mit 82 Jahren soll er vom Pferd gestürzt und ums Leben gekommen sein.[37]

Aus alledem ist anzunehmen, dass Polybios auch durch die Cisalpina und zu den Tauriskern mit einer berittenen Eskorte des Scipio Aemilianus gelangt ist. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der er sich fortbewegte, lässt erwarten, dass er vom jüngeren Scipio nicht nur geschützt, sondern auch finanziert wurde. Wenn man das bedenkt, wirkt die von Strabo überlieferte Kritik, die Polybios an Pytheas von Massilia übt, wie ein Spiegelbild seiner eigenen Situation:[38] Es sei kaum glaubhaft, dass ein Einzelner bis nach Thule reisen könne, noch dazu, wenn er ein armer Kerl sei. So kann nur jemand argumentieren, der sich seiner Berufung, die Welt zu erkunden, völlig hingeben darf, der keine Rücksicht auf Fragen der Finanzierbarkeit sowie der persönlichen Sicherheit nehmen muss und der in seiner Eskorte über jede Art von Hilfskraft verfügte, vom Leibburschen bis zum Dolmetscher. Unter diesem Aspekt relativiert sich das Lob des Polybios, dass dank der Herrschaft der Römer das Reisen problemlos geworden sei. [39]

Auch wenn Polybios der Darstellungsweise der Periplousliteratur folgte und seine Beschreibung von West nach Ost verfasste, so hat er deren lineare Aufreihung hinter sich gelassen, als er nun Rom als den Mittelpunkt der Oikumene ansah.[40] Diese Sicht ist nach Katherine Clarke von Strabo dahingehend verfeinert worden, dass nach Strabo die bewohnte Welt um Rom und um das Mittelmeer herum in Schichten angeordnet ist, deren barbarischer Charakter nach aussen zunimmt,[41] eine Wahrnehmung, die sich auch im Zuge der folgenden Ausführungen bestätigen wird. Die Beschreibung Europas von West nach Ost, die Strabo übernimmt, hatte für Polybios auch rein praktische Gründe. Denn zum Zeitpunkt, als er Hispanien, die Narbonensis, die Alpen und die Cisalpina bereiste, hatte Scipio sein militärisches Kommando in der Hispania inne.[42] Das waren die Jahre 151/50 v. Chr. und die allerletzte Gelegenheit, um an den Stätten von Hannibals Alpenübergang noch Zeitzeugen vorzufinden.[43] Danach ist Polybios in die westliche Cisalpina hinunter gestiegen, die ihn so beeindruckt hat, dass er ihr eine relativ emotional gehaltene Beschreibung widmete. [44] Dass er bis in die östliche Cisalpina gelangt sein muss, ist aus dem von der Polybiosforschung über­sehenen Strabozitat zum Timavon zu erschließen.[45] Betrachtet man die von Strabo für Polybios überlieferten Zeugnisse in ihrer Gesamtheit, dann hat man den Eindruck, dass Polybios nur ein einziges Mal die Cisalpina bereist hat.

Aber bedeutet das alles, dass Polybios persönlich am Timavon gewesen ist? Kann er die bei Strabo unter seinem Namen laufenden Angaben nicht selbst schon von einem anderen Autor bezogen haben? Sucht man nach etwaigen Vorgängern, dann scheiden die von Polybios als Stubenhocker abgewerteten Autoren aus, und übrig bleiben praktisch nur der Pseudo-Skylax, Philistos von Syrakus und Hekataios.
Pseudo-Skylax ist eine unter dem Namen des Skylax von Karyanda laufende Küstenbeschreibung des Mittelmeeres aus dem späteren 4. Jh. v. Chr., die auch die oberste Adria erfasst und zu Ancona und Spina sogar Informationen bietet, die über den reinen Streckenverlauf hinausgehen.[46] Die von Hekataios von Milet gegen 500 v. Chr. verfasste Perihegesis (beziehungsweise Perihodos Ges), die auch eine Chorographia mit ethnischen und geographischen Exkursen enthielt, aber vorwiegend eine Küstenbeschreibung war, wurde zum Vorbild für alle späteren Geographen, so auch für Polybios und Strabo. Beide Werke sind nur in spärlichsten Zitaten erhalten, und diese lassen erkennen, dass ihre äußerst knappen Beschreibungen vom Meer her konzipiert waren. In Frage käme vor allem aber Philistos von Syrakus (gest. 365 v. Chr.), weil dieser vom Syrakusaner Tyrannen Dionysios I. mit dem Aufbau eines Kolonialgebietes in der Adria beauftragt worden war,[47] und wegen seiner sizilischen Geschichte als bedeutender Historiker eingestuft wird.[48] Aber da sich die spärlichen Fragmente seines Werkes auf Sizilien konzentrieren, ist es fraglich, ob er seine Aktivitäten in der Adria überhaupt in die Geschichte Siziliens einbezogen hat. Es sieht also nicht so aus, als hätte Polybios über älteres Material verfügt, was nicht einmal im positiven Fall etwas zu bedeuten hätte, weil wegen seines Strebens nach Autopsie anzunehmen ist, dass er das berühmte Timavon selbst in Augenschein nehmen wollte. Daher gehe ich davon aus, dass er wirklich am Timavon gewesen ist.

Was mochte Polybios veranlasst haben, das Timavon zu besuchen? Dass ihn seine geographischen und naturkundlichen Interessen zur Durchquerung der gesamten Cisalpina bewogen haben könnten, ist kaum anzunehmen. Das einzige Motiv, das sich für die Mitte des 2. Jh. v. Chr. erkennen lässt, ist die Konfrontation der Römer mit den östlichen Tauriskern. Diese hatten zwischen 186 und 179 v. Chr. die römische Einflusssphäre verletzt, die Gründung des militärischen Aussenpostens Aquileia verursacht und den Besuch dreier höchstrangiger Gesandtschaften der Römer in ihrem Stammeszentrum provoziert.[49] Als bei ihnen „zur Zeit des Polybios“ eine reiche Goldlagerstätte entdeckt wurde [50] und zur militärischen Macht die wirtschaftliche hinzutrat, schrillten in Rom erneut die Alarmglocken. Daher meine ich, dass der Besuch des Polybios beim Timavon als Nebenergebnis einer Reise zu betrachten ist, die den norischen Tauriskern und ihrem unerwarteten Reichtum gegolten hat. Der Auftrag dazu ist wohl von dem politisch und militärisch ehrgeizigen Scipio Aemilianus selbst gekommen, der angesichts einer doppelten Krise des militärischen Sektors an der Erschließung neuer Geldquellen interessiert gewesen sein musste: Die erste Krise betraf den gleich zu erwähnenden Absturz des Goldpreises um ein Drittel, den die Entdeckung der tauriskischen Goldmine auf dem italischen Markt hervorrief und der den Römern die Finanzierung ihrer Kriegszüge um ein Drittel verteuerte, und die zweite Krise betraf die Aushebung von Soldaten, die seit dem dritten Makedonischen Krieg immer schwieriger wurde.[51]

Im Folgenden soll daher versucht werden, den von Strabo überlieferten Textresten des Polybios neue Aspekte zur Cisalpina, zu den Ostalpen, zu den Tauriskern mit ihrem Gold und zu Noreia abzugewinnen, beziehungsweise in den antiken Quellen weitere Informationen aufzuspüren, die auf die Reise des Polybios durch die Cisalpina zurückgehen.

Polybios über das Gold der norischen Taurisker

In einer oft behandelten Strabostelle, über die sich Polybios unmittelbar zu Wort meldet, berichtet er vom Gold, das „zu seiner Zeit“ bei den Tauriskern, den norischen, gefunden worden sei.[52] Diesem „Goldrausch“ des 2. Jh. v. Chr. habe ich zusammen mit dem Geologen Wolfgang Vetters eine ausführliche Untersuchung gewidmet, deren Ergebnisse in geraffter Form wiedergegeben seien. [53] Wir lernen hier das Interesse des Polybios an naturwissenschaftlich-technischen Themen kennen:

a) Man brauchte nur eine rund 5 m tiefe Grube zu graben, um an das Gold heranzukommen.

b) Das gewonnene Gold sei so rein, dass man nur ein Achtel seines Volumens wegschmelzen müsse.

c) Man könne auch die ausgeschmolzenen Bestandteile des Goldes mit Gewinn verkaufen.

d) Es sei soviel Gold gewonnen worden, dass in ganz Italien (!) der Goldpreis um ein Drittel fiel.

e) Auf den Preissturz des Goldes hin verjagten die Taurisker ihre italischen Partner.

Trotz der Verkürzung durch Strabo ist die Schilderung, wie das Rohgold gewonnen wurde, wie man es verarbeitet hat und wie es verkauft worden ist, ausgesprochen detailreich und vor allem in den Punkten b) und c) so spezifisch, dass die Informationen nur vor Ort erhoben worden sein können: Wo anders kann man denn den Reinheitsfaktor des gewonnenen Goldes kennenlernen, wenn nicht unmittelbar in der Werkstätte, in der das Gold von seinen Verunreinigungen getrennt worden ist (= Goldscheiderei), und wo anders ist die Information zu erhalten, dass auch die ausgeschmolzenen Bestandteile gewinnbringend verkauft werden können, wenn nicht bei deren Verkäufern? Beides macht klar, dass diese Taurisker nicht nur über florierende Goldscheidereien verfügten, sondern sogar über eingespielte Handelswege, auf denen auch die Abfallprodukte an den Mann gebracht wurden.

Bei zwei weiteren Berichten über die Gewinnung von Gold beruft sich Strabo auf Polybios: Beim Gold aus den Flüssen Hispaniens [54] und beim Gold der (westlichen) Taurisker[55] — daneben könnten auch Strabos Bericht zum Gold der Raeter bei Vercellae (siehe unten) und vielleicht auch der Tarbeller in der Narbonitis [56] von Polybios stammen. Für unseren Zusammenhang wird vor allem wichtig, was Polybios über das Gold der Taurisker berichtet. Da er von den Westalpen her anreiste, hat er zuerst die westlichen Taurisker aufgesucht und danach die östlichen. Um die beiden tauriskischen „Gruppen“ (hier vermeide ich bewusst den Begriff „Stämme“) auseinander zu halten, bezeichnet er in 4.6.12 die östlichen als die „Taurisker, die norischen“. Was für Polybios nur ein geographisches Unterscheidungsmerkmal gewesen sein dürfte, wird für die Forschung von unschätzbarem Wert, weil der Zusatz „die norischen“ eine historische Entwicklung reflektiert, die in der Hochtorpublikation ausführlich behandelt ist.[57]

Damit bin ich in meiner Argumentation um zwei wesentliche Schritte weiter gekommen: Es ist, erstens, deutlich geworden, dass sich schon Polybios für den Themenkreis „Gewinnung, Reinigung und Vertrieb von Gold“ interessierte, und zweitens, dass auch Strabo die Mitteilungen zum Gold und zum Timavon so angeordnet hat, wie Polybios nach meiner Vermutung gereist ist — von West nach Ost. Letzteres wird vor allem bei der Behandlung jener Orte der Cisalpina wirksam werden, bei denen Strabo einen zu seiner Zeit längst überholten Zustand schildert, ohne sich auf Polybios zu berufen.

Beim Gold des Ostalpenraumes möchte ich noch verweilen, weil Strabo freundlicherweise noch eine zweite Mitteilung dazu bereit hält, deren Quelle er jedoch nicht angibt: Es ist der erste Teil des im Zusammenhang mit dem Timavon besprochenen Paragraphen 5.1.8, dessen Text so konfus ist, dass bisher alle Erklärungsversuche scheiterten.[58] Will man der rätselhaften Stelle näher kommen, so muss man das gesamte Kapitel Strab. 5.1 ansehen. Dieses erzählt vom cisalpinen Keltenland und enthält wichtige Informationen, die verloren gehen, wenn nur die auf Noreia bezügliche Passage herausgepickt wird. Unter anderem teilt Strabo mit, dass die Kelten nördlich und südlich der Alpen zum gleichen Stamm gehören [59] und dass das transalpine und das spanische Gold preisgünstiger gewonnen werden konnten, als jenes, das einst in Vercellae abgebaut worden ist, weshalb man die dortige Förderung eingestellt hatte.[60] Dass Strabo Vercellae als Dorf bezeichnet und dieses in Beziehung zu Placentia setzt, aber kein Wort verliert über den epochalen Sieg der Römer über die Teutonen, geht ganz offensichtlich auf die Verwendung einer älteren Textvorlage zurück und steht in krassem Gegensatz zu der im Zusammenhang mit Noreia erwähnten Schlappe, die dort dem Cn. Papirius Carbo von den Kimbern zugefügt wurde. Zusätzlich fällt an diesem Kapitel auf, wie intensiv Strabo die „nachweisbar“ griechischen Wurzeln der Städte in der Cisalpina ins Bild rückt.

In 5.1.8 geht es dann um erwähnenswerte Stätten an der oberen Adria, um ihre Erreichbarkeit vom Meer her und um Produkte beziehungsweise Merkwürdigkeiten, durch die sie sich auszeichnen. Als sich Strabo Aquileia zuwendet, beginnt eine Reihe von Ungereimtheiten, die von der Forschung immer wieder wahrgenommen, aber nie aufgelöst worden sind: Das von ihm beschriebene Aquileia ist sichtlich nicht die Großstadt der augusteischen Zeit, wo Augustus und Livia Grundstücke besaßen und sich auch aufhielten,[61] sondern die wehrhafte Siedlung, die 181 v. Chr. gegen ein­fallende Barbaren gegründet worden war.[62] Dazu kommt, dass Aquileia im Satz danach nochmals so eingeführt wird, als sei es noch gar nicht erwähnt worden. Ferner ist merkwürdig, dass der auf die zweite Erwähnung von Aquileia folgende Satz mit διορίζονται (= sie werden getrennt) beginnt, einem Plural also, bei dem nicht erkennbar ist, worauf er sich bezieht, denn das vorausgegangene Aquileia kann es nicht sein, weil es ja im Singular steht. Unerwartet kommt dann das Stichwort „Fluss, aus den Alpen herabfließend“, auf dem man bergwärts fahrend die Noreia polis erreicht. Die Entfernungsangabe dorthin mit 200+1000 Stadien gehört zu dem mit πρός/ἐπί + Dativ gebildeten Zahlenformular, das Strabo mitunter verwendet, und wäre an sich nicht weiter auffallend.[63] Da hier aber sichtlich einige Worte des Originaltextes fehlen, besticht der Vorschlag von Géza Alföldy, dass tatsächlich zwei Wegstrecken gemeint sein könnten und dass die Phrase etwa folgendermaßen gelautet haben mag:[64] „ ... auf dem Fluss 200 Stadien bergauf und dann 1000 Stadien über einen Alpenpass bis in die Norische Stadt ...“.

Ist die Entfernungsfrage geklärt, steht man gleich vor der nächsten Irritation: Warum sollte ein Römer der augusteischen Zeit die Mühen einer Reise in die Zentralalpen auf sich nehmen, um mit Noreia einen Ort zu besuchen, in dessen Umgebung mehr als einhundert Jahre zuvor ein römisches Heer unter der Führung eines amtierenden Konsuls eine Niederlage gegen die Kimbern erlitten hat? Mehr noch: Dieses Noreia existierte zu Strabos Zeit nicht mehr, obwohl sein Text einen zeitgenössischen beziehungsweise aktuellen Bericht suggeriert. Wie schon zuvor bei Aquileia befinden wir uns also auch bei Noreia nicht in der augusteischen Zeit, sondern im 2. Jh. v. Chr. Dann fällt aber erst recht auf, dass Strabo zwar von Goldscheidereien redet und — warum auch immer — sogar noch Eisenverarbeitung erwähnt, aber kein Wort über Taurisker, Noriker und die spektakuläre Vertreibung der Italiker von der tauriskischen Goldmine verliert.

Die Ungereimtheiten lösen sich auf, wenn man annimmt, dass Strabo auch hier Polybios zitiert, und zwar dessen Bericht über seine Anreise nach Noreia, der — geographisch und zeitlich korrekt — eigentlich vor dem Bericht über die Goldfunde stehen müsste. Da Cn. Papirius Carbo seine Niederlage gegen die Kimbern erst rund vierzig Jahre nach den Goldfunden erlitt, kann der Verweis auf ihn nur eine Zutat des Strabo sein. Wenn man annimmt, dass die nochmalige Erwähnung von Aquileia ebenfalls eine Zutat des Strabo ist, dann lässt sich der Plural von διορίζονται grammatikalisch und geographisch korrekt auf die davor genannten Veneter und die zum Ister hin liegenden illyrischen Völkerschaften beziehen, die durch einen von den Alpen kommenden Fluss voneinander getrennt werden.[65] Damit ist auch die unverständliche Beziehung dieses Flusses zu Aquileia beseitigt, und man kann ihn ohne Probleme als den Tagliamento identifizieren. [66] Wenn man den Satz ἔξω δ᾽ ἐστὶ τῶν Ἑνετικῶν ὅρων ἡ Ἀκυληία im selben Paragraphen weiter hinauf schiebt, wie ich es weiter oben versuchsweise gemacht habe, dann bewirkt er dort einen sinnvollen Übergang zwischen den venetischen Städtchen Opitergium, Concordia, Atria und Vicetia und dem im Niemandsland liegenden Aquileia. Und noch etwas anderes wird sichtbar: Die Anreise in die Noreia polis erfolgte nicht von Aquileia, sondern schon von Concordia, das für einen aus Westen Kommenden unmittelbar vor dem Tagliamento liegt und der östlichste Ort des venetischen Gebietes ist.

Damit kehren wir zurück zu 4.6.12. Wichtig ist, dass sich der Paragraph davor, also 4.6.11, mit einer ganz anderen Gegend beschäftigt und dass 4.6.12 übergangslos mit Ἔτι φησὶ Πολύβιος ἐφ’ ἑαυτοῦ κατ’ Ἀκυληίαν ... „Außerdem sagt Polybios, dass zu seiner Zeit in Bezug auf Aquileia ...“ beginnt. Danach springt die Erzählung abrupt zu den norischen Tauriskern, behandelt die schicksalhaften Goldfunde in deren Gebiet, ohne die Norische Stadt zu erwähnen, und endet mit dem spanischen Gold. Es wird erkennbar, dass Strabo 5.1.8 (1. Teil) und 4.6.12 zusammengehören und jene Textfragmente des Polybios darstellen, aus denen Strabo seinen eigenen Text kompiliert hat. Die σιδηρουργεῖα von Noreia in 5.1.8 (1. Teil) sind das Stichwort, das zu den tauriskischen Goldfunden überleitet. Sie bezeichnen also die Stelle, an der Strabo die Textvorlage des Polybios auseinander geschnitten hat (siehe oben), während das Ἔτι (= außerdem), das 4.6.12 einleitet und bisher in der Luft hing, nun den Anschluss an einen Inhalt herstellt, der mit der Zusammenfügung der Texte wiederentsteht.

Es folgt in 4.6.12 nach dem Bericht über das Gold der Taurisker ein Exkurs über Gipfel, Pässe und Seen der Alpen, und beim Stichwort „Alle Flüsse münden in den Po“ kehrt Strabo in die Cisalpina zurück, um im zweiten Teil von 5.1.8 mit dem Besuch des Polybios am Timavon den Faden seiner Erzählung wieder aufzunehmen. Zwischen die einzelnen Testimonia hat Strabo Informationen aus späterer Zeit (z.B. die Meinung des Poseidonios, dass das Timavon ein Karstphänomen sei)[67] und persönliche Kommentare (z.B. dass jetzt alles Gold den Römern gehöre) eingefügt, die in der Zusammenstellung der Testimonia weiter oben unterstrichen sind. Besonders deutlich wird diese Art von Textkompilation, wenn Strabo auf die Niederlage des Carbo bei Noreia zu sprechen kommt: Bei der Beschreibung Germaniens erwähnt Strabo auch die Kimbern und holt sich von Poseidonios die bekannte Geschichte von deren Wanderung durch halb Europa — wie sie von den Boiern abgewehrt, zu den Skordiskern vordrangen und auch von diesen abgewehrt, kehrt machten und zu den Helvetiern gingen.[68] Zwischen den Skordiskern und den Helvetiern würde man die Niederlage des Carbo bei Noreia erwarten. Dort aber fehlt sie, weil sie von Strabo im Zusammenhang mit den Goldfunden bei den norischen Tauriskern erwähnt wird, um seinen Lesern eine geographische Vorstellung vom Ort der Goldverarbeitung zu bieten. Das bedeutet, dass Strabos Nachricht von der Niederlage des Carbo bei Noreia aus dem Text des Poseidonios stammt, dessen Autorschaft bei der Zerstückelung des Textes verloren gegangen oder weggelassen worden ist.

Polybios über Höhe und Ausdehnung der Alpen

Seit sich in 4.6.12 die Phrase „aber heutzutage gehört alles Gold den Römern ...“ als Einschub des Strabo entpuppt hat, verläuft der Übergang vom Gold der Taurisker zu dem, was Polybios über die Alpen zu berichten weiß, glatter, und der ganze Abschnitt gewinnt an geographischer Geschlossenheit. Die Alpen, so wird Polybios zitiert, seien entlang der Ebene 2200 Stadien (407 km) lang und nicht einmal in fünf Tagen zu ersteigen. Die Stelle ist in mehrfacher Hinsicht unklar, denn man erkennt nicht, wie 1. τὸ παρῆκον παρὰ τὰ πεδία zu verstehen ist, worauf sich 2. die Entfernungsangabe bezieht, die für die Länge des Alpenbogens bei weitem zu kurz ist, und vor allem, was 3. damit gemeint ist, dass man nicht einmal in fünf Tagen die Alpen ersteigen könne, ἀναβῆναι. Um die Unklarheit noch zu erhöhen, verwendet Strabo im Satz davor das Verb ἀναβῆναι für das Ersteigen der höchsten Berge Griechenlands.

Beginnen wir mit dem Ersteigen der höchsten Berge Griechenlands und heben wir zwei besonders absurde Beispiele heraus, den Taigetos und den Olymp. Nach Strabo gehören sie zu jenen griechischen Bergen, die man mit guter Ausrüstung in einem Tage ersteigen könne (αὐθημερὸν εὐζώνοις ἀναβῆναι δυνατόν). Auch wenn man die für den modernen Alpintourismus geschaffenen Erleichterungen — ausgebaute und markierte Steige, perfekt entwickelte Bergsteigerausrüstung mit maximalem Witterungsschutz und geringstem Gewicht etc. — ausklammert, wäre dies tatsächlich in einem Tage möglich gewesen. Dass aber Taigetos oder Olymp an einem einzigen Tage zu umrunden seien, αὐθημερὸν δὲ καὶ περιελθεῖν, ist nicht einmal von den Dimensionen her richtig und von der Durchführbarkeit her gesehen absurd. Im Zusammenhang mit den Alpen (Plural!) macht daher die Angabe τὰς δ’ Ἄλπεις οὐδ’ ἂν πεμπταῖος ἀναβαίη τίς, „nicht einmal in fünf Tagen steigt da einer hinauf“, keinen Sinn. Die Hauptfrage, wozu ein antiker Mensch diese weit oberhalb der Weidegebiete liegenden Berggipfel überhaupt in einem einzigen Tage erstürmen, geschweige denn, zu welchem Zweck er die Bergmassive an einem einzigen Tag umrunden sollte, bleibt überhaupt unbeantwortet. Wenn man die Strabostelle unbefangen liest, gewinnt man den Eindruck, die Alpen wären wie Taigetos oder Olymp ein Berg (Singular!), aber um so vieles höher, dass man ihre Besteigung nicht einmal in fünf Tagen schafft. Dass Strabo da ein Bild schief an die Wand gehängt hat, ist offensichtlich, aber durch die Rekonstruktion des polybischen Reiseberichts lässt es sich gerade richten.

Als erstes muss man bedenken, dass Polybios seine Reise in die Ostalpen von Concordia (siehe unten) angetreten hat und von der norditalischen Ebene eine beträchtliche Strecke durchqueren musste, bis er an den Südfuß der Alpen gelangte. Unter der Annahme, er habe in Noreia in Erfahrung gebracht, dass man noch einige/etliche Tage benötige, bis man die Alpen ganz durchquert und nördlich davon wiederum die Ebene erreicht haben würde, dann würde diese eigenartige Stelle einen realen Hintergrund gewinnen, und ihre sprachlichen Schwierigkeiten würden sich weitgehend auflösen: Man denke an Xenophon, der nach dem Jahr 401 v. Chr. die griechischen Soldaten aus dem Zweistromland zurückführte und den ganzen Bericht „Anabasis = Marsch ins Landesinnere“ nannte, und man denke an Aquileia, von dem Polybios sagt, dass es gegen die „oberhalb“ wohnenden Barbaren (ὑπερκειμένοι βάρβαροι) errichtet worden sei (siehe oben). Daher meinte Polybios mit ἀναβαίη τις eine Anabasis im xenophontischen Sinne, also eine Reise hinauf in die Alpen und unter μῆκος hat er die Länge der zu bewältigenden Wegstrecke verstanden. Entscheidend ist aber, dass in der Phrase nicht eine Ebene genannt ist, sondern deren Mehrzahl, und dass τὸ παρῆκον die kürzeste Verbindung zwischen diesen Ebenen παρὰ τὰ πεδία ist. Es geht also um die geradeste, das heißt kürzeste, Linie über die Alpen, von Ebene zu Ebene, von der Cisalpina ins nördliche Alpenvorland. Sogar semantisch passt hier der Vergleich mit Xenophon, dessen Soldaten am Ende ihrer mühevollen Rückreise endlich das Meer erreichen. Damit wird klar, dass im Gebrauch des Verbs ἀναβῆναι bei Xenophon wie bei Polybios/Strabo auch ein Abstieg enthalten ist.

Eine Route, die auf kürzestem Wege auf die Alpen hinauf und jenseits davon wieder hinunter — von der Ebene im Süden zur Ebene im Norden — führte, das war damals nur die Glocknerroute (Karte 1). Präziser könnte deren Kurzcharakteristik gar nicht ausfallen. Korrigiert man die leichte Missdeutung durch Strabo, dann dürfte die Originalaussage des Polybios etwa folgendermaßen gelautet haben: „ ... auf (= durch) die Alpen jedoch kommt einer (τίς) nicht einmal in fünf Tagen hinauf: Denn die Entfernung ist 2200 Stadien, in gerader Linie in Bezug auf die Ebenen (südlich und nördlich davon).“

Ganz logisch schließt der nächste Gedankengang an, nämlich die Aufzählung der Übergänge über die Alpen in 4.6.9, für die sich Strabo ebenfalls auf Polybios als Gewährsmann beruft. Dass Polybios nur im Westen liegende Pässe nennt, passt bestens zur Geländestruktur der Alpen, da die Ostalpen wesentlich breiter sind als die Westalpen und keinen einzigen Übergang besitzen, der so schnell und direkt hinüber führt wie die Westalpenpässe. Das entspricht nicht nur der Realität, sondern so steht es auch bei Strabo, aber leider wiederum an anderer Stelle und diesmal ohne Angabe des Autors. [69] Wenn die Routenplaner des Internet für die Strecke Concordia Sagitaria über Iulium Carnicum, das Hochtor, Zell am See und Lofer nach Salzburg nur 338 Kilometer veranschlagen, so liegt dieser Wert um 69 km unter den 2200 Stadien = 407 km des Polybios. Man muss aber bedenken, dass ja nicht bekannt ist, von wo aus welches Ziel mit den 2200 Stadien erreicht werden sollte, und dass Noreia, wo Polybios das Wegmaß erhoben haben dürfte, nicht unmittelbar an der Glocknerroute, sondern abseits davon gelegen sein wird.

In diesem Zusammenhang wäre es nicht außergewöhnlich, dass Polybios auch die Distanzen und Höhen erwähnt hätte, die bei einer Überschreitung der Ostalpen zu bewältigen waren. Dass dem Strabo Detailinformationen des Polybios über Ausdehnung und Höhen der Alpen vorlagen, sagt er selbst: ὁ δ’ αὐτὸς ἀνὴρ περὶ τοῦ μεγέθους τῶν Ἄλπεων καὶ τοῦ ὕψους λέγων. Umso mehr bedauert man, dass er sie weggelassen hat.

Polybios und das rätselhafte Alpentier

Oben wurde erwähnt, dass die zweiteilige Entfernungsangabe von 200+1000 Stadien bis nach Noreia erst dann ihren vollen Sinn erhält, wenn man sie mit Géza Alföldy zuerst auf die Flussfahrt und dann auf den Übergang über einen Pass bezieht. Es scheint also bei Strabo das Faktum der Passüberschreitung ausgefallen zu sein. Dass eine Textstelle beim Abschreiben verloren geht, kommt immer wieder vor und wäre auch hier denkbar. Wahrscheinlicher ist aber, dass mehr dahinter steckt, und das ist der Augenblick, in dem die Geschichte vom rätselhaften Alpentier erzählt werden muss. Am Ende von Strabo 4.6.10 erfahren wir, dass Polybios in den Alpen ein Tier mit einer eigenartigen Gestalt gesehen habe: Es sei hirschartig im Aussehen (ἐλαφοειδές τὸ σχῆμα [70]), habe aber einen anderen Hals, eine Behaarung wie ein Eber und unter dem Kinn ein etwa spannenlanges Haarbüschel so dick wie der Schweif eines Fohlens.[71] Die Schärfe der Beobachtung gehört zu einem weiteren Interessensgebiet des Polybios, seiner Jagdleidenschaft, hat aber bisher nicht zur Identifizierung des Tieres durch alle jene beigetragen, die sich vergebens mit dieser Stelle abmühten. Die Beschreibung führt direkt zu den Steinböcken,[72] die allein schon als unbekannte Wildtiere das Interesse des passionierten Jägers geweckt haben.[73] Von allen anderen Alpentieren unterscheiden sich die Steinböcke dadurch, dass sie nicht scheu sein müssen, weil sie keine Fressfeinde haben. Man kann also sehr nahe an sie heran, und genau das tat Polybios, um die Tiere mit dem geschulten Blick eines Jägers zu studieren und ihre Charakteristika festzuhalten.

Zum Lebensraum der Steinböcke gehören auch die steil aufragenden südlichen Kalkalpen mit ihren Felsvorsprüngen, auf denen diese äußerst geländegängigen Tiere gerne stehen. Da man im Zuge der Glocknerroute diesen Gebirgszug über den Plöckenpass überschritt (Karte 2 und Abb. 5), ist anzunehmen, dass Polybios die Stein­böcke dort gesehen hat und dass sie ihn so beeindruckten, dass er sie in seinen Reisebericht aufnahm. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann kann man erwarten, dass Polybios auch den Namen des Passes angegeben hatte (siehe nächstes Kapitel). Dem Strabo hingegen erschien so interessant, was Polybios über die Steinböcke berichtete, dass er aus ihnen sowie den alpinen Wildpferden und Wildrindern die Gruppe „Alpentiere“ bildete und innerhalb seines Alpenexkurses in einem kleinen Abschnitt behandelte.[74] Dadurch wurden die Steinböcke zwar aufgewertet, verloren aber ihre Beziehung zum Plöckenpass und der Reiseroute nach Noreia. Die von Polybios beschriebenen Goldfunde bei den Tauriskern hielt Strabo dagegen für so wichtig, dass er — der erwähnten Forderung des Polybios folgend — seinen Lesern eine geläufige geographische Orientierung bieten wollte, und so hat er die Niederlage des Cn. Papirius Carbo in der Nähe von Noreia aus dem Kimbernzug (7.2.2) herausgenommen und an Stelle der Steinböcke eingefügt. [75] Der Umgestaltung „Steinböcke raus — Carbo rein“ konnten sicher ein paar Worte zum Opfer gefallen oder dabei sogar bewusst weggelassen worden sein wie z.B. über das Karousadion oros, der Pass über die Südalpen, dem ich mich nun zuwenden werde.

Testimonia, die dem Reisebericht des Polybios zugewiesen werden können
Karousadion = Alpes Venetae = Plöckenpass (Karte 2)



Zur Wiedergewinnung des antiken Namens für den Pass, über den Polybios nach Noreia reiste, muss ich ein weiteres Mal auf die verderbte Stelle ἀνάπλουν ἔχοντι καὶ διακοσίων σταδίων ἐπὶ τοῖς χιλίοις εἰς Νωρηίαν πόλιν zurück kommen.[76] Auch wenn Polybios nicht geschrieben haben sollte „ ... und 1000 Stadien über einen Alpenpass ...“, so führen dennoch die 200+1000 Stadien fast zwangsläufig über den Plöckenpass,[77] den wichtigsten Pass über die südlichen Kalkalpen und mit seinen 1357 Metern eigentlich nur eine tiefe Lücke zwischen weiß leuchtenden und knapp 1000 Meter höheren Kalkklötzen (Abb. 5). Unmittelbar südlich der Passhöhe ist an einer Felswand inmitten von Stellungen aus dem ersten Weltkrieg eine Inschrift aus dem 3. Jh. erhalten,[78] die mit viel Pathos eine Neutrassierung des Südanstiegs auf den Plöckenpass verkündet. Angesichts des holprigen Stils, in dem das Poem verfasst wurde, ist es gleichgültig, wie die Akkusative der Zeilen 5 und 6 zusammen gehören, denn die Aussage ist ohnehin klar: Der Berg ist riesig. Um zu verstehen, warum der Pass als Berg bezeichnet wird, muss man bedenken, dass erst mit der Erfindung des Bergsteigens der Berg zum Berggipfel wurde. Aus der Lebenswelt der Reisenden, die zu Fuß, hoch zu Ross oder in der Sänfte/Kutsche ein Ziel anstrebten, war mons ein „Zugang / Anstieg auf einen Übergang zwischen Bergen“, z. B. Arlberg, Monte Croce Carnico, Col de Clapier (der Pass, über den Hannibal vermutlich den Alpenhauptkamm überschritt), κέτιον ὄρος (Cetischer, das heißt St. Pöltner Berg = Wienerwald, präziser: Übergang über den Wienerwald).[79] Wie in den mit -berg, collis, ὄρος gebildeten Namen wird auch in dieser Inschrift mons in der Bedeutung „Passhöhe“ verwendet. In der Inschrift den Namen des Passes anzuführen, war natürlich überflüssig, und so wäre uns dieser unbekannt geblieben, wenn nicht um 565 Venantius Fortunatus über den Plöckenpass gereist wäre.

In dem Gedicht, mit dem der aus Ravenna stammende Venantius Fortunatus seine beiden Reisen über die Alpen beschrieb, finden wir den Plöckenpass als Iuliae Alpes ,[80] wobei sofort klar ist, dass der Name frühestens mit Caesar vergeben worden sein kann. Das gleiche trifft auch auf Iulium Carnicum zu, den Ort unmittelbar südlich des Plöckenpasses, wo Venantius Fortunatus ebenso übernachtet haben wird wie Polybios knapp 700 Jahre vor ihm. Es ist also anzunehmen, dass um die Mitte des letzten Jh. v. Chr. Ort und Pass in einer gleichzeitigen Aktion zu ihrem julischen Namen gekommen sind, und das war sicher die Verleihung des — leider unbekannten — Rechtsstatutes an Iulium Carnicum. Wie aber konnte der Pass davor geheißen haben? Hier hilft Klaudios Ptolemaios weiter, der um 150 n. Chr. berichtet, dass der Berg, der Italien von Norikum trennt, Καρουσάδιον ὄρος heißt.[81] Aus dem eben Dargestellten ist also klar, dass hier unter ὄρος eher ein Pass als ein Berg verstanden werden sollte, noch dazu wo die Karawanken, die Bergkette, die Italien von Norikum orographisch trennt, von Ptolemaios gleich dreimal genannt werden.

Καρουσάδιον ist ein Hapax Legomenon, ein Wort, das nur an dieser Stelle vorkommt, sich aber aus linguistischer Sicht erklären lässt: Wegen des Suffixes – adio bringt Diether Schürr das Καρουσάδιον des Ptolemaios mit dem Bergnamen Phligadia zusammen, zu dessen Füßen, so Strabo im Alpenexkurs, die Vindeliker wohnen. Schürr segmentiert Phligadia in ein flig-, in dem die urindogermanische Wurzel *bhel „glänzend, weiss“ steckt, und in das Suffix -adio „gipfelartig“. Für unser Thema ist schon wichtig, dass die Phligadia nun als selbsterklärender Name erkennbar geworden ist, nämlich als „hell schimmernde/schneebedeckte/firnblitzende Gipfel“, noch wichtiger jedoch ist die linguistische Expertise von Diether Schürr, dass Phligadia wegen des anlautenden f- italisch ist und dem venetischen Sprachbereich angehören dürfte.[82] Segmentierte man auf gleiche Weise auch Καρουσάδιον, und zwar in die indogermanische Wurzel *(s)karu- Stein, Fels[83] und das Suffix -adio gipfelartig, hoch (?), wäre auch Καρουσάδιον ein selbsterklärender Name — etwa „felsige/steinige Bergeshöhe“. Rein inhaltlich wäre das ὄρος überflüssig, aber gerade der Pleionasmus „Felsberg-Übergang“ wird dem alpinen Charakter des Plöckenpasses gerecht. Ob die Onomastik eine solche, aus der „Realprobe“ stammende Erklärung gutheißen kann?

Wie die eben erwähnte Felsinschrift von der Passhöhe zum Ausdruck bringt, vermittelt besonders der Südzugang auf den Plöckenpass das Gefühl, man würde in ex­treme Höhen ansteigen. Im Sinne des eben über Berge und Pässe Gesagten möchte ich daher für den vorcaesarischen Namen des Plöckenpasses das Καρουσάδιον ὄρος des Klaudios Ptolemaios einsetzen.[84] Da die Benennung des Passüberganges am ehesten von Süden her erfolgt ist, wäre es denkbar, dass die Siedlung, in der die Reisenden am Vorabend ihres Anstieges zur Passhöhe die Nacht zubrachten, ihren Namen von eben diesem Pass erhalten hätte. Das heißt, dass in dem bei Klaudios Ptolemaios erhaltenen Καρουσάδιον auch ein ernst zu nehmender Kandidat auf den vorcaesarischen, das heißt venetischen Namen von Iulium Carnicum zu sehen ist.[85] Dass ein Pass und die zugehörige Talsiedlung den gleichen Namen tragen, begegnet in den Ostalpen noch zwei weitere Male:

– an der norischen Limesstraße mit dem Kέτιον, das im Kέτιον ὄρος, dem westlichen Grenzgebirge von Oberpannonien, [86] und im municipium Aelium Cetium (heute St. Pölten / Niederösterreich) steckt,

– an der sog. Argonautenroute mit der Okra (Razdrto / Slowenien, Sattel unterhalb des Nanosplateaus mit seinem Gipfel Pleša 1262 m, Abb. 7), die den Pass benennt, den dort abgekommenen Ort[87] und sogar die anwohnende Bevölkerung. [88]

An diesem Benennungsmuster, das jedenfalls noch der linguistischen Bestätigung bedarf, besticht die Tatsache, dass nun der Ortsnamen Iulium Carnicum von den Carni gelöst werden kann. Denn in Nordwestfriaul sind Carni noch immer nicht nachgewiesen — ganz im Gegenteil, bei der Behandlung des vorrömischen Tergeste werden wir Carni als den Bewohnern Istriens begegnen (siehe unten) und mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch diese Mitteilung dem Polybios zuordnen können. Von so frühen Carni weiß man jedenfalls nur, dass sie im Jahre 115 v. Chr. blutig niedergeworfen wurden und dass der Sieger, M. Aemilius Scaurus, einen Triumph erhielt.[89] Es ist also nicht anzunehmen, dass die besiegtenCarni lange danach noch so erinnerungswürdig gewesen wären, dass sie ihren Namen für eine wichtige Handelsstadt hergeben und mit dem Gentiliz Iulium verbinden durften. Wenn dies so wäre, könnte man erwarten, dass sich die Einwohner von Iulium Carnicum Carni nannten. Dass sie sich um das Jahr 40 n. Chr. aber nicht so, sondern als Iulienses bezeichneten, hat unlängst Claudio Zaccaria erkannt. [90] Auch die Einwohner des Landbezirkes nannten sich nicht Carni, sondern — erwartungsgemäß — ebenfalls Iulienses. Das wissen wir seit dem Jahr 1938, als von Ettore Ghislanzoni Felsinschriften veröffentlicht wurden, die am Fuße der Civetta die Grenze zwischen den Territorien Bellunum und Iulium Carnicum markierten.[91]

Es spricht also einiges dafür, dass Iulium Carnicum seinen Namen von jenem Pass bekommen hat, der ihm seine Lebensgrundlage bereitete und für dessen ungefährdete Begehbarkeit es zuständig war, wie wir aus der eben erwähnten Passinschrift erfahren. Bei Ptolemaios lernen wir ihn in der griechischen Form als Καρουσάδιον ὄρος kennen, in der lateinischen beziehungsweise venetischen Form dürfte er immer schon Carnicum oder ähnlich gelautet haben. Wegen der Bedeutung, die Polybios für die antike Landeskunde gehabt hat, ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass Ptolemaios den Namen Καρουσάδιον ὄρος direkt aus der Reisebeschreibung des Polybios übernommen hat. Damit wäre auch erklärt, warum es im nichtgriechischen Ostalpenraum ein griechisches Hapax Legomenon gibt.

Wo Taurisker an Germanen grenzen — Die Magistrike Chora
(Karte 1)



Im Anschluss an die 2200 Stadien, die nach den vorhin beschriebenen Schlussfolgerungen nicht parallel, sondern quer über die Alpen aufzutragen wären, erscheint ein weiterer Kandidat, den ich dem Reisebericht des Polybios zuordnen möchte: Herbert Graßl hat auf eine bisher übersehene Stelle bei Stephanos Byzantios aufmerksam gemacht, in der von einer Magistrike berichtet wird, einem Gebiet der Taurisker bei den Alpen, das an die Germanen grenzt. [92] Wenn man wie Graßl aus dem Zitat nur jene Teile herauspickt, die man für erklärbar hält, dann wird es unbrauchbar, d. h., dass man es nur so beurteilen darf, wie es auf uns gekommen ist. [93] Betrachtet man es als Einheit, wird sofort klar, dass es geographisch nicht nach Slowenien gehören kann, wo die Taurisker im 1. Jh. v. Chr. siedelten, vom Beginn der römischen Kaiserzeit an in der Provinzbevölkerung aufgingen, um aus den antiken Nachrichten zu verschwinden, [94] denn dort hatten sie keine gemeinsame Grenze mit Germanen. Man muss sich also nach einer weiteren Lokalisierungsmöglichkeit umsehen, und hier gewinnt die Rekonstruktion des polybischen Reiseberichtes eine entscheidende Bedeutung. Denn nun wissen wir, dass in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. die Taurisker den Ostalpenraum beherrschten und dass Noreia, wo Polybios die tauriskische Goldgewinnung persönlich studierte, ihre Hauptstadt war.[95] Die Chance, die Magistrike Chora zu lokalisieren, liegt daher nicht in Slowenien, sondern auf der anderen Seite der Alpen, im Norden, und zu diesem Zweck muss ich kurz auf die Glocknerroute eingehen.

Anders als im Mittelmeerraum, wo Salz durch Verdunsten von Meerwasser erzeugt wurde und daher stets verunreinigt war, und anders als beim bergmännisch gewonnen Salz, das vor allem durch Toneinschlüsse gefärbt war, wurde das Reichenhaller Salz durch Sieden von hochprozentiger Sole gewonnen und war deshalb homogen weißgrau. Der Reinheitsgrad eines solchen Salzes lag weit über jenem der Meeressalinen beziehungsweise der Bergwerke, weswegen das Salz der Reichenhaller Sudpfannen einer der wichtigsten Exportartikel des Ostalpenraumes war.[96] Wenn zu Polybios Zeiten die Taurisker die Herren des Ostalpenraumes waren und den gesamten Passverkehr über die Alpen kontrollierten, muss man damit rechnen, dass auch das Reichenhallisch-Salzburgische Gebiet unter tauriskischem Einfluss stand, wenn es nicht gar zu ihrem Herrschaftsbereich gehört hat. Da ferner die Exportgüter des Ost­alpenraumes nicht nur in der Cisalpina und im Mediterraneum, sondern auch im Donauraum und wohl auch nördlich der Donau begehrt waren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Taurisker auch die Fortsetzung der Glocknerroute nach Norden soweit wie möglich unter ihre Oberhoheit gebracht haben. Wie ein strategisch denkender Scipio bei den Massalioten, Narboniten und Corbilern Auskünfte über Britannien einholen wollte (siehe oben), [97] so dürfte ein an militärischen Themen interessierter Polybios auch in Noreia nachgefragt haben, welche Völker denn weiter im Norden an der Glocknerroute wohnten. Wenn der Eintrag des Stephanos Byzantios wirklich auf Polybios zurückgeht, wovon ich überzeugt bin, dann lautete die Antwort: „Jenseits der Alpen grenzen die Taurisker mit ihrer μαγιστρικὴ χώρα an die Germanen“ — was immer man damals unter Germanen verstand.[98] Auch die Grammatik würde diesen Lösungsvorschlag unterstützen, denn in πρὸς τὰ Ἄλπεια ὄρη erhält der mit πρός verknüpfte Richtungsakkusativ eine geographisch sinnvolle Bedeutung, weil er die Blickrichtung von der Magistrike Chora auf die Alpen, also von Norden her, zum Ausdruck brächte. Daher mag um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. eine geographische und wirtschaftliche Verbindung zwischen Tauriskern und Germanen nicht unmöglich gewesen sein.

Aus Gründen, die hier nicht diskutiert werden können, tendiert die Wissenschaft dazu, jene spärlichen Nachrichten zu Germanen, die aus den beiden letzten Jahrhunderten vor Christus stammen, für nachträgliche Interpolationen zu halten, beziehungsweise überhaupt abzulehnen. Am deutlichsten wird das bei den Germanen, die in den Fasti Triumphales für die Schlacht von Clastidium (222 v. Chr.) als Verbündete der Gallei Insubres aufscheinen. [99] Chronologisch folgen dann die für das Jahr 218 v. Chr. bei Livius bezeugten, ebenfalls nicht einzuordnenden gentes semigermanae, die dem Hannibal einen Westalpenpass verlegen hätten können. [100] Mehr als einhundert Jahre jünger ist der Bericht des Poseidonios über die Fleischmengen, die Germanen verzehrten. Das Zitat ist erhalten geblieben, weil die üppigen Mahlzeiten der Germanen, zu denen sie Milch und ungemischten Wein tranken, von Athenaios verurteilt wurden.[101]

Weitere Germanen tauchen in Strabos Alpenexkurs auf. In dem sichtlich durch­einander geratenen Text begegnen Alpenstämme, die durch οἱ μέν — οἱ δέ in zwei Gruppen gegliedert und hernach durch ἅπαντες δ’ οὗτοι wieder zusammen gefasst werden, weil sie anscheinend alle und immer wieder die benachbarten Gebiete Italiens, der Helvetier, Sequaner, Boier und Germanen heimsuchen.[102] Auch hier ist nicht klar, welche Germanen es sind und wo sie siedeln. Von archäologischer Seite ist aber erkennbar, dass die Siedlungsgebiete der damaligen Germanen weit von den lokalisierbaren Alpenstämmen entfernt gewesen sein müssen. Eine solche Erkenntnis passt dann recht gut zu dem isolierten Zitat des Stephanos aus Byzanz, wenn man es auf die Mitte des 2. Jh. v. Chr. datiert, weil diese Germanen von der im nördlichen Alpenvorland anzunehmenden Magistrike Chora nicht nur durch die Donau, sondern wahrscheinlich auch durch die Waldgebiete nördlich der Donau getrennt waren.

Es ist offensichtlich, dass hier blitzlichtartige Informationen vom Nordrand der damaligen Oikumene vorliegen, die nur vom Hörensagen in die antike Literatur eingeflossen sind und die festhalten, welche Leute (um wiederum das Wort „Stamm“ zu vermeiden) an welche anschließen, wobei die Distanzen zwischen beiden entweder nachträglich verloren gegangen sind oder nie bekannt waren. Wegen ihrer Isoliertheit können solche Sfumato-Nachrichten nicht im modern-historischen Sinne ausgewertet werden.[103] Dazu kommt, dass damals tatsächlich vieles durcheinander lief, wie man am germanischen Namen des Boierkönig Fariarix und am keltischen des Sueben­führers Ariovist sieht. [104]

Auch die Archäologie verfügt über blitzlichtartige Informationen, die nur schwer einzuordnen sind; deren erste ist der Harigasti-Helm von Negau. [105] Der Helm, der 1811 in rund 13 km Luftlinie südöstlich von Radkersburg (Steiermark) im Dorfe Ženjak, im heutigen Slowenien, gefunden wurde, gehört dem 5. Jh. v. Chr. an, seine venetische Inschrift harigastiteiva ist jedoch wesentlich später, möglicherweise erst um 100 v. Chr. eingeritzt worden. Es handelt sich um den zweigliedrigen Namen Harigasti Teiva, dessen Träger der letzte Besitzer des in langer Verwendung stehenden Helmes war. An dem Namen fällt aber besonders auf, dass er einem den Römern damals noch unbekannten Volk angehört — den Germanen. Am plausibelsten sind die vielen Widersprüche von Objekt, Inschrift und Fundort damit zu erklären, dass jener Harigast ein germanischer Söldner in einem nichtgermanischen Verband gewesen sein dürfte: „Alles in Allem können sich ... im dritten bzw. zweiten Jahrhundert v. Chr. durchaus Gruppen von Germanen ... auch im Alpengebiet oder in Oberitalien verdungen haben“, so die historische Beurteilung durch Robert Nedoma. [106] Dass bereits damals Germanen als Söldner nach Süden gingen, ohne in der antiken Literatur Spuren zu hinterlassen, und dass bereits damals Germanen nicht unbedingt Analphabeten gewesen sind, ist eine der Lehren, die der Harigasti-Helm vermittelt.

Für uns erhebt sich sofort die Frage, ob so frühe Germanen nur als Söldner nach Süden gekommen sein mögen — oder nicht auch als Händler. Bei Händlern darf man sogar noch eher erwarten, dass sie Lesen und Schreiben beherrschten — zumindest soweit, als es für den Geschäftsverkehr von damals erforderlich war, und damit bin ich bei der zweiten blitzlichtartigen Information: Einen Germanen wollen vor allem französische und italienische Linguisten in dem harto erkennen, der seinen Namen auf dem Merkfelsen bei den Würmlacher Wiesen im Gailtal eingeritzt hat und der sich von den übrigen sieben Namen, die venetisch beziehungsweise keltisch sind, deutlich unterscheidet (Abb. 6). [107] Auch Nedoma hat sich dieses harto angenommen, doch kam er zu dem Schluss, dass der „isolierte, wenig umfangreiche Wortkörper freilich kaum signifikant genug (sei), um die Deutung als germanisches Anthroponym ... tatsächlich über jeden Zweifel erhaben scheinen zu lassen“. [108] Auch wenn also Zweifel bestehen, so würde doch ein Germane Harto hervorragend in den Gesamtkontext der Glocknerroute passen, die zwischen weit auseinander liegenden Kultur- und Wirtschaftsräumen vermittelt hat.

Damit kehren wir zur Person des Stephanos Byzantios zurück. Er lehrte wahrscheinlich unter Justinian an einer der Akademien von Konstantinopel und verfasste ein umfassendes geographisches, leider nur in Auszügen erhaltenes Lexikon namens Ἐθνικά, durch das umfangreiches Material über die antike Geographie erhalten blieb, z.B. scheint ihm noch die Ges perihegesis des Hekataios von Milet vorgelegen zu haben, den er knapp dreihundert Mal zitiert. Dafür, dass Stephanos auch auf den Reisebericht des Polybios zurückgriff, spricht neben dem eben erwähnten geographischen Argument der unrömische Blickwinkel, unter dem diese inhaltlich isolierte Stelle abgefasst ist. Wie wir immer wieder feststellen, interessiert sich Polybios nicht für die Herrschenden und die Machtstrukturen der von ihm besuchten Gebiete, sondern für das Land, für seine Bewohner und für seine geographische Einordnung. Genau das haben wir hier vor uns: Ein Gebiet, μαγιστρικὴ χώρα, seine ethnische Zugehörigkeit, τῶν Ταυρίσκων, seine Lage, πρὸς τὰ Ἄλπεια, seine Einwohner, οἱ οἰκήτορες Μαγίστρικες, und ihre Nachbarn, οἱ Γερμανοί. Mit diesen fünfzehn Worten eröffnet sich eine Perspektive, wie sie griechischer nicht sein könnte, und sie war es wohl auch, die Stephanos zur Aufnahme der Magistrike Chora in seine Ἐθνικά veran­lasste. [109] Zu Gunsten des Polybios lässt sich vor allem ihre zeitliche Einordnung anführen. Ganz offensichtlich bezieht sich die Nachricht des Stephanos Byzantios auf den Höhepunkt der tauriskischen Schicksalskurve, an dem sie nicht nur die Herren des Ostalpenraumes waren, sondern mit der Glocknerroute auch den wichtigsten Handelsweg über die Ostalpen kontrollierten, dessen Verlängerung nach Norden möglicherweise bereits damals als germanisch betrachtete Siedlungsgebiete erreichte.

Hier kommt der schon mehrfach angesprochene militärische Aspekt ins Spiel, der ebenfalls dafür spricht, dass das Zitat der Magistrike Chora auf Polybios zurückgeht: Wie wir von Polybios und Livius erfahren, sahen sich die Römer gezwungen, Aquileia zu gründen, um gegen unvermutet aus den Alpen hervorbrechende Barbaren geschützt zu sein.[110] Die Sicherheit dieser weitab vom italischen Kernland liegenden Kolonie ist in Rom und sicher auch für Scipio Aemilianus ein wichtiges Thema gewesen. Man kann daher annehmen, dass Polybios bei seinem Besuch in Noreia alle nur verfüg­baren Informationen über eine barbarische Bedrohung, die von jenseits der Taurisker losbrechen konnte, eingeholt hat. Unter diesem Aspekt lassen sich das Polybios-Testimonium über die Ausdehnung der Alpen und die Stephanos-Stelle über die Magistrike Chora zu einer geographisch, politisch und eben auch militärisch sinn­vollen Aussage zusammenfügen. Dass damit die erstmalige Nennung von Germanen aus der spätrepublikanischen Zeit[111] auf die Mitte des 2. Jh. v. Chr. vorverlegt wird, dürfte zu heftigen Diskussionen führen, bei denen nicht übersehen werden sollte, dass seit der Mittellatènezeit elbgermanisches Fundmaterial der Przeworsk-Kultur nach Süden vordringt.[112]

Die ostalpine Gallia und ihre Norica castella in tumulis

Was Polybios über die Lage von Noreia geschrieben hat, scheint so eindrucksvoll gewesen zu sein, dass es bei Sempronius Asellio einen literarischen Nachhall gefunden haben mag. Ebenfalls ein Mitglied des Scipionenkreises könnte Asellio, der sich unter dem Einfluss des Polybios (Forderung von Autopsie, Ablehnung annalistischer Darstellung) zu einem Ahnvater römischer Geschichtsschreibung entwickelt hat, [113] den Griechen sogar noch persönlich gekannt haben. Leider ist von seinen Schriften fast nichts erhalten geblieben. Zu dem wenigen, was wir besitzen, gehört die Mitteilung eines späten Vergilkommentators, dass das Bild von den Norica castella in tumulis des Vergil von Sempronius Asellio stammen soll (siehe unten),[114] aber auch dieses dürfte auf Polybios zurückgehen: Zum einen schreitet Vergil in der Reihenfolge, in der Polybios seine Reise beschrieben hat, von den Noricacastella in tumulis zur Iapydis arva Timavi, dem Gestade des Timavon weiter,[115] und zum anderen sind dem Vergilscholiasten beim Stichwort „norische Kastelle“ nicht etwa dieNorici, ihre militärische Tüchtigkeit oder ähnliches, das im Zusammenhang mit Kastellen zu erwarten wäre, eingefallen, sondern die urbs Noreia des Sempronius Asellio. Dass Asellio die Stadt Noreia auf das Niveau jener wenigen urbes hob, die es im ausgehenden 2. Jh. v. Chr. gab, ist mit unserer Vorstellung von Noreia schwer zu vereinen. Es lässt vermuten, dass Asellio sie nicht selbst besucht, sondern lediglich den Bericht des Polybios übernommen und aus dessen polis eine urbs gemacht hat. Sempronius Asellio bezeugt ferner, dass in mittelrepublikanischer Zeit die Siedlungsgebiete des Ostalpenraumes schlicht Gallia genannt wurden und dass die ostalpine Gallia zwei Kategorien von Siedlungen aufwies, die urbs Noreia auf einem tumulus und für uns leider namenlose castella in tumulis.

Der Triumph, den Octavian im Jahre 29 v. Chr. nach seinem Sieg von Actium feierte, ist das Datum, zu dem die Georgica bereits abgeschlossen waren. [116] Man darf sich daher wundern, dass Vergil, der spätestens seit 37 v. Chr. an dem Werk arbeitete, bereits damals die castella der Noriker zur italischen Heimaterde rechnete, die vom jungen Octavian geeint und geheilt worden war: Denn das war lange vor dem Alpenfeldzug des Jahres 15 v. Chr., mit dem — so sieht es jedenfalls die Forschung — das Königreich Norikum beseitigt und der Ostalpenraum in das Imperium Romanum eingegliedert worden sei. Sichtlich bedarf auch hier einiges der Revision. Auf jeden Fall wird deutlich, auf welchen mitunter verschlungenen Wegen uns die antiken Nachrichten zum Ostalpenraum erreichen: Polybios → Sempronius Asellio → Vergil → Scholiast zu Vergil.

Hier sollte die Notiz des Vibius Sequester nicht übersehen werden, der im 4. oder 5. Jh. n. Chr. für das Timavon folgende Ordnungskette aufstellte: [117] Timavus — Aquileiae — Galliae. Damit ist wohl gemeint, dass das Timavon zu Aquileia zu rechnen sei und dass Aquileia in der Gallia liege. Mag die Aussage geographisch unbedeutend und in ihrer Genese nicht aufzuklären sein, so ist sie doch historisch interessant, weil die Zuweisung von Aquileia an die Gallia einem Zustand entspricht, der offiziell spätestens im Jahre 41 v. Chr. zu Ende gegangen war.[118]

Polybios und die östliche Cisalpina
(Karte 2)



Es wurde erkennbar, dass jene Teile der Geographikai des Strabo, die von der östlichen Cisalpina und vom Ostalpenraum handeln, eine Vorversion darstellen, die Strabo wohl deshalb nicht in die endgültige Form bringen konnte, weil er vorher gestorben ist. Das mag für seine Beurteilung als Historiker nachteilig sein, für die Identifizierung seiner Vorlagen ist es jedoch von Vorteil: An der Geschichte vom Gold der Taurisker sieht man, wie Strabo einen ganzen Paragraphen des Polybios auseinander geschnitten und auf verschiedene Stellen seines eigenen Werkes verteilt hat, und bei der Niederlage des Carbo gegen die Kimbern ist es nur eine einzelne Information des Poseidonios, die Strabo aus ihrem Zusammenhang herausgenommen und in einen von Polybios stammenden Bericht eingesetzt hat. Für die Suche nach den Vorlagen ist es daher ein Glück, dass solche und andere Teile übergangslos nebeneinander stehen blieben und dass ihre inhaltlichen wie grammatikalischen Brüche nicht geglättet wurden. Bei den Norica castella in tumulis des Vergil beziehungsweise seines Scholiasten wurde dagegen deutlich, dass Strabo nicht alles, was Polybios berichtete, auch verwendet hat. Auch andere Autoren, an erster Stelle der ältere Plinius, dürften ein derartiges Schnitt- und Kompositionsverfahren angewendet haben, aber weil sie ihre Werke zu Ende führen konnten, sind die Vorlagen schwieriger aufzuspüren.[119]

Ein weiterer Vorteil der Unfertigkeit besteht darin, dass man in etlichen Fällen die Textzugaben des Strabo erkennen und herauslösen kann. Das wirft erst recht die Frage nach den Lieferanten der Informationen auf. Für die östliche Cisalpina beruft er sich überhaupt nur auf zwei, auf Polybios und auf Poseidonios von Apameia (ca. 135–51 v. Chr.), die in ihren Lebensumständen und in ihrer Art des Reisens nicht unterschiedlicher sein konnten: Polybios stand Zeit seines Lebens im Dienste des jüngeren Scipio, durfte ohne Einschränkung seinen Interessen nachgehen, er reiste zu Wasser und zu Land und ließ sich auch von der strapaziösen Suche nach Hannibals Spuren in den Westalpen nicht abschrecken. Poseidonios dagegen machte seine große und wohl einzige Studienreise an Mittelmeer- und Atlantikküste der hispanischen Halbinsel in jungen Jahren. Wegen seines Interesses an allem, was mit Wasser im weitesten Sinne und mit Ozean zu tun hatte, ist anzunehmen, dass Poseidonios per Schiff unterwegs war und von den Küsten landeinwärts forschte,[120] womit zusammenhängen dürfte, dass Strabo bei der Berufung auf Poseidonios kaum Distanzen angibt.[121] Das Werk „Peri Okeanou“, das aus dieser um 95 v. Chr. zu datierenden Reise [122] entstand, brachte dem Poseidonios solchen Ruhm ein, dass er ein gesuchter Rhetoriklehrer wurde, an dessen rhodischer „Universität“ berühmte Männer wie Pompeius und Cicero Unterricht nahmen, seine Reisetätigkeit aber auf offizielle Besuche in Rom reduzieren musste. Dennoch fühlte er sich als Nachfolger des Polybios, benannte sein eigenes Geschichtswerk nach ihm (ἱστορία μετὰ τοῦ Πολυβίου) und begann dort, wo Polybios das seinige enden ließ. Das bedeutet, dass sich nicht erst Strabo, sondern auch schon Poseidonios auf die Berichte des Polybios gestützt haben mag, was sich beim Timavon tatsächlich nachvollziehen lässt.

Die Unterschiede in der Bewegungsfreiheit zwischen Polybios und Poseidonios schimmern noch bei Strabo durch: Während sich Strabo bei hispanischen und narbonensischen Themen oft und ausführlich auf Poseidonios beruft, weil der wirklich dort gewesen ist, erwähnt er ihn für die ganze Cisalpina nur einmal, und zwar beim Timavon. Da Poseidonios weder in der Cisalpina noch in der Adria gewesen ist, dürfte er für das Timavon lediglich den Bericht des Polybios übernommen haben. Damit scheidet er als Quelle für die östliche Cisalpina aus und damit kann die Beschreibung des Strabo, auch wenn sie thematisch zwar eingeengt ist, aber das, was sie bringt, detailreich, engagiert und gelegentlich sogar begeistert schildert, nur auf Polybios zurückgehen — dessen Autorschaft seit der Zusammenfügung von Strabo 5.1.8 mit 4.6.12 (siehe oben) außer Frage steht.

Wenn ich eben von eingeengt sprach, dann meine ich die Unsicherheit, dass wir nicht wissen, was Strabo von dem breiten Informationsangebot des Polybios weggelassen hat. Für die Cisalpina gibt es aber ganz offensichtlich ein Sonderthema das beide interessiert hat, Polybios als Berichterstatter und Strabo als seinen Überlieferer: Die aus den Alpen herabströmenden Flüsse, die auch heute noch ein landschaftsprägendes Phänomen sind. In Bezug auf Polybios darf man das insoferne ganz pragmatisch sehen, als er von den Westalpen kommend, wo er Hannibals Alpenübergang recherchierte, über Land reiste und den Wasserweg benutzte, so weit es die Flüsse erlaubten. Dass er bei dieser Gelegenheit viele ihrer Charakteristika wahrnahm und Nutzen aus den Verkehrsverbindungen per Schiff zog, ist immer wieder zu spüren. Erwähnt sei nur die Mitteilung, dass man auf dem Padus von Placentia bis Ravenna per Schiff zwei Tage und Nächte (!) fährt.[123] Vom Thema „Verkehr auf dem Fluss“ war es dann nicht weit zur Frage, welche Wirkung die Gezeiten auf nahe beim Meer liegende Siedlungen haben (was auch Poseidonios interessierte) und wie letztere per Schiff erreichbar sind. Weil sich der Verkehr in der Cisalpina ganz offensichtlich auf die Flüsse konzentrierte, ist weder von Straßen noch von Brücken die Rede — im Gegensatz zu Gallien, wo Caesar auffallend oft von Brücken bei den Einheimischen spricht.[124]

Im langen Paragraphen Strabo 5.1.7 geht es über „die alten Zeiten“ von Padua, über das auf Holzpfählen gebaute Ravenna, über Altinum und Spina, über ihre Lage in den Sümpfen sowie über die griechischen Wurzeln von Spina und Ravenna, ein für Polybios wichtiges Thema, das auch Strabo nicht ausklammern wollte. Gebündelt begegnen uns diese Themen am Timavon, bei dem die Erzählung einen kleinen Höhepunkt erreicht. [125] Für die archäologische Forschung wichtig wird die folgende Einstufung der in der östlichen Cisalpina von Polybios berührten beziehungsweise von Strabo nicht weggelassenen Orte:

– Padua sei die vortrefflichste πόλις aller dortigen und sein Meerhafen sei groß.

– Einst sei auch Spina eine berühmte und zur See mächtige πόλις der Griechen (!) gewesen und habe sogar in Delphi ein eigenes Schatzhaus besessen, heute aber liege es wegen der Verlandung im Inland (wegen des πάλαι — νύν ein für Strabo charakteristischer Einschub) und sei zu einem χωρίον = Dorf beziehungsweise einer κώμη = Raststation herabgesunken (zur Bedeutung von κώμη als Raststation siehe unten).

– πόλις ist anscheinend auch Ravenna (das Wort wird nicht ausdrücklich verwendet, ist aber zu erschließen), vor allem aber ist es ein Θετταλῶν κτίσμα, also ebenfalls eine griechische (!) Gründung.

– κτίσμα ist auch Aquileia, aber ein κτίσμα Ῥωμαίων.

– Boutrion (zu Ravenna gehörig), Opitergium, Concordia, Atria und Vicetia seien lediglich πολισμάτια = Städtchen.

Nun ist klar, dass auch die Städtchen Opitergium, Concordia, Atria und Vicetia bereits für die Mitte des 2. Jh. v. Chr. belegt sind und nicht, wie bisher angenommen, erst für die Zeit des Strabo. Im Falle von Concordia wird besonders deutlich, welchen Erkenntniszuwachs die Rückdatierung des Strabotextes mit sich bringt,[126] weil nun erst recht eine Erklärung des lateinischen Programmnamens concordia erforderlich wird. Die findet sich leicht, wenn wir einen Blick auf die nun geklärte Situation werfen: Wie wir gesehen haben, ist der bei Strabo 5.1.8 von den Alpen herabkommende Fluss das Tiliaventum (= Tagliamento), daher muss der Ort, wo Polybios ein Schiff bestieg, um sich 200 Stadien aufwärts schleppen zu lassen, Concordia gewesen sein. Wir haben ferner gesehen, dass noch um 150 v. Chr. die römische Kolonie Aquileia außerhalb des venetischen Gebietes lag und dass das Tiliaventum die Grenze zwischen den Venetern und den zum Istros (= Donau) hin wohnenden illyrischen Völkerschaften bildete. Diese geographisch und realienkundlich irritierende Notiz dürfte von einem weiteren Sfumato-Bericht des Polybios stammen, und zwar von jenem über die sog. Bernsteinroute (siehe dazu weiter unten).

Dass die Veneter keinen Einwand gegen die Kolonie Aquileia hatten, die die Römer jenseits des venetischen Gebietes im sumpfigen Niemandsland errichteten, erklärt uns Strabo recht einleuchtend: Die Veneter wären immer zu den Römern gestanden, nicht nur im Kampf gegen Hannibal (diese Bemerkung geht wohl auf Polybios zurück), sondern auch später.[127] Dafür hätten sie auch das römische Bürgerrecht erhalten. [128] Da Aquileia vom Meer her versorgt werden konnte, tangierte die Gründung einer Kolonie das venetische Gebiet nicht übermäßig. Die militärische Situation sollte sich schnell ändern. Denn die nördlich wohnenden Alpenkelten = Taurisker, gegen die Aquileia gegründet worden war, hatten offensichtlich die römischen Bedingung akzeptiert, die ihnen laut Livius von den Senatsgesandtschaften diktiert wurden, und gaben Ruhe. Dagegen hatte sich seitens der östlich siedelnden Histrer und illyrischer Völkerschaften der Druck so erhöht, dass die Aquileienser im Jahre 171 v. Chr. im römischen Senat um eine Verstärkung ihrer Kolonie vorstellig wurden.[129]

Wenn man bedenkt, dass nach Polybios die Römer ihre älteste Kolonie in der Cisalpina, das 218 v. Chr. gegründete Cremona, nur vom Meer her versorgen konnten und dass die Versorgungsschiffe den Po aufwärts getreidelt werden mussten,[130] dann ist verständlich, dass sie angesichts der akuten Gefährdung Aquileias durch „Histrer und illyrische Völkerschaften“ ihrer jüngsten Kolonie solche Belastungen nicht auferlegen wollten. So zogen sie es vor, diese an das Mutterland mit einer Straße anzubinden, und das bedeutet, dass sie spätestens mit der Verstärkung von Aquileia gegen Histrer und Illyrer im Jahre 171 v. Chr. eine Verbindungsstraße durch venetisches Gebiet planten. Hier trafen sich die Interessen von Römern und Venetern, weil letztere in einem starken Aquileia ihr zum Balkan hin offenes Gebiet geschützt sehen konnten. Tatsächlich erwähnt Strabo den Bau einer Straße von Bononia nach Aquileia, deren Errichter von Gerhard Radke überzeugend als M. Aemilius Lepidus, der consul iterum des Jahres 175 v. Chr., identifiziert wird.[131] Radke war der Ansicht, dass diese Straße die Sümpfe an der Mündung des Po umgangen und über Patavium, Altinum, Concordia nach Aquileia geführt habe. Für meine Argumentation sogar noch wichtiger ist, dass auch Radke die betreffende Strabostelle auf Polybios zurück führt, der die Straßenbauten des Lepidus aus dem Jahre 175 beschrieben und deren jeweilige Längen angegeben habe.[132] Da zum Bau einer solchen Straße sicher ein Vertrag nötig war, mag das πολισμάτιον, bei dem die neue Straße von Aquileia aus das venetische Gebiet betrat, seinen redenden Namen „Ort des herzlichen Einvernehmens (ergänze: zwischen Römern und Venetern)“ erhalten haben. Damit gehören die Verstärkung (vielleicht sogar schon die Gründung) von Aquileia, die Benennung von Concordia sowie der Bau dieser Straße ein und derselben historischen Aktion an, die sich in dem gut zwanzig Jahre danach verfassten Bericht des Polybios spiegelt.

Reiste Polybios auch nach Tergeste?

Mit Concordia habe ich mich deshalb so ausführlich beschäftigt, weil ich der Ansicht bin, dass Polybios von dort aus seine Reise zu den Tauriskern mit ihrer Hauptstadt Noreia angetreten hat. Auf dem Rückweg hat er dann Aquileia besucht sowie das Timavon und ist, so möchte ich abschließend darstellen, noch bis Tergeste weiter gereist, wo er wahrscheinlich jene Informationen eingeholt hat, die bei Strabo als die ältere Informationsschicht für das illyrische Hinterland durchscheinen.[133] Auch zu Tergeste hält Strabo Nachrichten bereit, hinter denen das Gegensatzpaar πάλαι — νῦν, also „Damals — Heute“ steht.[134]

Gegen Ende des langen Abschnittes 7.5.2 bezeichnet Strabo Τεργέστε als κώμη Καρνική, und man frägt sich, warum just das karnische Dorf Tergeste Eingang in die antike geographische Literatur gefunden hat. Warum gelang das nicht auch anderen karnischen Dörfern? Hatten die Karner denn keine Städte, die der Erwähnung wert gewesen wären? Die Suche nach einer Antwort beginnt bei der Frage, ob denn κώμη wirklich nur mit „Dorf“ übersetzt werden soll oder ob mehr dahinter steckt? Eine erste Klärung bringen die Einträge im „Liddell-Scott“, die erkennen lassen, dass κώμη eine Siedlung ohne Ummauerung ist und ihr Gegenstück in der ummauerten πόλις haben kann. In diesem Sinne findet es sich gelegentlich sogar bei Polybios. [135] Aber auch solche polis-artigen κῶμαι mag es bei den Karnern mehrere gegeben haben, warum werden die nicht genannt? Der hier schon mehrfach zitierte frühbyzantinische Grammatiker Stephanos Byzantios hat — auffallend genug — in seine Ort-, Völker- und Namenslisten auch den Begriff κώμη aufgenommen, und hier sehen wir, dass die Übersetzung „Dorf“ nicht das ganze Begriffsfeld von κώμη abdeckt. [136] Stephanos bezieht sich auf einen Philoxenos, wahrscheinlich den alexandrinischen Grammatiker, der im 1. Jh. v. Chr. in Rom lehrte und sich mit sprachlichen Fragen beschäftigte. Dieser leitete das Wort κώμη von κοιμᾶσθαι mit der Begründung ab, dass ἐν ταῖς μακραῖς ὁδοῖς = an den langen Reiserouten χωρία = Dörfer, Kleinsiedlungen, Stützpunkte existierten, in denen man „schlafen“ konnte, wenn es Nacht geworden sei. Um ja nicht falsch verstanden zu werden, präzisierte Stephanos am Ende dieses Eintrages die Tätigkeit, die man in einer κώμη ausüben könne, durch zwei Infinitive κοιμᾶσθαι καὶ αὐλίζεσθαι, wobei nach „Liddle-Scott“ unter αὐλίζεσθαι jede Art des Schlafens, von der Übernachtung in einem Palast bis zu einem militärischen Biwak, zu verstehen ist. Daher dürfte die κώμη Καρνική Tergeste erwähnenswert gewesen sein, weil dort ein Reisender mit einer Unterkunft rechnen konnte — die lateinischen Äquivalente wären statio, mansio, praetorium, vicus etc. — und Καρνική gab an, welche Sprache dort gesprochen wurde.

Als nächstes muss geklärt werden, ob ἐκ Τεργέστε, κώμης Καρνικῆς von Strabo selbst oder aus einer älteren Quelle stammt. Wiederum bringt uns Stephanos von Byzanz auf die richtige Spur, weil wir von ihm s.v. Tergeste erfahren, dass dieses schon vor Strabo als κώμη charakterisiert worden ist, und zwar von Artemidoros von Ephesos, dessen Akmé um 100 v. Chr. liegt. Glücklicherweise bezieht sich Strabo auf den Artemidoros in der Frage, ob er oder Polybios die Entfernung zwischen der Südspitze der Peloponnes und der Donau richtig angebe, um sich für Artemidoros zu entscheiden. [137] An dem Argument, das Strabo zu dessen Gunsten vorbringt, erkennt man jedoch unschwer, dass dieser lediglich die Entfernungsangaben eines anderen Autors zusammen gezählt hat. Da dies überdies das einzige Mal ist, wo sich Strabo bei einem Balkanthema auf Artemidoros beruft, darf man annehmen, dass dieser den Balkan gar nicht bereist hat. Wie Artemidoros Tergeste als κώμη bezeichnen konnte, lässt sich aus dem bisher Gesagten unschwer vermuten, er wird sich an Polybios orientiert haben, der rund 50 Jahre davor das Timavon besucht hat und, so vermute ich, bis nach Tergeste weiter gereist ist. Wenn die Einstufung von Tergeste als κώμη bereits auf Polybios zurückgehen sollte, dann ließe sich der Widerspruch zu der folgenden Nachricht auflösen.

In 5.1.9 spricht Strabo davon, dass die Küste zwischen dem Timavon und Pola den Istrern gehöre und dass die Entfernung zwischen dem φρούριον, das heißt dem von Octavian befestigten Tergeste (siehe dazu weiter unten), und Aquileia 180 Stadien beträgt.[138] Beim Vergleich der beiden Stellen springt die konträre Charakteristik von Tergeste ins Auge: In 7.5.2 ist es eine κώμη und in 5.1.9 ein φρούριον. Ein weiteres Mal haben wir also das Gegensatzpaar πάλαι — νῦν vor uns: Tergeste als karnisches Dorf (Mitteilung des Polybios) — Tergeste als Festung auf dem Gebiet der Istrer (Situation zur Zeit des Strabo). Wenn aber — und damit komme ich zum zweiten und wichtigeren Aspekt von 7.5.2 — die Mitteilung, dass Tergeste eine κώμη Καρνική sei, wirklich auf Polybios zurück gehen sollte, dann würde sich das Dunkel um die geheimnisvollen Karner aufhellen. Das hieße, dass sie um 150 v. Chr. östlich von Aquileia siedelten, also im heute südslowenisch-nordwestkroatisch-istrischen Gebiet. Genau so steht es im Alpenexkurs des Strabo: „Die Okra ist der niedrigste Teil der Alpen (Abb. 7), wo diese die Karner berühren“.[139] Also ist auch dies eine Information, die Strabo von Polybios übernommen hat und die eine Herleitung des Namens von Iulium Carnicum von den Karnern unnötig macht (siehe oben). Im Jahre 115 v. Chr., bald nach ihrer Erwähnung durch Polybios, wurden die Karner von den Römern so geschlagen, dass der Senat dem siegreichen Heerführer M. Aemilius Scaurus einen Triumph genehmigte.[140] Die Reduktion der besiegten Karner auf ein Gebiet der istrischen Halbinsel spiegelt sich in der zweiten Nennung der Okra in 7.5.2, wonach sich „die (Ost-)Alpen zwischen Rätien und den Japoden erstrecken“. [141] Daher würde es sich empfehlen, die von Vanna Vedaldi Iasbesz zu den Karnern zusammengetragenen Quellen unter dem Aspekt ihrer Entmachtung durch Scaurus und ihrer Aufsplitterung auf mehrere Nachfolgestämme zu sichten. [142]

Wenn der Satzteil „Tergeste, eine karnische κώμη“ von Polybios stammen soll, dann wird das wohl auch für den zweiten Teil des Satzes gelten. In diesem begegnen wir wiederum der Okra und lernen einen Sumpf namens Lougeon kennen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Polybios bei seiner Reise durch die Cisalpina genau vermerkt, welche Siedlungen an Sümpfen liegen und wie sie erreicht werden können. Dagegen wird das am Rande des Laibacher Moors liegende Nauportus (Vrhnika) nicht erwähnt, weil es, wie die umfangreichen Ausgrabungen der slowenischen Kollegen bewiesen haben, erst in spätrepublikanischer Zeit entstanden ist.[143] Dennoch begegnet in diesem Paragraphen Nauportus gleich zweimal und beide Male im Zusammenhang mit ganz konkreten Aussagen: Nauportus als Ausgangspunkt einer mit Wagen zu befahrenden Route über die Okra nach Aquileia und Nauportus als Hafen, von dem man per Schiff die Save, Drau und Krka erreicht.

Im vorletzten Satz von 7.5.2 taucht Tergeste wieder auf, diesmal ohne klassifizierenden Zusatz, dafür aber als Ausgangspunkt einer Route, ὁδός, an die Donau, die „ungefähr“ 1200 Stadien lang sei.[144] Diese Entfernungsangabe ist grundfalsch, weil man mit 1200 Stadien, ca. 222 km gerade an den Mittellauf der Save gelangt, und grundfalsch ist auch der Beginn des Satzes, da es auf der Balkanhalbinsel praktisch keinen Fluss gibt, der in Richtung Norden zu befahren wäre. Wusste man unter Augustus wirklich nicht, in welcher Richtung auf der Balkanhalbinsel die Flüsse fließen und wie weit es von Tergeste bis an die Donau ist — noch dazu, wo Augustus sich in seinem Rechenschaftsbericht rühmt, die Grenze des römischen Reichs bis an die Donau „vorgetragen“ zu haben?[145] Die Erwähnung dieser ὁδός wirkt daher wie ein Fremdkörper in der Schilderung von 7.5.2, die sonst recht konkret ist und sicher dem Informationszuwachs durch den Illyrienfeldzug des Octavian (35–33 v. Chr.) verdankt wird. Augustus hatte sich ja auch als Literat gesehen und eine viel gelesene, aber leider verlorene Autobiographie verfasst, [146] in der er, einem ausdrücklichen Hinweis des Appian zufolge, auch den Krieg in Illyrien beschrieben hat.[147] Hier dürfte die Vorlage zu suchen sein, die Strabo für den chronologisch jüngeren Horizont von 7.5.2 verwendet hat.

Wenn man annimmt, dass Strabo eine Mitteilung des Polybios falsch verstanden oder verallgemeinert hat, dann ließe sich die Stelle mit den nach Norden schiffbaren Flüssen (Plural) retten. Denn nach dem Abstieg von der Okra gelangt man an den Rand des Laibacher Moors und zur Ljubljanica (Singular), die das Moor in Richtung Norden durchquert und unterhalb von Ljubljana/Laibach in die Save mündet. Sie wurde in Antike, Mittelalter und Neuzeit mit Schiffen befahren, und auf sie könnte sich eine Mitteilung des Polybios bezogen haben.

Am Duktus der Themen beziehungsweise am durchscheinenden Gegensatzpaar „Damals — Heute“ spürt man wiederum, wie Strabo Informationen aus zeitlich weit auseinander liegenden Wahrnehmungsperioden miteinander verzahnt hat. Da es sich bei der an die Donau führende Route um nichts anderes handelt als um die — modern so genannte — Bernsteinroute, wäre noch ein weiterer topographischer Fixpunkt gewonnen, denn nun wäre klar, dass das ἕλος Λούγεον das Laibacher Moor gewesen ist.[148] Daher ist die auf Tergeste bezügliche ältere, wohl von Polybios stammende Textvorlage relativ leicht herauszuschälen: ἐκ Τεργέστε, κώμης Καρνικῆς, ὑπέρθεσίς ἐστι διὰ τῆς Ὄκρας εἰς ἕλος Λούγεον καλούμενον ... ὁδὸς [δ᾽] ἀπὸ Τεργέστε ἐπὶ τὸν Δανούιον σταδίων ... von Tergeste, einer karnischen κώμη, gibt es einen Übergang über die Okra zu einem Sumpf namens Lugeon ... (folgte hier die Nennung der nach Norden fließenden und schiffbaren Ljubljanica ?)... die Strecke von Tergeste an die Donau ist ... Stadien (lang). Wohl hierher gehörte die von Strabo in den sog. Alpenexkurs geschobene Stelle 4.6.10: ... die Okra ist der niedrigste Teil der Alpen, wo diese die Karner berühren … und wohl nur von hier aus ist die irritierende Bemerkung von 5.1.8 zu verstehen, dass Aquileia als Marktort diene (den Venetern) und den zur Donau hin wohnenden illyrischen Völkerschaften (τοῖς περὶ τὸν Ἴστρον τῶν Ἰλλυριῶν ἔθνεσι). Je weiter man sich von Tergeste entfernt, umso verschwommener wird die Beschreibung dieser Verkehrsroute.

Einen Sfumato-Bericht, der einer Verkehrslinie folgt, aber mit zunehmender Entfernung vom italischen Kulturland immer unschärfer wird, haben wir schon bei der Fortsetzung der Glocknerroute in die Magistrike Chora kennen gelernt. Im vorliegenden Fall ist das Muster ähnlich, und auch die Route ist vergleichbar, denn bei der von Tergeste über die Okra an die Donau führenden Route handelt es sich um nichts anderes als die südlichste Teilstrecke der Bernsteinroute. Um diese Feststellung zu untermauern muss ich noch einmal zu dem zurückkehren, was Polybios über Aquileia in 5.1.8 sagt: Aquileia liege außerhalb des Landes der Veneter, sei ein Bollwerk gegen die oberhalb (= in den Alpen) siedelnden Barbaren, es diene dem Handel zwischen den Venetern und den illyrischen Völkern, die gegen die Donau hin wohnen, und auf dem Fluss Natiso könne man 60 Stadien aufwärts treideln. Kein Wort aber fällt über die Rolle, die die heutige Forschung Aquileia zumisst, nämlich Endpunkt von wichtigen Handelsrouten zu sein, und das ist verständlich, weil es zu Zeiten des Polybios noch zu jung für eine solche Entwicklung war. Daher, so darf man argumentieren, liefen um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. die Handelsrouten noch immer in Tergeste, dem „Markt“, zusammen (zur Etymologie des Namens siehe unten). Eine wesentlich jüngere Entwicklung spiegelt dagegen der Rest von 7.5.2, wo Strabo — unter Verwendung der Autobiographie des Augustus? — unter anderem berichtet, dass man von Aquileia aus über die Okra nach Nauportus gelange. Denn in diesem jüngeren, das heißt frühaugusteischen, Berichtshorizont steuert die Bernsteinroute nicht mehr Tergeste, sondern Aquileia an, und dies fügt sich gut in die allgemeine Chronologie dieser Stelle, die vor allem durch den boisch-dakischen Krieg fixiert wird.

Tergeste als prähistorisches Handelszentrum am Caput Adriae
(Karte 2)



Fassen wir zusammen, was sich bisher über Tergeste ergeben hat, dann wird klar, warum es von Polybios für erwähnenswert gehalten wurde: Reisende, die entweder von der Donau herunter oder — wie er selbst — aus der Cisalpina herüber kamen, konnten hier eine akzeptable Unterkunft finden. Es liegen also beachtenswerte Indizien für die Annahme vor, dass um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. in Tergeste gleich drei wichtige Fernrouten das Caput Adriae erreichten:

– Der östliche Ast der Glocknerroute, die sich beim Austritt aus den Südalpen in der Höhe von Glemona/Gemona in zwei Äste gabelte (der westliche führte zu den Venetern). Auf dem östlichen ist Polybios auf der Rückkehr von Noreia an das Timavon und nach Tergeste gereist.

– Der südlichste Teil der sogenannten Bernsteinroute, die von der Donau herab kam, das Laibacher Moor passierte und die Okra überquerte. Die Strecke von der Okra über St. Kanzian/Škocjan nach Tergeste[149] ist, wie Jana Horvat mitteilt, ohne jede Geländeschwierigkeit, aber archäologisch kaum untersucht. Erst der wirtschaftliche Aufstieg von Aquileia führte dazu, dass das südlichste Teilstück der Bernsteinstraße, das von der Okra nach Tergeste verlief, gegenüber jenem durch die Täler von Wippach/Vipacco/Vipava und Isonzo/Soča nach Aquileia führenden zurücktrat.

– Die durch die gesamte Cisalpina verlaufende West-Ost-Querverbindung, die Polybios seit seinem Abstieg von den Westalpen bis Concordia benützt hatte.

Tergeste war also um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. der Endpunkt bedeutender kontinentaleuropäischer Routen und wegen seines naturbegünstigten Hafens ein wichtiger Umschlagplatz für den Handel auf der Adria. Damit bin ich an einem Punkt angelangt, wo die Linguistik einen wesentlichen Beitrag zum archäologisch-historischen Verständnis dieses Ortes leistet. Denn der im Ortsnamen Tergeste enthaltene Wortstamm *terg/trg gehört einer vorkeltischen, auf jeden Fall venetischen Sprachschicht an, der ins Altkirchenslawische ebenso Eingang gefunden hat wie ins Albanische, und bedeutet „Markt“. Erweitert ist er mit dem ebenfalls schon im Venetischen vorhandenen Suffix -st-, das ein Ding, einen Ort etc. bezeichnet, in dem die Charakteristik des Wortbegriffes in großer Menge/Zahl/Qualität enthalten ist. Vereinfacht gesagt bezeichnet *terg + -st- einen Ort mit besonders hoher Marktqualität.[150] Tergeste muss also weit in die Prähistorie zurück reichen und — das ist besonders interessant — gleich vom Start weg ein so wichtiger Handelsplatz gewesen sein, dass man für ihn keinen anderen Namen kannte als „der Markt“. Tergeste war also nie ein Dorf wie jedes andere und schon um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. eine κώμη, das heißt eine offene, unbefestigte πόλις, in der Reisende aus allen Richtungen zusammenkamen und im Sinne des Philoxenos empfehlenswerte Beherbergungsbetriebe vorfanden. Das ist der Grund, warum es als einzige unter den Siedlungen der Karner genannt wird — bereits von Polybios, wie ich glaube.

Damit ist nicht nur die oben gestellte Frage beantwortet, sondern auch die Verbindung zu zwei wichtigen Denkmälern hergestellt, die seit langem aus Triest bekannt sind. Es handelt sich um zwei Bauinschriften aus dem Jahre 32 v. Chr., auf denen Octavian am Vorabend der Entscheidungsschlacht von Actium den Bau der Stadt­mauer mit ihren Türmen verkündet.[151] Auf dieses befestigte Tergeste bezieht sich Strabo mit seiner zweiten Nennung der Siedlung, die er im ganz realistischen Sinne als φρούριον, als befestigten Platz, bezeichnet, der von Aquileia 180 Stadien entfernt sei.[152] Nun befinden wir uns in der Zeit des Strabo und dementsprechend präzise sind seine Angaben: Die Charakterisierung des Ortes, die geographische Zuordnung auf Aquileia, das seiner Leserschaft sicher bekannt war, und die Entfernung dorthin. Mit den kontrastierenden Bezeichnungen κώμη — φρούριον haben wir wiederum das von Strabo gerne verwendete Gegensatzpaar „Damals — Heute“ vor uns und sehen, dass Tergeste tatsächlich auf eine lange Entwicklung zurückblickt. Bezieht man die beiden Mauerbauinschriften ein, dann ist es vor Octavian tatsächlich nicht befestigt gewesen.

Dass eine derart wichtige Handelsstadt erst im Jahre 32 v. Chr. durch Mauern geschützt wurde, musste in den Zeiten davor regelrecht zur Plünderung herausgefordert haben, und tatsächlich gibt es auch einen literarischen Beleg dafür. Dessen Quelle ist ausnahmsweise nicht Strabo, sondern Aulus Hirtius, ein ehemaliger Offizier in Caesars Diensten. Hirtius suchte die Jahre 51–50 v. Chr., die zwischen Caesars Schriften De Bello Gallico und De Bello Civile liegen, mit einem Bericht zu überbrücken, der heutzutage als achtes Buch an Caesars sieben Bücher zum Gallischen Krieg angehängt wird: Caesar, so liest man bei Hirtius, habe seinen General Labienus zur Vorsicht gemahnt, damit es ihm nicht so gehe wie im Sommer davor den Tergestinern, „ ... die unvermutet von illyrischen Völkerschaften angegriffen und ausgeplündert worden seien“.[153] Eine solche Plünderung wird auch von Appian (um 150 n. Chr.) bestätigt, mit dem nicht unwichtigen Zusatz, dass Tergeste ein Außenposten der Römer sei — Tergeston, Romaion apoikon.[154] Beide Quellen zusammen ergeben also, dass sich zumindest seit Caesar eine Plünderung von Tergeste zu lohnen schien. Caesar war zwar vom Jahre 59 v. Chr. an als Statthalter für Südfrankreich, für Oberitalien und für das zuständig, was die Römer auf dem nördlichen Balkan als ihre Machtsphäre betrachteten, doch hatte ihm der gallische Krieg die Hände gebunden, was die Japoden prompt zu einem Plünderungszug ausnützten.[155]

Da eine Siedlung nicht von einem Tage zum anderen so bekannt wird, dass ihre Plünderung einen literarischen Nachhall erfährt, muss der handelspolitisch äußerst günstig liegende „Markt“ seine Anfänge schon lange vor Caesar gehabt haben. Lage, Name und literarische Zeugnisse sprechen also dafür, dass Tergeste wesentlich älter sein muss als die im Jahre 181 v. Chr. gegründete Veteranenkolonie Aquileia. [156] Der Bericht des Polybios rückt daher ein prähistorisches Tergeste ins Blickfeld der Forschung, das als Hauptort der Karner ein Scharnier zwischen dem kontinentaleuropäischen und mediterranen Handel und somit die direkte Vorgängerin von Aquileia war (für die Römer vielleicht ein zusätzliches Motiv zur Gründung der Kolonie Aquileia).

Gerade weil die Mitteilung, dass in Tergeste eine von der Donau kommende Handelsroute die Adria erreichte, von Polybios stammen wird, mag es erlaubt sein, den Gedanken des Polybios weiterzuführen. Seiner Mitteilungsfreude und seinem Interesse am Schiffsverkehr würde es durchaus entsprechen, wenn er hinzu gefügt hätte, dass die in Tergeste auf dem Landweg mündenden Handelsrouten ihre Fortsetzung in den Schiff­fahrtslinien entlang der dalmatinischen Küste beziehungs­weise entlang der Ost­küste der italischen Halbinsel fanden. Daher sollten vor allem jene Forscher, die in der östlichen Cisalpina, an der Westküste der Adria, in Dalmatien und auf den dalmatinischen Inseln tätig sind, ihren Blick schärfen für Importgüter, die aus dem Ostalpenraum über die Glocknerroute sowie aus dem östlichen Mitteleuropa über die Bernsteinroute in den Süden gelangt sein könnten.

Mit der istrischen Halbinsel hat Polybios den östlichsten Punkt seiner Erkundungsreise durch die Cisalpina erreicht und ist offensichtlich entlang der westlichen Adriaküste nach Italien zurückgekehrt. Auch dieser Teil seiner Reise verdiente eine Untersuchung ebenso wie seine Anreise durch die westliche Cisalpina. Ein solches Unterfangen bleibt jedoch den italienischen Kollegen vorbehalten, weil es außerhalb jenes Forschungsgebietes liegt, das von Österreich aus kompetent erfasst werden könnte.


Literaturliste

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Harl 2012: O. Harl (Hrsg.), Die Glocknerroute zwischen Keltenfürsten und Fürstbischöfen, Zentraleuropäische Archäologie 3, Wien 2012 (in Druck).

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Radt 2006: St. Radt (Hrsg.), Strabons Geographika V, Kommentar zu Buch 1–4, Göttingen 2006.

Radt 2007: St. Radt (Hrsg.), Strabons Geographika VI, Kommentar zu Buch 5–8, Göttingen 2007.

Theiler, Erläuterungen 1982: W. Theiler, Poseidonios. Die Fragmente, Bd. 2. Erläuterungen, Berlin, New York 1982.

Theiler, Texte 1982: W. Theiler, Poseidonios. Die Fragmente, Bd. 1. Texte, Berlin, New York 1982.

Vedaldi Iasbez 1994: V. Vedaldi Iasbez, La Venetia orientale e l’Histria. Le fonti letterarie greche e latine fino alla caduta dell’Impero Romano d’Occidente, Roma 1994.

Walbank 1972: F. W. Walbank, Polybius, Berkeley, Los Angeles, London 1972.

Walbank 1979: F. W. Walbank, A Historical Commentary on Polybios III, Oxford 1979.

 

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Tafel 13

Tafel 14

Tafel 15

Tafel 16



[1] Harl 2012.

[2] G. Walser, Summus Poeninus. Beiträge zur Geschichte des Großen St. Bernhard-Passes in römischer Zeit (Historia Einzelschr. 46), Wiesbaden 1984; ders., Der Jupiter-Tempel auf dem Großen St. Bernhard, in: G. Walser (Hrsg.), Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit (Historia Einzelschr. 86), Stuttgart 1994.

[3] K. Gschwantler, Die figürlichen Bronzen vom Hochtor, in Harl 2012.

[4] Dazu Harl 2012.

[5] Im Jahre 1853, also vier Jahre bevor er auf der Missoria-Alm die Felsinschriften entdeckte, schrieb Theodor Mommsen mit geradezu prophetischem Weitblick: „Dass in das Alpenland die Schrift von dem nächsten civilisirten Volk, also den Etruskern, gebracht ward, ist sehr natürlich“: Th. Mommsen, Die Nordetruskischen Alphabete auf Inschriften und Münzen, Mitt. der antiquarischen Ges. in Zürich 7 (1853) 201 (non vidi). Zitat nach St. Schumacher, Die rätischen Inschriften — Geschichte und heutiger Stand der Forschung, Budapest 22004, 23. Obwohl die Namensritzungen schon seit 1857, dem Jahr ihrer Entdeckung durch Theodor
Mommsen, der Wissenschaft Rätsel aufgeben, ist die Stelle archäologisch noch nicht untersucht worden.

[6] CIL V 708; Inscr. It. 10, 04, 325.

[7] Strab. 5.1.8 (für den vollständigen Text siehe unten). Dazu Radt 2007, 17: „ ... von den Polybiosherausgebern seltsamerweise übersehen ...“.

[8] Die antiken Nachrichten zum Timavon sind von Vedaldi Iasbez 1994, 160–177 gesammelt und ausgewertet. Da hier griechische Autoren im Vordergrund stehen (Strabo, Polybios), wird der griechische Name — τὸ Τίμαυον — für dieses Karstphänomen verwendet und nicht sein lateinisches Pendent Timavus. Zur Lokalisierung des Timavon Serv. in Verg. Aen. 2.244–246: Timavus autem in Histria est inter Aquileiam et Tergestum und zum Getöse des aus den Felsen heraussprudelnden Wassers Verg., Aen. 1.244ff. mit lautmalerischem Gebrauch des Konsonanten m: ... fontem superare Timavi / unde per ora novem vasto cum murmure montis / it mare proruptum et pelago premit arva sonanti.

[9] G. E. F. Chilver, Strabo and Cisalpine Gaul: An Anachronism, JRS 28 (1938) 128 zu Strab. 5.1.11: „The whole chapter on Cisalpine Gaul, though valuable to us, was out-of-date when written.“

[10] D. Dueck, Strabo of Amasia. A Greek Man of Letters in Augustan Rome, London 2000, 181f. Über Strabos Aufenthalt in Rom Dueck a.O. 85f. und über seine sichtliche Distanz zur lateinischen Sprache Dueck a.O. 88–96.

[11] J. Engels, Ἄνδρες ἔνδοξοι or ’men of high reputationʻ in Strabo’s Geography, in: D. Dueck u.a. (Hrsg.), Strabo’s Cultural Geography. The Making of a Kolossourgia, Cambridge 2005, 130f.

[12] In 2.5.11 sagt Strabo, dass er nur die östlichen Gebiete des Römischen Reiches kennen gelernt habe und dass er sich für die nicht aufgesuchten Gegenden auf Nachrichten aus zweiter Hand stütze. Seiner Reisetätigkeit hat D. Dueck, Strabo of Amasia. A Greek Man of Letters in Augustan Rome, London 2000, 15–30 ein ganzes Kapitel und eine Karte gewidmet, wie wenig aber wirklich zu eruieren ist, hat Clarke 1999, 240–242 aufzuzeigen versucht.

[13] Die Verwendung des Ozeanwerkes von Poseidonios durch Strabo hat Theiler, Erläuterungen 1982, 34 auf den Punkt gebracht: „Es fällt auf, dass Poseidonios — wie auch in den späteren Strabobüchern — oft mehr als Träger einer Variante, nicht ungern am Ende eines Kapitels erscheint, als ob Strabo, nachdem er der geographischen Hauptquelle gefolgt war, noch in das Ozeanwerk des Poseidonios blickte.“ Bei der Beschreibung des Timavon wollte Strabo besonders informativ sein und nannte zwei Gewährsmänner, hat aber nicht wahrgenommen, dass sich auch Poseidonios der Informationen des Polybios bediente.

[14] Engels 1999, 348 und 357.

[15] Allgemein behandelt sind derlei chronological markers, mit denen ein unbestimmter Zeitpunkt der Vergangenheit mit Strabos Gegenwart in Beziehung gesetzt werden soll, von Clarke 1999, 255–259.

[16] Radt 2002, XV unter Bezug auf W. Aly, Strabon von Amaseia. Untersuchungen über Text, Aufbau und Quellen der Geographikai, Bonn 1957: Das „Fehlen von Strabons letzter Hand“, aber auch eine „Unsorgfältigkeit bei der Verarbeitung seiner Notizen“ zeigt, dass Strabons Werk wohl erst nach seinem Tode veröffentlicht worden ist. In diesem Sinne zusammenfassend auch Engels 1999, 38. Nach F. Lasserre (DKP 5, München 1975, 381–385 s.v. Strabo) verwendet Strabo für jeden Teil seines Werkes eine kleine Zahl von Handbüchern, die er durch passende Zitate ergänzt. Daraus ergibt sich eine große Ungleichmäßigkeit der Bücher, die „oft eher Absicht und Stil ihrer Quellen widerspiegeln als seine eigenen“. Lasserre meint, dass die Bücher 3–6 im Jahre 18 v. Chr. abgeschlossen waren.

[17] Die Phrase, die zwischen den von illyrischen Völkern nach Aquileia transportierten Gütern und dem von den Alpen kommenden Fluss steht und dort die Aussage unverständlich macht, wurde hierher vorgezogen, weil sie von den zuvor genannten Städtchen zur Beschreibung von Aquileia überleitet.

[18] Harl 2012.

[19] Polyb. 28.6.9.

[20] Vell. Pat. 1.13.3: ... quippe Scipio tam elegans liberalium studiorum omnisque doctrinae et auctor et admirator fuit, ut Polybium Panaetiumque, praecellentes ingenio viros, domi militiaeque secum habuerit. Der Kreis um den jüngeren Scipio erlangte solche Berühmtheit, dass er von Cicero grex Scipionis genannt wurde (Cic. De amic. 69). Siehe dazu Astin 1967, 294–306, der die neuzeitlichen Bewertungen dieses Kreises griechischer und römischer Gei­stesgrößen um Scipio Aemilianus für überzogen hält.

[21] Polyb. 3.59.7.

[22] Polyb. 3.6–9.

[23] Der Begriff meint Erkundung vor Ort, Sichtung und Aufzeichnung in Einem, entspricht der ἱστορία des Herodot und nennt einige der Themen, die das besondere Interesse des Polybios weckten: Städte, Orte, Gegenden, Flüsse, Häfen, Besonderheiten zu Wasser und zu Lande und Entfernungen, Polyb. 12.25e.1: τὸν αὐτὸν δὴ τρόπον καὶ τῆς πραγματικῆς ἱστορίας ... δὲ τοῦ περὶ τὴν θέαν τῶν πόλεων καὶ τῶν τόπων περί τε ποταμῶν καὶ λιμένων καὶ καθόλου τῶν κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλατταν ἰδιωμάτων καὶ διαστημάτων ... Zum Begriff als solchem siehe C. Darbo-Peschanski, L’Historia. Commencements grecs, Paris 2007.

[24] Polyb. 12.27.3: διὰ τῆς ἀκοῆς.

[25] Dazu Clarke 1999, 85 f.; 91f.

[26] Polyb. 12.24.4: ... ὅτι τὰ μὲν ἐκ τῶν βυβλίων δύναται πολυπραγμονεῖσθαι χωρὶς κινδύνου καὶ κακοπαθείας.

[27] Man müsse aber vorsichtig sein, weil der Fragende gleichviel zum Interview beitrage wie der Antwortende (Polyb. 12.28a.9–11) — ein hochmoderner Aspekt.

[28] Polyb. 4.39.11. Nach Walbank 1972, 127 dürfte das soziale Element der Grund gewesen sein, warum Polybios u.a. die Berichte des Pytheas von Marseille, der mit seinem Schiff wahrscheinlich um 325 v. Chr. bis an den Polarkreis vorstieß (das Datum nach Meister 1990, 195), ins Lächerliche zog, indem er ihn als geschwätzigen Kauffahrer abwertete (Polyb. 34.5.2–4).

[29] AE 1994, 671 = lupa 16907: Berufsbezeichnung auf einer spätrepublikanischen Inschriftstele aus Aquileia: C(aio) Licinio C(ai) l(iberto) | Pilomuso / merkatori(!) Trans|alpino | C(aius) Licinius Andero l(ibertus) vivos(!) fecit sibi | et patrono loc(us) | p(edum) q(uadratorum) XVI .

[30] Polyb. 3.36.1–4: ... ἐπὶ δὲ τῶν ἀγνοουμένων εἰς τέλος ὁμοίαν ἔχει τὴν δύναμιν ἡ τῶν ὀνομάτων ἐξήγησις ταῖς ἀδιανοήτοις καὶ κρουσματικαῖς λέξεσι. τῆς γὰρ διανοίας ἐπ᾽ οὐδὲν ἀπερειδομένης οὐδὲ δυναμένης ἐφαρμόττειν τὸ λεγόμενον ἐπ᾽ οὐδὲν γνώριμον, ἀνυπότακτος καὶ κωφὴ γίνεθ᾽ ἡ διήγησις ...

[31] Strab. 4.2.1.

[32] So naiv, wie sie wirken mag, ist die Frage des Scipio nicht, denn immerhin gehörten die Täler von Rhone, Garonne und Loire zu jenen Handelsrouten, auf denen, wie Diodor an mehreren Stellen berichtet, aus Britannien kommendes Zinn die Mittelmeerküste erreichte.
G. Dobesch, Wassergrenzen und Wasserwege aus urgeschichtlicher und römischer Sicht, in: C. von Carnap-Bornheim, H. Friesinger (Hrsg.), Wasserwege: Lebensadern — Trennungslinien, Neumünster 2005, 20–28 mit älterer Literatur meint, dass die Einheimischen mit ihrer gespielten Unkenntnis einen Zugriff des Scipio auf ihren ertragreichen Zinnhandel abwehren wollten. Dass über die genannten Orte britannisches Zinn ins Land kam und für Wohlstand sorgte, war damals aber wohl jedem bekannt.

[33] Polyb. 34.15.7 = Plin. n.h. 5.9: Scipione Aemiliano res in Africa gerente Polybius
annalium conditor, ab eo accepta classe scrutandi illius orbis gratia circumvectus, prodidit a monte eo ad occasum versus saltus plenos feris, quas generat Africa, ad flumen Anatim CCCCLXXXXVI, ab eo Lixum CCV.
Trotz ihrer Kürze entspricht die Nachricht dem, was wir immer wieder als Interessensgebiete des Polybios wahrnehmen, das sind Berge und Täler, Flüsse, wilde Tiere (und nicht Fische!), Richtungen und Entfernungen. Sieht man sich im
Thesaurus Linguae Latinae das Bedeutungsfeld von circumvehi an, dann gewahrt man in Sp. 1178, dass es neben der Fortbewegung per Schiff auch für jene über Land verwendet wird (equis, equitibus) und in dieser Hinsicht vor allem bei Livius beliebt ist.

[34] Im Thesaurus Linguae Latinae sind unter „Classis I — copiae pedestres“ eine größere Zahl von Belegstellen angeführt, aus denen eindeutig hervorgeht, dass classis nicht nur eine nautische Einheit bezeichnen konnte. Als ältestes Beispiel von diesen sei das bei Gell. 10.15.4 überlieferte Testimunium zu Fabius Pictor angeführt ... (item religio est) classem procinctam extra pomerium videre, zu dem Gellius nachdrücklich hinzufügt id est exercitum armatum.

[35] Polyb. 31.13.3.

[36] Polyb. 31.29.1–9, dazu Walbank 1972, 33.

[37] Ps. Lucian, Macrob. 23. Der Autor der Macrobioi wird allerdings nicht als besonders zuverlässig eingestuft.

[38] Strab. 2.4.2.

[39] Polyb. 3.59.3: ... ἐν δὲ τοῖς καθ᾽ ἡμᾶς ... διὰ τὴν Ῥωμαίων ὑπεροχὴν σχεδὸν ἁπάντων πλωτῶν καὶ πορευτῶν γεγονότων ...

[40] G. Traina, Ambiente e paesaggi di Roma antica, Roma 1990, 53: „Catone e Polibio
sono due momenti separati, ma complementari per definire il ruolo dell’Urbe come centro dell’oikoumene.“

[41] Clark 1999, 210–244 mit der programmatischen Kapitelüberschrift „Strabo’s Circular Model: A World Built Around Rome?“.

[42] Über die Funktion, in der Scipio unter L. Licinius Lucullus, dem Konsul dieses Jahres, in Spanien tätig war, herrscht in den Quellen Uneinigkeit. Astin 1967, 46 folgt der zuverlässig­sten Nachricht bei Liv. Epit. 48 und hält ihn für einen tribunus militum.

[43] Polyb. 3.48.12: ἡμεῖς δὲ περὶ τούτων εὐθαρσῶς ἀποφαινόμεθα διὰ τὸ περὶ τῶν πράξεων παρ᾽ αὐτῶν ἱστορηκέναι τῶν παρατετευχότων τοῖς καιροῖς, τοὺς δὲ τόπους κατωπτευκέναι καὶ τῇ διὰ τῶν Ἄλπεων αὐτοὶ κεχρῆσθαι πορείᾳ γνώσεως ἕνεκα καὶ θέας.

[44] Polyb. 2.14–16.

[45] Siehe oben unter Strab. 5.1.8 — Zweiter Teil.

[46] Pseudo -Skylax , Periplus, ed. K. Müller, Geographi Graeci Minores I, Paris 1855.

[47] F. Jacoby, FGrHist, Leiden 1923ff., T5c.

[48] Meister 1990, 69.

[49] Gesandtschaft 186 v. Chr.: Liv. 39, 22, 6–7; Gesandtschaft 183 v. Chr.: Liv. 39, 45, 5–7; Gesandtschaft 170 v. Chr.: Liv. 43, 1–10.

[50] Strab. 4.6.12.

[51] Dem Problemkreis Recruitment and Manpower zwischen 169 und 133 v. Chr. hat Astin 1967, 167–174 ein eigenes Kapitel gewidmet.

[52] Strab. 4.6.12.

[53] Harl 2012. Da sich die Drucklegung der Hochtorpublikation wegen eines Wechsels des Herausgebers um rund drei Jahre verzögerte, hat Wolfgang Vetters seinen Beitrag inzwischen veröffentlicht: W. Vetters, Wo lag das Gold der norischen Taurisker? Eine Neuinterpretation eines Textes von Strabon/Polybios aus geologischer Sicht, RÖ 33 (2010) 123–139. Der Ansatz, die norischen Taurisker über die von Polybios/Strabo beschriebenen Goldfunde zu lokalisieren, hat jüngst ein bemerkenswertes Ergebnis erbracht: A. Pichler, P. Gleirscher, Zum Goldreichtum der „norischen Taurisker“ — Lagerstätten versus antike Quellen, AKorrBl 41 (2011) 51–63 haben festgestellt, dass „Strabon durch eine entsprechende Veränderung des Tauriskerbezuges im Text des Polybios die letztlich bescheidenen norischen bzw. ostalpinen Goldvorkommen mit den reichen Goldlagerstätten im Bereich der Westalpen vertauscht bzw. verwechselt hat“ (S. 54). Leider ist den Autoren der unumstößliche Beweis für die Richtigkeit ihrer Erkenntnis entgangen: Die Unauffindbarkeit von Noreia. Denn da das Gold der Taurisker in den florierenden Goldscheidereien (χρυσιοπλύσια εὐφυῆ) von Noreia verarbeitet wurde, muss diese Stadt ebenfalls in den Westalpen liegen. Sie in der Steiermark, in Slowenien oder gar in Kärnten zu suchen, konnte daher nur ergebnislos enden.

[54] Strab. 3.2.8.

[55] Strab. 4.6.7.

[56] Strab. 4.2.1. Für die Stelle wird von Theiler, Texte 1982, 51 F 31 Poseidonios als Autor in Anspruch genommen, was nicht ausschließt, dass sich dieser auf Polybios stützt, der ebenfalls die Narbonitis bereist hat. Es handelt sich um das Gold, das bei den Tarbellern gefunden wurde und dessen Gewinnung und Aufbereitung in der Beschreibung ausgesprochen jener gleicht, die Polybios von den Tauriskern bietet. Die Beziehung des Strabo und seiner Gewährsmänner zur Goldgewinnung verdiente eine gesonderte Untersuchung.

[57] Harl 2012.

[58] Zuletzt z. B. M. Šašel Kos, Appian and Illyricum, Ljubljana 2005, 522: „Something is wrong with Strabo’s data about Noreia, since no river exists that would have connected Aqui­leia with any town at a distance of 1200 stades.“

[59] Strab. 5.1.4: ὁμοεθνεῖς εἰσί.

[60] Strab. 5.1.12.

[61] Nach Flav. Ios., Ant. 16.4 suchte Herodes d. Gr. im Jahr 12 v. Chr. mit seinen beiden Söhnen Augustus in Aquileia auf. Nach Suet. Tib. 7 gebar Julia, die Tochter des Augustus, in Aquileia einen Sohn, der noch im Kindesalter starb. Im Hinterland von Aquileia sind als greifbarer Hinweis auf die Existenz dieser Landgüter überdurchschnittlich viele Mitglieder der kaiserlichen familia inschriftlich nachweisbar. Nach Plin. n.h. 14.6.18 führte Livia ihr hohes Lebensalter auf den Genuss des Puciner Weins zurück, der in der Nähe des Timavon — wohl auf ihrem dortigen Landgut — wuchs: Iulia Augusta LXXXVI annos vitae pucino vino rettulit acceptos, non alio usa gignitur in sinu hadriatici maris non procul Timavo fonte saxoso colle, maritimo adflatu paucas coquente amphoras. Zur Beziehung des Augustus und der Livia zu Aquileia zusammenfassend und mit älterer Literatur J. Šašel, Iuliae Alpes, in: R. Bratož,
M. Šašel Kos (Hrsg.), Jaroslav Šašel. Opera Selecta, Ljubljana 1992, 432–449.

[62] Liv. 40.34.2 (Gründung) und 43.17.1 (nachträgliche Verstärkung mit Kolonisten).

[63] Ein besonders gutes Beispiel dafür ist Strab. 4.6.1, weil dort beide Formulare, das übliche zweiteilige und das zweiteilige mit πρός/ἐπί + Dativ erweiterte, nebeneinander stehen, ohne dass ein inhaltlicher Unterschied zu erkennen wäre: στάδιοι δ’ εἰσὶ μεταξὺ Γενούας καὶ Σαβάτων διακόσιοι πρὸς τοῖς ἑξήκοντα· μετὰ δὲ τριακοσίους πρὸς τοῖς ἑβδομήκοντα Ἀλβίγγαυνόν ἐστι πόλισμα͵ οἱ δ’ ἐνοικοῦντες Λίγυες Ἴγγαυνοι καλοῦνται· ἐντεῦθεν δ’ εἰς Μονοίκου λιμένα τετρακόσιοι καὶ ὀγδοήκοντα. Dazu 4.6.7 ... τῶν μὲν οὖν ἄλλων σωμάτων τρεῖς μυριάδες ἐξητάσθησαν ἐπὶ τοῖς ἑξακισχιλίοις. Dazu Radt 2006, 471: „Wenn eine Zahl in der Form A πρὸς/ἐπὶ τοῖς B ausgedrückt wird, sollte B eigentlich die Größere der beiden Komponenten sein ... und so ist es in weitaus den meisten Fällen bei Strabon ... Hier aber ist B ... die kleinere Zahl ... und offenbar ist in diesen Fällen die ursprüngliche Bedeutung dieser Ausdrucksform vergessen ... worden. Somit entspricht die Formulierung διακοσίων σταδίων ἐπὶ τοῖς χιλίοις εἰς Νωρηίαν πόλιν dem strabonischen Zahlengebrauch.“

[64] G. Alföldy, Noricum, London 1974, 48f.: „... travelling first along a river, but then over an Alpine pass“.

[65] Aus diesem Grund wird nach ἐμπόριον allgemein ein τοῖς τε Ἑνετοῖς καί, das in den Handschriften fehlt, ergänzt. Obwohl damit eine Parallelisierung zu der folgenden Gabel οὗτοι ἐκεῖνοι hergestellt ist, wurde die Konjektur in der neuesten Straboausgabe weggelassen: Radt 2003, 15.

[66] Bei Plin. n.h. 3.126 Tiliaventus.

[67] Hier möchte ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und, wie in Anm. 13 angedeutet, annehmen, dass auch diese Beobachtung auf Polybios zurückgeht. Denn wie aus der Sammlung der Fragmente durch Theiler, Texte 1982 zu erkennen ist, hat Strabo für Oberitalien wohl deshalb nicht auf Poseidonios zurückgreifen können, weil in dessen Ozeanwerk wenig Merkwürdiges über dieses Gebiet zu finden war, und auch die Adria scheint Poseidonios nicht bereist zu haben. Seine Schilderung der Asphaltmine von Apollonia bei Strab. 7.2.2 ist kein Gegenbeweis, weil die Geschichte vom nachwachsenden Asphalt nach Theiler, Erläuterungen 1982, 52 und 58 (F 46) älter ist und auf einen Gewährsmann zurück gehen wird. Wenn also ein Besuch des Timavon und somit eine Autopsie der Karstquelle durch Poseidonios fraglich wird, bleibt als die wahrscheinlichste Erklärung, dass Polybios am Timavon auch erhoben hat, dass der Timavusfluss (mask.) in den Bergen in einem Schlund verschwindet, über 130 Stadien unterirdisch fließe und beim Timavon (neutr.) ins Meer münde. Aus der Chorographia des Polybios übernahm Poseidonios dieses Faktum in sein Werk „Über den Ozean“, und von dort gelangte es, wie so vieles aus der Feder des Poseidonios, in die Geographikai des Strabo.

[68] Strab. 7.2.2: Φησὶ δὲ (= Poseidonios) καὶ Βοίους τὸν Ἑρκύνιον δρυμὸν οἰκεῖν πρότερον, τοὺς δὲ Κίμβρους ὁρμήσαντας ἐπὶ τὸν τόπον τοῦτον, ἀποκρουσθέντας ὑπὸ τῶν Βοίων ἐπὶ τὸν Ἴστρον καὶ τοὺς Σκορδίσκους Γαλάτας καταβῆναι, εἶτ᾽ ἐπὶ Τευρίστας καὶ Ταυρίσκους, καὶ τούτους Γαλάτας, εἶτ᾽ ἐπὶ Ἑλουηττίους, πολυχρύσους μὲν ἄνδρας εἰρηναίους δέ ...

[69] Strab. 4.6.9: μέχρι μὲν γὰρ δεῦρο ἀπὸ τῆς Λιγυστικῆς συνεχῆ τὰ ὑψηλὰ τῶν Ἄλπεων διέτεινε καὶ ἑνὸς ὄρους φαντασίαν παρεῖχεν͵ εἶτ’ ἀνεθέντα καὶ ταπεινωθέντα ἐξαίρεται πάλιν εἰς πλείω μέρη καὶ πλείους κορυφάς. Die Vorstellung, dass sich die Alpen gegen Osten zu breiter auffächern, ist nicht falsch, der Zusammenhang, in dem dies gesagt wird, ist jedoch konfus und bedürfte einer eingehenden Untersuchung.

[70] Es sollten zweitausend Jahre vergehen, bis Carl von Linné die Grundlagen der modernen zoologischen Taxonomie schuf, und dennoch konnte dieser keinen präziseren Namen finden als Polybios, denn ἐλαφοειδές ist nichts anderes als das griechische Muster, nach dem lat. Cervide gebildet ist, das heißt zur Familie der Hirsche gehörig (was im zoologisch-systematischen Sinne für Polybios falsch ist).

[71] Polyb. 34.10.8f. = Strab. 4.6.10: φησὶ δὲ Πολύβιος καὶ ἰδιόμορφόν τι γεννᾶσθαι ζῶιον ἐν αὐταῖς ἐλαφοειδὲς τὸ σχῆμα πλὴν αὐχένος καὶ τριχώματος͵ ταῦτα δ’ ἐοικέναι κάπρωι͵ ὑπὸ δὲ τῷ γενείῳ πυρῆνα ἴσχειν ὅσον σπιθαμιαῖον ἀκρόκομον͵ πωλικῆς κέρκου τὸ πάχος. Die Identifizierung des Tieres hängt an dem Substantiv πυρῆν = Kern, Korn, Stein. Da das in der engeren Wortbedeutung keinen Sinn ergibt, ist im Lexikon von H. Liddell und R. Scott (Oxford 91996) 1556 s.v. πυρῆν mit „name of a gem“ übersetzt. Mit unzutreffendem Verweis auf Caes. b.g. 6.27 hält Walbank 1979, 612 das Tier für einen Elch (cervus alces), was ausgeschlossen ist, da Elche nicht in den Alpen leben. — Radt 2002, 547 übersetzt „ ... etwa spannenlangen, an der Spitze behaarten Knochen ... “

[72] Wenn man die Bedeutung von πυρήν = Kern, Korn, Stein als Inneres einer Nuss, eines Granatapfels etc. etwas weiter fasst, dann ließe sich damit die Vorstellung von einem Objekt verbinden, das einen harten Kern hat. Im Falle des Alpentieres entspräche das unschwer einem dichten und daher steifem Haarbüschel. Wahrscheinlich haben wir es hier mit einem Begriff aus der Sprache der griechischen Jäger zu tun, die man wohl noch nicht als Jägerlatein bezeichnen darf.

[73] Der alpine Steinbock (capra ibex) lebt von der Waldgrenze an aufwärts und steigt zum Fressen auf alpine Wiesen herab. Das gebogene und eindrucksvolle Gehörn der Böcke kann eine Länge von 100 cm erreichen. Claudio Sigler vom Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden, der sich mit den Graubündner Steinwildpopulationen aus wildbiologischer Sicht beschäftigt, teilt mit, dass seiner Ansicht nach das von Polybios beschriebene Tier „sehr nach Alpensteinbock aussieht, genauer gesagt, nach einem ausgewachsenen männlichen Tier, denn nur diese haben einen dicken, langen Kinnbart.“ Vom Aussehen kämen allenfalls noch Gämsen in Frage, die aber wesentlich scheuer sind als die Steinböcke und unter dem Kinn keinen Bart haben. Für Rat und Hilfe sei Frau Dr. Karoline Schmidt vom Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien gedankt.

[74] Der sogenannte Alpenexkurs umfasst das gesamte Kapitel 4.6 und würde eine gesamtheitliche Interpretation nach naturkundlichen, geographischen, historischen und archäologischen Aspekten verdienen.

[75] Zu Recht attestiert Radt 2006, 488 an dieser Stelle die „ungeschickte Einordnung einer Notiz durch den Herausgeber“.

[76] Strab. 5.1.8.

[77] Wie die Tagung „Le aree montane come frontiere e/o come spazi di interazione e connettività“ (Udine, 10.–12. Dez. 2009) zur Verteilung der Fundmünzen in Oberfriaul und zur allenfalls saisonalen Gangbarkeit des Fellatales gezeigt hat, kommen für die Verbindung in den ostalpinen Zentralraum nur der Plöckenpass und im besten Fall noch einige seiner Nebenpässe in Frage. Das Kanaltal scheidet bis in die Kaiserzeit wirklich aus.

[78] CIL V 1863; lupa 11293; R. Egger, Römische Antike und frühes Christentum I,
Klagenfurt 1962, 200; G. Bandelli, Le iscrizioni rupestri del passo di Monte Croce Carnico. Aspetti generali e problemi testuali: L. Gasperini (Hrsg.), Rupes Loquentes, Atti del convegno internaz. di studio sulle iscrizioni rupestri 1989, Rom u. Bomarzo 1992, 151–205; R. Gietl, in: E. Walde, G. Grabherr (Hrsg.), Via Claudia Augusta und Römerstraßenforschung im Alpenraum, Inns­bruck 2006, 416 Abb. 7; Mainardis 2008, 99 Nr. 10 (2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.): [I(ovi) O(ptimo)] M(aximo) / [Triviis Quadri]viis ceterisque dibu[s] / [a]ram c[u]m [signo] sollemne votum di[c(avit)] / Hermias succeptor operis aeterni /5 titulum immanem montem Alpinum / ingentem litteris inscripsit quot saipe(!) / invium commiantium periclitante / populo ad pontem transitum non / placuit curiae et Attio Braetiano /10 q(uaestore) eorum viro ornato viam nov(am) / demonstrante Hermia mult(um) ani/mis fide(n)s / operisque paratus una/nimes omnes hanc viam explicuit.

[79] Ptol. 2.11.3; 2.14.1. Nach P. Anreiter, M. Haslinger, U. Roider, The Names of the Eastern Alpine Region mentioned in Ptolemy, in: D. N. Parsons, P. Sims-Williams (Hrsg.), Ptolemy. Towards a linguistic atlas of the earliest Celtic place-names of Europe, Aberystwyth 2000, 132f. steckt in κέτιον die keltische Wurzel *kaito-, Wald, nicht landwirtschaftlich genutztes Land.

[80] Venant. Fort., Vita Sancti Martini 4.651.

[81] Ptol. 3.1.1: ἡ Ἰταλία περιορίζεται … καὶ τῷ Καρουσαδίῳ ὄρει τῷ ὑπὸ τὸ Νωρικόν ... Siehe dazu die Diskussion bei Vedaldi Iasbez 1994, 94–95.

[82] D. Schürr, Namen am Nordrand der Alpen. Die ältesten literarischen Zeugnisse zur Sprachengeschichte des Tiroler Raumes und überlebende Toponyme, Ladinia 30 (2006) 145–184. Zu Strabo 4.6.11 ... ὧν ἐστι τό τε Ἀπέννινον ὄρος τὸ λεχθὲν καὶ τὸ Τοῦλλον καὶ Φλιγαδία͵ τὰ ὑπερκείμενα τῶν Oὐινδολικῶν ... Schürr a.O. 160 f. Schürr meint a.O. 180, dass sich in Tirol einige Hundert vorrömischer Namen erhalten haben und durch einen zweimaligen Sprachwechsel (zuerst Romanisch, dann Germanisch, Schürr a.O. 148) von einer ununterbrochenen Kontinuität zeugen.

[83] Anreiter, Haslinger, Roider, Names (o. Anm. 79) 121f. s.v. Καρνους und 131f. s.v. Καρουαγκας.

[84] Wahrscheinlich findet der ursprünglich venetische Name für Plöckenpass und Südalpen seinen Nachhall noch in der Nachricht des Amm. Marc. 31.16.7, dass die Iulischen Alpen
ursprünglich, also vor Caesar, Alpes Venetae geheißen hätten: Gothi ... ad usque radices Alpium Iuliarum, quas Venetas appellabat antiquitas ...

[85] Zur Bedeutung von Iulium Carnicum an der Fuge zwischen Venetern und Tauriskern im 2. Jh. v. Chr. siehe O. Harl, Der Verlauf der Glocknerroute, in Harl 2012.

[86] Ptol. 2.14.1.

[87] Strab. 4.6.10: ... ἡ δ’ Ὄκρα τὸ ταπεινότατον μέρος τῶν Ἄλπεών ἐστι ... und Plin 3.131: ... in hoc situ interiere ... ex Venetis Atina et Caelina, Carnis Segesta et Ocra, Tauriscis Noreia.

[88] Plin. n.h. 3.133: Incolae Alpium multi populi, sed inlustres a Pola ad Tergestis regionem Fecusses, Subocrini, Catali, Menoncaleni iuxtaque Carnos quondam Taurisci appellati, nunc Norici.

[89] CIL I 12, S. 49; Inscr. It. 13.1 S. 84–85 Fragm. 36. Dazu siehe auch F. Càssola,Le popolazioni preromane del Friuli nelle fonti letterarie, AAAd 15 (1979) 83–112 und G. Bandelli,Veneti e Carni dalle origini alla romanizzazione, in: G. Bandelli, F. Fontana (Hrsg.), Iulium Carnicum. Centro alpino tra Italia e Norico dalla protostoria all’età imperiale (Studi e Ricerche sulla Gallia Cisalpina 13), Roma 2001, 13–38.

[90] CIL V 1839. Die Bronzeplatte mit Ehreninschrift für C. Baebius Atticus aus Iulium Carnicum, die bisher den Saevati und Laianci zugewiesen wurde, ist nach Neulesung durch C. Zaccaria (Suppl. Ital. 12, 120–121 mit Photo und Umzeichnung) von den Iulienses gesetzt: [Caio Ba]eb[io Publi filio Claudia Att]ico [IIviro iure dicundo primo pilo] legionis V [Macedonicae praefecto ci]vitat[ium Moesiae et Treballi]ae pr[aefecto civitatium in Alpibus M]arit[umis tribuno militum cohortis VIII praetoriae pr]imo pi[lo iterum procuratori Tiberi Claudi] Caesar[is Augusti Germanici] in Nori[co Iuli]enses pu[blice] fe[cerunt].

[91] E. Ghislanzoni, Iscrizioni confinarie incise su roccia scoperte nel Bellunese,
Athenaeum 16 (1938) 276–290: Fin(es) | Bel(lunatorum) Iul(iensium); E. Buchi,Le iscrizioni confinarie del monte Civetta nel Bellunese, in: L. Gasperin (Hrsg.), Rupes Loquentes, Atti del convegno internazionale di studio sulle iscrizioni rupestri di età romana in Italia 1989, Roma 1992, 117–149.

[92] Steph. Byz. ed. A. Meineke (Berlin 1849 [Nd. Graz 1968]) p. 424, 14: Μαγιστρική, χώρα τῶν Ταυρίσκων πρὸς τὰ Ἄλπεια ὄρη. oἱ οἰκήτορες Μαγίστρικες, οἳ τοῖς Γερμανοῖς ὁμοροῦσιν. Dazu H. Graßl, Zur Pagus-Organisation im antiken Alpenraum, in: F. Beutler, W. Hameter (Hrsg.), Eine ganz normale Inschrift... Festschrift Ekkehard Weber, Wien 2005, 63–65.

[93] Graßl blickt auf die Votivsäule aus dem Latobiusheiligtum auf dem Burgstall bei St. Margarethen im Lavanttal mit der Aufschrift Maromogio pag(i) mag(istri) v.s.l.m. (siehe vorige Anm.; lupa 8695) und verlegt die μαγιστρικὴ χώρα ins Lavanttal, was allein schon an seiner widersprüchlichen Übersetzung von πρὸς τὰ Ἄλπεια ὄρη scheitert: Auf Seite 63 ist die μαγιστρικὴ χώρα „ ... ein Landbezirk der Taurisker im (!) Alpenraum“, auf Seite 64 ist sie dagegen: „ ... ein Land der Taurisker an (!) den Alpen“. Im ersten Fall ist die Übersetzung von πρός + Richtungsakkusativ falsch, im zweiten stimmt zwar die Übersetzung einigermaßen (korrekt wäre: in Richtung auf die Alpen), nicht aber die Geographie, weil das Lavanttal von bis zu 2400 m hohen Bergen umgeben ist. Offen bleibt in beiden Fällen die Nachbarschaft zu Germanen.

[94] M. Šašel Kos, Appian and Illyricum, Ljubljana 2005, 525: „ ... the name of the Taurisci seems to have disappeared“.

[95] Die Beweisführung dazu findet sich in Harl 2012. Was mit den Tauriskern danach geschah und wie die Noriker an ihre Stelle treten konnten, soll in einem geplanten zweiten Band ausgeführt werden.

[96] Zur Salzversiedung in Reichenhall siehe Harl 2012.

[97] Strab. 4.2.1.

[98] G. Dobesch, Das europäische „Barbaricum“ und die Zone der Mediterrankultur, Wien 1995, 52 hat das in Bezug auf die Einstufung der Kimbern als Galli treffend formuliert: „Den Germanenbegriff gab es damals noch nicht, und so ordneten die Römer sie (i.e. die Kimbern) in den Zusammenhang ein, der ihnen — auch wegen der neuen tödlichen Bedrohung vom Kontinent her wie schon einst durch die Gallier aus dem Inneren Europas — der Nächstliegende war und ... nannten sie Galli. Erst durch Vermittlung der Kelten seien Begriff und Gebrauch der Bezeichnung ‚Germani‘ bei den Römern der späten Republik eingedrungen.“ Siehe auch G. Dobesch, Zur Ausbreitung des Germanennamens, in: H. Heftner, K. Tomaschitz (Hrsg.), Gerhard Dobesch. Ausgewählte Schriften, Band 2: Kelten und Germanen, Köln, Weimar, Wien 2001, 995–1030.

[99] D. Timpe, RGA s.v. Germanen; Inscr. It. 13.1 p.78 und 550 mit älterer Literatur. Die Nennung von Germanen zu derart früher Zeit ist auch für Dobesch, siehe vorige Anm. 996 (mit Anm. 4) „schwer deutbar“, weshalb er sich der comunis opinio anschließt, dass sie auf eine Redaktion der Fasten unter Augustus zurückgeht, in der der Name der Gaesaten durch den der Germanen ersetzt worden sei. In diesem Sinne auch Nedoma 1995, 21 Anm. 32 und
L. Polverini, Germani in Italia prima dei Cimbri?, in: B. Scardigli, P. Scardigli (Hrsg.), Germani in Italia, Roma 1994, 1–10 (non vidi). Für die Echtheit tritt dagegen Dieter Timpe a.O. 182 ein.

[100] Liv. 21.38.8: ... nec veri simile est ea tum ad Galliam patuisse itinera; utique quae ad Poeninum ferunt obsaepta gentibus Semigermanis fuissent. Auch dies könnte eine Information sein, die auf Polybios zurückgeht.

[101] FGrHist 87 F 22 (Jacoby) beziehungsweise FGrHist 87 F 188 (Theiler) = Athen. 4.39 p.153E. Athenaios aus Attaleia war ein Schüler des Poseidonios, wurde bald nach 100 v. Chr. in Rom ein berühmter Arzt und hat unter anderem auch über die richtige Ernährung geschrieben.

[102] Strab. 4.6.8: ... οἱ μὲν οὖν ‘Ραιτοὶ μέχρι τῆς Ἰταλίας καθήκουσι τῆς ὑπὲρ Οὐήρωνος καὶ Κώμου. (καὶ ὅ γε ‘Ραιτικὸς οἶνος ... rätischer Wein), διατείνουσι δὲ καὶ μέχρι τῶν χωρίων δι’ ὧν ὁ ‘Ρῆνος φέρεται· τούτου δ’ εἰσὶ τοῦ φύλου καὶ Ληπόντιοι καὶ Καμοῦνοι.οἱ δὲ Oὐινδολικοὶ καὶ Νωρικοὶ τὴν ἐκτὸς παρώρειαν κατέχουσι τὸ πλέον μετὰ Βρεύνων καὶ Γεναύνων͵ ἤδη τούτων Ἰλλυριῶν. ἅπαντες δ’ οὗτοι καὶ τῆς Ἰταλίας τὰ γειτονεύοντα μέρη κατέτρεχον ἀεὶ καὶ τῆς Ἐλουηττίων καὶ Σηκοανῶν καὶ Βοΐων καὶ Γερμανῶν. Dazu Radt 2006, 483: „Das Chaotische dieses Abschnittes — in dem die Aufzählung von Völkern ständig durch Mitteilung über Raubzüge unterbrochen wird — erklärt sich wohl aus der Einfügung versprengter Notizen Strabos durch den Herausgeber seines Werkes.“

[103] Unter Hinweis auf die Homergläubigkeit des Strabo spricht Johannes Engels von
Homer als Strabos „Archegeten der Geographie“ und verwendet in der Nachfolge von Tonio Hölscher dessen Begriff des mythologischen Raumes, in dem Zeitangaben und Fahrtrichtungen immer unbestimmter und die Länder nach Bewohnern benannt werden, die immer weniger bekannt sind: J. Engels, Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia, Stuttgart 1999, 117. Zum „mythologischen Raum“ T. Hölscher, Die Odysse — Epos zwischen Märchen und Roman, München 1990, 135–158.

[104] Literatur bei Nedoma 1995, 52 Anm. 94 und 58 Anm. 105.

[105] Nedoma 1995, Zusammenfassung auf S. 73 f.

[106] Nedoma 1995, 61.

[107] Zusammenstellung nach Nedoma 1995, 44: I. Fischer, Les inscriptions de Würmlach sont-elles vénètes? in:Actes du 10eme Congrès International des Linguistes IV, Bukarest 1970, 685 Anm. 17; M. Lejeune, Manuel de la langue vénète, Heidelberg 1974, 151;
A. L. Prosdocimi, P. Scardigli, Negau, in: V. Pisani, C. Santoro, Italia linguistica nuova ed antica, Galatina 1976, I, 191; A. L. Prosdocimi, ebenda 221; A. L. Prosdocimi, L’iscrizione „germanica“ sull’elmo B di Negau, in: A. L. Prosdocimi (Hrsg.), Popoli e civiltà dell’Italia antica, Roma 1978, 389; M. P. Marchese, Studi sulle più antiche attestazioni del germanico, Padova 1979, 18.

[108] Nedoma 1995, 45.

[109] Daher gehen die Erklärungsversuche, die Graßl unter römisch-bürokratischem Blickwinkel unternimmt (Graßl, Zur Pagus-Organisation [o. Anm. 92], am Wesen dieser Stelle vorbei: Er vermutet die Magistrike Chora im Lavanttal, weil dort vor dem Vollausbau der städtischen Verwaltung von Norikum die „bewährte pagus-Organisation“ bestanden habe, in der die Beamtenfunktionen von magistri wahrgenommen wurden. Träfe diese Vermutung zu, dann würde man auch an den zahlreichen Orten, wo pagi, magistri oder vici nachgewiesen sind, mit der Existenz einer Magistrike Chora rechnen dürfen. Diesbezügliche Funde oder Nachweise fehlen jedoch.

[110] Der jüngste dieser Barbarenstürme, die Gallierinvasion von 186 v. Chr., die bereits in die Lebenszeit des Polybios fällt, hat breiten Eingang in das Geschichswerk des Livius gefunden und ist von G. Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike, Wien 1980 ausführlich behandelt.

[111] D. Timpe, RGA s.v. Germani.

[112] R. Bockius, P. Luczkiewicz, Kelten und Germanen im 2.–1. Jh. v. Chr. Archäologische Bausteine zu einer historischen Frage, Bonn 2004, zusammenfassend im Kap. III „Frühgermanische“ Spuren im Bereich der Oppida-Kultur, 111–134, v.a. 116, Karte 39. Den Hinweis verdanke ich Michael Erdrich.

[113] G. B. Conte, Latin Literature. A History, Baltimore, London 1994, 121. Von den Eckdaten seines Lebens wissen wir, dass er im Numantinischen Krieg einer der Militärtribunen des Scipio Aemilianus war (Kapitulation Numantias 133 v. Chr.) und zur Zeit der Ermordung des M. Livius Drusus im Jahre 91 v. Chr. noch gelebt hat.

[114] Verg., Georg. 3.474–477: tum sciat, aërias Alpis et Norica si quis / castella in tumulis et Iapydis arva Timavi / nunc quoque post tanto videat, desertaque regna / pastorum et longe saltus lateque vacantis. Dass dieses idyllische Bild als Folie für furchtbare Seuchen gedacht ist, die den Tierbestand des Bauern heimsuchen können, hat H. Graßl, Zur norischen Viehseuche bei Vergil (Georg. 3.478–566), RhM 125 (1982) 67–77 dargestellt, die Seuche wiederum ist nach Conte (siehe vorige Anm.) 274 Vergils Gegenbild zu den Gräueln des Bürgerkrieges, was die Historizität der norischen Viehseuche in Frage stellt.

[115] Vergil verwendet arva gelegentlich für Gestade, z.B. Aen. 2.609, oder Meer, Aen. 8.695 arva Neptunia.

[116] C. Hosius (Hrsg.), Geschichte der Römischen Literatur II, München 41980, 49f. und ebenda 55: „Selten ist das Lob Italiens so rein erklungen, nationale Empfindung und Bürgersinn tränkt die ländliche Flur“.

[117] Vib. Sequ. ed. Gelsomino (Leipzig 1967) Nr. 180 s.v. Timavus.

[118] Im Jahre 49 v. Chr. hatte Caesar allen Bewohnern der Gallia Cisalpina das römische Bürgerrecht verliehen (Cass. Dio 41.36.3), und im Jahre 41 v. Chr. wurde der Provinzialcharakter der Cisalpina aufgehoben (App. Civ. 3.30; Cass. Dio 48.12.5)

[119] Dass man auch beim älteren Plinius auf einen Nachklang der von Polybios mitgeteilten Fakten hoffen darf, habe ich in Harl 2012 zu beweisen versucht.

[120] Nach eigener Aussage hat sich Poseidonios einen Monat in Gadeira (Gades, Cádiz) aufgehalten (Strab. 3.5.5–11), nach A. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, Bern 1971, 764 dazu noch in Massilia.

[121] Theiler, Erläuterungen 1982, 4 (zu T 33) und 34–35.

[122] Theiler, Erläuterungen 1982, 26 (zu F13, § 5).

[123] Strab. 5.1.11. Ein Nachklang des Polybiosberichtes könnte vorliegen bei Vitr. 2.9.16: … materies larigna … autem per Padum Ravennam deportatur, in colonia Fanestri, Pisauri, Anconae reliquisque, quae sunt in ea regione, municipiis praebetur.

[124] Die Beispiele sind gesammelt bei Dobesch, Wassergrenzen (o. Anm. 32) 16, Anm. 17.

[125] Hier sei lediglich angedeutet, dass die Rekonstruktion des Polybiostextes auch in Bezug auf die Verehrung des Diomedes am Timavon neue Perspektiven eröffnet, weil Diomedes nur durch diese Stelle bezeugt ist, während die dortige Verehrung des Antenor öfter belegt ist. Zu dieser Frage F. Fontana, I culti di Aquileia repubblicana. Aspetti della politica religiosa in Gallia cisalpina tra il III e il II sec. a. C., Roma 1997, 136–153. Vedaldi Iasbez 1994, 160–177 hat zum Timavon nicht weniger als 23 antike Testimonia zusammen getragen. Zum Timavon bringt Strabo in 5.1.9 eine Fülle von Mitteilungen, die in mythischen Raum zurückreichen. Eigens erwähnt sei die Geschichte mit dem weißen Pferd, das die Veneter alljährlich dem Diomedes am Timavon opferten, weil sie für M. šašel Kos, The Story of the Grateful Wolf and Venetic Horses in Strabo’s Geography, Studia Mythologica Slavica 11 (2008) 9–­24 den Anlass gibt, die weißen Pferde der Veneter zu den Anherren der berühmten Lipizzaner zu erklären. Wenn Strabo — genau wie beim Gold der Taurisker — den Bericht seiner Vorlage mit der Bemerkung abschließt, zu seiner Zeit werde das alles (venetische Pferdezucht, Pferdeopfer an Diomedes etc.) nicht mehr ausgeübt, dann überbrückt šašel Kos die 1600 Jahre zwischen Strabo und der Gründung des Lipizzanergestüts im Jahre 1580 mit der Annahme eines „autochtonious Karst horse (i.e. originating from the same broad area as the white Venetic horse known from Strabo)“ (Seite 19).

[126] Die literarische Überlieferung ließ nach Vedaldi Iasbez 1994, 302 bisher nicht erkennen, wann Concordia entstanden ist.

[127] Strab. 5.1.9.

[128] Strab. 5.1.1.

[129] Liv. 43.1: ... senatus ex Aquileiensium legatis cognovit, qui querentes coloniam suam novam et infirmam necdum satis munitam inter infestas nationes Histrorum et Illyriorum esse.

[130] Polyb. 3.75.3 dazu auch Liv. 21.57.5.

[131] Strab. 5.1.11. G. Radke, Die Straße des M. Aemilius Lepidus nach Aquileia, RE Suppl. 13 (München 1973) 1596 s.v. viae publicae Romanae.

[132] G. Radke, siehe vorige Anm. 1598.

[133] Das 7. Buch von Strabos Geographike enthält lediglich eine vom Meer her konzipierte Beschreibung der adriatischen Küste, bei der z.B. Strabos Mitteilung über die Iapoden nicht mehr auf seine Zeit, sondern auf das 3. Jh. v. Chr. zutreffen: M. Šašel Kos, Appian and Illyricum, Ljubljana 2005, 104. Für diese Gebiete könnte Strabo die verlorenen Hypomnemata, in denen Augustus sicher auch seine illyrischen Operationen behandelte, verwendet haben. Ein autobiographisches Werk des Augustus, das bis zum Kantabrerkrieg (abgeschlossen 20/19 v. Chr.) gereicht hat, ist neben Suet. Aug. 85.1 (Augustus) ....item hortationes ad philosophiam, et aliqua de uita sua quam tredecim libris Cantabrico tenus bello nec ultra exposuit nur noch bei App., Ill. 14.42 bezeugt.

[134] Zu Tergeste umfassend Vedaldi Iasbez 1994, 406–426.

[135] Polyb. 2.17 ... ᾤκουν δὲ κατὰ κώμας ἀτειχίστους ... oder 4.1 ... διασπασθῆναι κατὰ πόλεις καὶ κώμας. Dass eine solche Unterscheidung nicht unbedingt scharf gewesen sein muss, zeigt das von Steph. Byz. beigebrachte Beispiel von Hermonassa (s.v.): Sein Haupteintrag gilt der kleinen Insel im Kimmerischen Bosporus. Auf dieser befinde sich, so wird Hekataios zitiert, eine befestigte Siedlung, πόλις, die von Strabo als κώμη und von Theopompos als χωρίον bezeichnet werde.

[136] Steph. Byz. s.v. κώμη.

[137] Strab. 8.8.5 ... Πολυβίου δ᾽ εἰρηκότος τὸ ἀπὸ Μαλεῶν ἐπὶ τὰς ἄρκτους μέχρι τοῦ Ἴστρου διάστημα περὶ μυρίους σταδίους, εὐθύνει τοῦτο ὁ Ἀρτεμίδωρος οὐκ ἀτόπως ...

[138] Strab. 5.1.9: ... μετὰ δὲ τὸ Τίμαυον ἡ τῶν Ἰστρίων ἐστὶ παραλία μέχρι Πόλας, ἣ πρόσκειται τῇ Ἰταλίᾳ. μεταξὺ δὲ φρούριον Τεργέστε Ἀκυληίας διέχον ἑκατὸν καὶ ὀγδοήκοντα σταδίους …

[139] Strab. 4.6.10: ... ἡ δ’ Ὄκρα τὸ ταπεινότατον μέρος τῶν Ἄλπεών ἐστι καθ’ ὃ συνάπτουσι τοῖς Κάρνοις. (Quelle Polybios?).

[140] CIL I2 1, S. 49; Inscr. It. 13.1 S. 84–85 Fragm. 36.

[141] Strab. 7.5.2: ... Ἡ δ᾽ Ὄκρα ταπεινότατον μέρος τῶν Ἄλπεών ἐστι τῶν διατεινουσῶν ἀπὸ τῆς Ῥαιτικῆς μέχρι Ἰαπόδων· ἐντεῦθεν δ᾽ ἐξαίρεται τὰ ὄρη πάλιν ἐν τοῖς Ἰάποσι... (zeitgenössische Quelle, eventuell nach dem Alpenfeldzug).

[142] Vedaldi Iasbez 1994, 229–239.

[143] Zuletzt J. Horvat, Early Roman horrea at Nauportus, MEFRA 120/1 (2009) 111–121.

[144] Strab. 7.5.2: Ὁ δὲ πλοῦς τὰ πολλὰ τοῖς ποταμοῖς ἐπὶ τὰς ἄρκτους ἐστίν· ὁδὸς [δ᾽] ἀπὸ Τεργέστε ἐπὶ τὸν Δανούιον σταδίων ὅσον χιλίων καὶ διακοσίων. Die Schifffahrt auf den Flüssen ist zum größten Teil in Richtung Norden, die Route von Tergeste bis zur Donau ist soviel wie 1200 Stadien. Zu prüfen wäre, ob ὅσον, das als Neutrum grammatikalisch nicht zu dem an sich zugehörigen Femininum ὁδός passt, nicht eine verderbte Zahlenangabe sein kann: Mit z.B. 3000 + 200 Stadien käme man nach den Routenrechnern des Internet auf der Bernsteinstraße von Tergeste über Emona, Celeia, Poetovio, Savaria großzügig bis zum Donauübergang bei Pressburg.

[145] RgdA 30: ... protulique fines Illyrici usque ad ripam fluminis Danuvii.

[146] Nach D. Kienast, Augustus, Darmstadt 2009, 262 ist die Autobiographie nach dem Spanischen Krieg erschienen.

[147] App. Ill. 14.42.

[148] Wieso Jaro Šašel das ἕλος Λούγεον mit dem Cerkniško jezero, einem faszinierenden Karstphänomen, identifiziert, J. Šašel,Strabo, Ocra and Archaeology, in: V. Markotic (Hrsg.), Ancient Europe and the Mediterranean. Studies presented in honor of Hugh Hencken,
Warminster 1977, 157–160 = Opera Selecta Jaroslav Šašel, Ljubljana 1992, 631, ist von der Wortbedeutung her unverständlich. Denn ἕλος bedeutet bei Polybios/Strabo beziehungsweise Polybios „Sumpf“, während sie für „See“ (slow. jezero) λίμνη verwenden.

[149] Dargestellt bei J. Horvat, A. Bavdek, Ocra. The Gateway between the Mediterranean and Central Europe, Ljubljana 2009, 130 Fig. 108.

[150] Dazu der grundlegende Exkurs über die zusammengehörenden Ortsnamen von Tergeste, Opitergium, Trèsto und Tergolape von A. L. Prosdocimi in: G. Fogolari, A. L. Prosdocimi (Hrsg.), I Veneti Antichi, Padova 1988, 397–401 und zuletzt P. Anreiter, Die vorrömischen Namen Pannoniens, Budapest 2001, 13; 74. Zur unsicheren Nennung von Opitergium auf Schleuderbleien venetischer Soldaten, die von der Belagerung der picenischen Stadt Ascoli zurück geblieben sind, und zur Diskussion der gemeinsamen Wurzel der Ortsnamen Opitergium, Tergeste und Tergolape A. L. Prosdocimi ebenda 302, 397 und vor allem 398.

[151] CIL V, 525: [Imp(erator) Caesar] co(n)s(ul) design(atus) | tert(ium) [IIIvir r(ei) p(ublicae)] c(onstituendae) iter(um) | murum turresque fecit und 526: [I]mp(eratore) Caesare [divi f(ilio)] | imp(eratore) V, IIIv[iro r(ei) p(ublicae) c(onstituendae) iter(um)] | co(n)s(ule) de[sig(nato) tertium]. Zu den Inschriften O. Harl, A. Niederstätter, Kaiser Friedrich III. als Nachfolger Caesars: Inschriften zur Befestigung von Tergeste und Triest, Mitt. des Österr. Staatsarchivs 55 (2011) (= Festschrift für Lorenz Mikoletzky) 699­–725.

[152] Strab. 5.1.9. Den Begriff φρούριον verwendet Strabo 7.5.2 noch für Siscia und Sir­mium.

[153] A. Hirtius in Caes., bell. Gall. 8.24.3: ... (Caesar) Labienum ad se evocat ..., ne quod simile incommodum accideret decursione barbarorum ac superiore aestate Tergestinis acciderat, qui repentino latrocinio atque impetu Illyriorum erant oppressi.

[154] Appian, Illyrike 18.52: „ ... das wilde Volk der Iapoden berannte Aquileia und plünderte den römischen Außenposten Tergeste.“ Ἄποικον ist hier in seiner Grundbedeutung als Außenposten zu verstehen und nicht in der eingeschränkten Übersetzung als colonia.

[155] Zu den Japoden D. Balen-Letunič, Japodi. The Iapodes. Die Japoden, in: A. Rendič-Miočevič (Hrsg.), Ratnici na razmeču istoka i zapada, Zagreb 2004, 211–257. Non vidi.

[156] Zu Tergeste sind anscheinend keine prähistorischen Befunde bekannt. Das wundert nicht weiter, weil der Burghügel, auf dem ein Castelliere anzunehmen ist, seit spätrepublikanischer Zeit ununterbrochen mit Monumentalarchitektur verbaut wurde. C. Marchesetti, I castellieri preistorici di Trieste e della regione Giulia, Trieste 1903, reprint 1983. Non vidi.